Nordhausen, 28. Mai 2025, 10:00 Uhr
– Bild exemplarisch –
Ein aufsehenerregender Vorfall in einer Kleingartenanlage in Nordhausen sorgt bundesweit für Diskussionen: In einer unscheinbaren Gartenparzelle am Gumpental entdeckten Behörden ein 2,5 Meter langes Beulenkrokodil sowie zahlreiche hochgefährliche Schlangenarten. Die Tiere wurden von einem privaten Halter in nicht genehmigten Gehegen gehalten. Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die private Haltung exotischer Wildtiere in Deutschland und deren Risiken für Mensch und Tier.
Der Einsatz: Behörden greifen ein
Am 27. Mai 2025 rückten Beamte des Veterinäramts des Landkreises Nordhausen gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde, dem Ordnungsamt und einer auf Reptilien spezialisierten Tierärztin zu einem geplanten Zugriff in einer Kleingartenanlage aus. Ziel war die Kontrolle der Tierhaltung in einer Parzelle, über die bereits seit längerem Hinweise auf Verstöße gegen das Thüringer Tiergefahrengesetz vorlagen.
Vor Ort fanden die Einsatzkräfte erschreckende Zustände: In provisorischen Terrarien und Becken lebten mehrere gefährliche Reptilienarten – darunter ein Beulenkrokodil von 2,5 Metern Länge, gelbe und grüne Anakondas, Puffottern, eine Speikobra, eine Brillenschlange, vier Boa constrictor und ein Netzpython mit einer Länge von 5,20 Metern. Einige Tiere befanden sich in schlechter Verfassung, andere waren nur notdürftig gesichert.
Hintergrund: Ehemaliger Reptilienzoo als Ursprung
Die Reptilien stammen aus einem ehemaligen Reptilienzoo in Nordhausen, der vor rund zehn Jahren geschlossen wurde. Der heutige Halter hatte seinerzeit mehrere Tiere übernommen – offenbar mit guter Absicht. Doch mit den Jahren wurden die Tiere größer, gefährlicher und schwerer zu versorgen. Bereits im Herbst 2024 hatte das Veterinäramt die Haltungsbedingungen kontrolliert und Auflagen erteilt, die jedoch nicht ausreichend umgesetzt wurden.
Der Halter konnte insbesondere die räumlichen und sicherheitstechnischen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Zudem fehlten aktuelle Haltegenehmigungen. Die Sicherstellung der Tiere war daher nicht nur notwendig, sondern auch rechtlich unumgänglich.
Reaktionen aus Politik und Gesellschaft
Der Fall löst in Thüringen und darüber hinaus eine Welle an Reaktionen aus. Tierschützer fordern eine Verschärfung der gesetzlichen Grundlagen für die Haltung exotischer Wildtiere in Privathaushalten. Politiker verschiedenster Parteien mahnen mehr Kontrolle und eine bundesweite Erfassung gefährlicher Tiere an.
„Die private Haltung von Krokodilen, Kobras und Riesenpythons darf nicht zur Normalität werden – das ist ein Sicherheitsrisiko für alle Beteiligten,“
Die rechtliche Lage in Thüringen
Thüringen verfügt mit dem sogenannten „Tiergefahrengesetz“ über ein vergleichsweise strenges Regelwerk. Dieses Gesetz schreibt vor, dass Tiere, die durch Körperkraft, Gift oder Verhalten eine Gefahr für Menschen darstellen können, nur unter bestimmten Auflagen gehalten werden dürfen. Zu diesen Auflagen gehören:
- eine behördliche Genehmigung für jedes einzelne Tier,
- regelmäßige Kontrollen durch das Veterinäramt,
- der Nachweis artgerechter Unterbringung,
- sowie ein Sicherungskonzept zur Vermeidung von Ausbrüchen.
