Wernigerode

Bevölkerungsrückgang? Warum immer weniger Menschen im Harz leben

Wernigerode – Der Harz, einst dicht besiedelt und wirtschaftlich geprägt von Bergbau, Industrie und Tourismus, erlebt seit Jahren eine stetig sinkende Bevölkerungsdichte. Immer mehr Orte verlieren Einwohner, Schulen schließen, Häuser stehen leer. Was sind die Ursachen dieses demografischen Wandels – und was bedeutet das für die Zukunft der Region?

Ein Mittelgebirge im Wandel

Der Harz steht stellvertretend für viele ländliche Regionen Deutschlands, in denen die Bevölkerung schrumpft und altert. Zwischen 1990 und 2024 ist die Zahl der Einwohner im Landkreis Harz von über 280.000 auf rund 205.000 gefallen – ein Rückgang um mehr als 25 Prozent. Auch die Bevölkerungsdichte verringerte sich im gleichen Zeitraum deutlich: von über 130 Einwohnern pro Quadratkilometer auf knapp unter 100.

Diese Entwicklung ist kein kurzfristiges Phänomen, sondern Ergebnis eines jahrzehntelangen Strukturwandels. Nach dem Ende des Bergbaus und vieler Industriearbeitsplätze in den 1990er-Jahren verlor der Harz seine wirtschaftliche Anziehungskraft. Heute ist die Region geprägt von einer alternden Bevölkerung, einem negativen Wanderungssaldo und Herausforderungen im Bereich Infrastruktur und Arbeitsmarkt.

Abwanderung als Hauptursache

Eine der zentralen Fragen lautet: Warum zieht die Bevölkerung im Harz weg? Die Ursachen sind vielfältig, doch Fachleute benennen immer wieder dieselben Punkte: fehlende wirtschaftliche Perspektiven, begrenzte Bildungschancen und eine unzureichende Infrastruktur. Viele junge Menschen verlassen den Harz nach der Schule oder Ausbildung, um in größeren Städten zu studieren oder zu arbeiten – und kommen selten zurück.

Besonders stark betroffen sind kleinere Gemeinden in den Hochlagen des Mittelgebirges. Dort ist die Versorgung mit Ärzten, Schulen und öffentlichen Verkehrsmitteln eingeschränkt. Der tägliche Weg zur Arbeit oder Ausbildung wird für viele zur logistischen Herausforderung. Während ältere Menschen bleiben, ziehen junge Familien in besser angebundene Städte wie Braunschweig, Göttingen oder Magdeburg.

Die demografische Schieflage

Laut aktuellen Analysen gehört der Landkreis Harz zu den ältesten Regionen Sachsen-Anhalts. Das Durchschnittsalter liegt bei fast 50 Jahren. Der Anteil der über 65-Jährigen wächst stetig, während der Anteil der unter 18-Jährigen abnimmt. Diese Schieflage hat weitreichende Folgen: Sie beeinflusst nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch das Vereinsleben, die Schulen und die kommunale Daseinsvorsorge.

Kennst du das schon?  Schokoladenfest 2025 in Wernigerode: Sind die neuen Sicherheitsregeln wirklich nötig?

Eine direkte Folge der Alterung ist die sinkende Geburtenrate. Wenn weniger junge Familien in der Region leben, sinkt langfristig auch die Zahl der Kinder. Gleichzeitig übersteigt die Zahl der Sterbefälle die der Geburten, was die natürliche Bevölkerungsbilanz weiter verschlechtert.

Infrastruktur zwischen Rückbau und Erhalt

Ein weiterer entscheidender Faktor für den Bevölkerungsrückgang im Harz ist die Infrastruktur. Wie wirkt sich die Versorgungsdichte auf die Bevölkerungsentwicklung aus? In dünn besiedelten Gebieten wie dem Harz sind die Kosten pro Kopf für öffentliche Einrichtungen hoch, während die Einnahmen aus Steuern sinken. Das führt dazu, dass Kommunen gezwungen sind, Einrichtungen zusammenzulegen oder ganz zu schließen.

Die Folge: längere Wege zu Schulen, Krankenhäusern oder Verwaltungsstellen. Auch der öffentliche Nahverkehr ist vielerorts ausgedünnt. Buslinien fahren nur noch selten, und der Bahnverkehr konzentriert sich auf wenige Hauptstrecken. Für ältere Menschen oder Familien ohne Auto ist das ein spürbarer Einschnitt im Alltag.

Beispiele für Rückbau und Zentralisierung

  • Schließung kleiner Grundschulen und Zusammenlegung zu Verbundschulen.
  • Reduzierung medizinischer Versorgungsangebote in abgelegenen Orten.
  • Eingeschränkter öffentlicher Nahverkehr mit reduziertem Fahrplan.
  • Rückbau von Straßen- und Versorgungsinfrastruktur aufgrund hoher Instandhaltungskosten.

Wirtschaftliche Strukturprobleme

Ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung zeigt, dass der Harz seit Jahrzehnten unter strukturellen Schwächen leidet. Welche wirtschaftlichen Veränderungen haben die Schrumpfung begünstigt? Nach dem Ende des Bergbaus und der Schwerindustrie fehlten in vielen Orten neue Arbeitsplätze. Der Tourismus konnte diesen Verlust nur teilweise ausgleichen. Zwar ist der Harz als Urlaubsregion beliebt, doch die Beschäftigungsmöglichkeiten konzentrieren sich auf saisonale und oft niedrig bezahlte Tätigkeiten.

Das ifo-Institut nennt in einer aktuellen Studie den Rückgang industrieller Arbeitsplätze, die geringe Diversifizierung der Wirtschaft und den Fachkräftemangel als Schlüsselfaktoren. Hinzu kommt eine Polarisierung zwischen prosperierenden Großstädten und peripheren Regionen. Städte wie Göttingen oder Hannover ziehen junge Fachkräfte an, während ländliche Räume wie der Harz abgehängt wirken.

Kennst du das schon?  Hier öffnen bald Cannabis-Clubs im Harz – das sind die aktuellen Standorte

Arbeitsmarkt im Überblick

Kategorie Entwicklung im Harz
Industriearbeitsplätze Rückgang um über 40 % seit 1990
Dienstleistungssektor Wachstum, aber meist niedriglohnorientiert
Tourismusbranche Saisonal abhängig, stark wetter- und konjunkturabhängig
Digitale Arbeitsplätze Geringer Anteil, fehlende Infrastruktur

Soziale Wahrnehmung und Lebensqualität

Neben Zahlen und Statistiken prägen auch subjektive Faktoren die Abwanderung. In Foren und sozialen Medien beschreiben viele Menschen den Harz als „schön, aber still“. Besonders Familien klagen über mangelnde Freizeitangebote, schlechte Verkehrsanbindungen und eingeschränkte Betreuungsmöglichkeiten. Einige sprechen von „einer Region, die langsam ausblutet“.

Gleichzeitig schätzen viele die Ruhe, Natur und vergleichsweise niedrigen Immobilienpreise. Für Ruheständler oder Menschen im Homeoffice kann der Harz durchaus attraktiv sein. Doch die Diskrepanz zwischen Lebensqualität und Lebensperspektive bleibt ein zentrales Problem.

Die Rolle des Tourismus

Der Tourismus ist nach wie vor einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren im Harz. Doch auch hier zeigen sich strukturelle Schwierigkeiten. Diskussionen in regionalen Foren thematisieren etwa steigende Preise und Personalengpässe bei den Harzer Schmalspurbahnen, die als Wahrzeichen der Region gelten. Wenn touristische Attraktionen an Qualität verlieren, leidet das Image der gesamten Region – mit möglichen Auswirkungen auf den Zuzug und die lokale Wirtschaft.

Tourismus im Wandel

  • Zunehmender Sanierungsbedarf bei touristischer Infrastruktur.
  • Personalmangel in Gastronomie und Hotellerie.
  • Folgen des Klimawandels auf Wintersportorte und Naturtourismus.
  • Digitalisierungspotenziale im Tourismus bislang kaum genutzt.

Regionale Unterschiede innerhalb des Harzes

Innerhalb des Harzgebiets zeigen sich deutliche Unterschiede. Während Orte wie Wernigerode, Quedlinburg oder Goslar von Tourismus und kultureller Attraktivität profitieren, kämpfen kleinere Gemeinden in den Hochlagen mit massiver Abwanderung. Prognosen gehen davon aus, dass insbesondere der südliche und westliche Harz bis 2035 weitere 10 bis 15 Prozent seiner Bevölkerung verlieren könnte.

Anders sieht es in den Übergangsregionen aus, etwa rund um Halberstadt oder Blankenburg. Dort könnte sich die Lage stabilisieren, sofern Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung greifen. Regionale Förderprogramme versuchen, jungen Familien und Gründerinnen neue Perspektiven zu bieten – mit ersten, aber noch zögerlichen Erfolgen.

Neue Strategien gegen den Bevölkerungsschwund

Der Rückgang der Bevölkerung im Harz ist nicht unabwendbar. Zahlreiche Initiativen versuchen, den Trend umzukehren. Kommunen setzen verstärkt auf Digitalisierung, flexible Arbeitsmodelle und nachhaltigen Tourismus. Projekte wie „Smart Country Harz“ sollen schnelles Internet und Homeoffice-Möglichkeiten auch in kleinen Gemeinden realisieren. Das Ziel: den Harz als Lebens- und Arbeitsraum wieder attraktiver zu machen.

Kennst du das schon?  Wernigerode: Unbekannte reißen kompletten Parkscheinautomaten aus der Verankerung

Ansätze für die Zukunft

  • Digitale Infrastruktur: Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunknetzen zur Förderung von Homeoffice und E-Business.
  • Nachhaltiger Tourismus: Förderung naturnaher Angebote und ganzjähriger Besuchsprogramme.
  • Bildungsangebote: Kooperationen mit Hochschulen und Berufsschulen, um Fachkräfte zu halten.
  • Regionale Identität: Stärkung lokaler Gemeinschaften und Kulturinitiativen.

Fazit: Der Harz zwischen Tradition und Zukunft

Der demografische Wandel im Harz ist tiefgreifend und betrifft nahezu alle Lebensbereiche – von Wirtschaft über Infrastruktur bis hin zur sozialen Struktur. Die sinkende Bevölkerungsdichte ist Ausdruck eines komplexen Zusammenspiels aus Abwanderung, Alterung und wirtschaftlichem Strukturwandel. Doch der Harz hat Chancen: durch Digitalisierung, nachhaltigen Tourismus und gezielte Standortförderung kann er wieder zu einem attraktiven Lebensraum werden.

Der Weg dorthin wird Zeit brauchen und gemeinsame Anstrengungen erfordern – von Politik, Wirtschaft und Bevölkerung gleichermaßen. Nur wenn es gelingt, junge Menschen zum Bleiben zu bewegen und neue Perspektiven zu schaffen, kann der Harz langfristig seine lebendige Identität bewahren und dem Schrumpfen entgegentreten.

Weiteres aus der Rubrik
Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.