Im Fall des Nordhäuser Kleingärtners waren diese Auflagen nicht mehr erfüllt. Zudem wurden einige Tiere nicht ordnungsgemäß gemeldet – ein klarer Verstoß gegen das Landesrecht.
Was passiert nun mit den Tieren?
Nach ihrer Sicherstellung wurden die Reptilien in eine erste Quarantäne verbracht. Dort untersucht eine Tierärztin die Tiere auf Gesundheitszustand, Parasiten und Transportfähigkeit. Die langfristige Unterbringung ist bereits in Planung:
Tierart | Geplante Unterbringung |
---|---|
Speikobra, Puffottern, Brillenschlange | Reptilienauffangstation München |
Boa constrictor, Netzpython | Privatstation mit Genehmigung in Sachsen |
Beulenkrokodil | Tierpark – Standort wird noch geprüft |
Die Auffangstationen, insbesondere die in München, geraten allerdings zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Station berichtet, dass immer mehr exotische Tiere abgegeben werden, deren Halter überfordert sind oder die Tiere illegal erworben haben.
Nordhausen als Hotspot exotischer Tierhaltung?
Die Region Nordhausen scheint dabei kein Einzelfall zu sein. Laut Angaben der Unteren Naturschutzbehörde leben allein im Landkreis Nordhausen etwa 1.700 exotische Tiere, verteilt auf rund 300 registrierte Halter. Das Spektrum reicht von Papageien über Affen bis hin zu Schlangen und Echsen.
Diese Zahlen werfen Fragen auf: Wie viele gefährliche Tiere befinden sich noch in privater Haltung? Werden alle Halter regelmäßig kontrolliert? Und wie lassen sich Verstöße effizient verfolgen?
Internationale Perspektiven: Strengere Regeln im Ausland
Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt: In vielen europäischen Ländern ist die private Haltung gefährlicher Reptilien stark eingeschränkt oder verboten. In den Niederlanden, Belgien und Dänemark dürfen Krokodile oder Giftschlangen nur mit speziellen Genehmigungen gehalten werden, die nur an Zoos oder Forschungsinstitute vergeben werden. In Großbritannien wurde kürzlich ein Register für gefährliche Tierarten eingeführt, das öffentlich einsehbar ist und Verstöße schneller ahndet.
Deutschland hingegen erlaubt die Haltung gefährlicher Tiere auf Landesebene. Eine bundesweit einheitliche Regelung existiert bislang nicht – was viele Experten als Sicherheitslücke bewerten.
Forderungen nach Reformen
Der Fall Nordhausen bringt neue Bewegung in die Debatte. Mehrere Bundestagsabgeordnete haben angekündigt, sich für eine bundesweite Positivliste einzusetzen. Eine solche Liste würde genau definieren, welche Tierarten privat gehalten werden dürfen – und welche nicht. Gleichzeitig sollen Halter zu Schulungen verpflichtet und Verstöße härter sanktioniert werden.
Tierschutzverbände fordern darüber hinaus einen besseren Schutz der Tiere selbst. Viele exotische Tiere leiden in nicht artgerechter Haltung und zeigen Verhaltensauffälligkeiten, chronische Krankheiten oder Aggressionen.
Fazit: Mehr Kontrolle, weniger Risiko
Der Einsatz in Nordhausen zeigt eindrucksvoll, welche Risiken von der unzureichend kontrollierten Haltung exotischer Tiere in Privatbesitz ausgehen können. Die Behörden haben professionell und schnell reagiert, doch der Vorfall bleibt ein Weckruf an Politik, Gesellschaft und Tierhalter. Ob eine bundesweite Reform des Tiergefahrenrechts folgt, bleibt abzuwarten – der Handlungsbedarf jedenfalls ist unübersehbar.
Für Nordhausen und seine Bewohner bleibt die Hoffnung, dass sich ähnliche Fälle künftig vermeiden lassen – durch mehr Aufklärung, strengere Vorschriften und vor allem durch ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber Tier und Mensch.