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Harz | Wird das Fünf-Sterne-Hotel in Wernigerode jetzt doch Realität?

Wernigerode, 12. Juni 2025 – 07:17 Uhr

Bild exemplarisch

In Wernigerode nimmt ein ehrgeiziges Projekt konkrete Formen an: Der denkmalgeschützte Fürstliche Marstall im Herzen der Stadt soll zu einem exklusiven Fünf-Sterne-Hotel umgebaut werden. Die Debatte um den Umbau dieses historischen Gebäudes polarisiert – zwischen wirtschaftlicher Chance, architektonischer Herausforderung und denkmalpflegerischer Verantwortung. Doch eines ist klar: Wernigerode steht am Beginn einer neuen touristischen Epoche.

Historischer Glanz trifft moderne Vision

Der Fürstliche Marstall wurde in den Jahren 1862 bis 1865 als Teil des Ensembles rund um das Schloss Wernigerode errichtet. Ursprünglich als Pferdestall und Reithalle genutzt, entwickelte sich das neogotische Gebäude im Laufe der Jahrzehnte zu einer kulturellen Begegnungsstätte. In den letzten Jahren diente es als Veranstaltungsort für Hochzeiten, Konzerte und Empfänge – zuletzt auch für den traditionellen Neujahrsempfang der Stadtverwaltung.

Nun soll aus dem historischen Ort ein Luxushotel mit internationalem Anspruch entstehen. Die städtische Gebäudewirtschaft (GWW) ist aktuell Eigentümerin des Objekts, und laut Verwaltung ist der Verkauf weitgehend beschlossen. Ein Investor steht bereit, ebenso ein Betreiber mit Erfahrung im gehobenen Tourismussegment. Die Vision: Ein stilvoll integriertes Hotel mit fünf Sternen, das die Geschichte des Ortes wahrt und gleichzeitig neue Maßstäbe für Übernachtung, Gastronomie und Eventnutzung in der Region setzt.

Warum Wernigerode? Die touristische Lücke im Harz

Mit jährlich über einer Million Übernachtungen gehört Wernigerode zu den beliebtesten Reisezielen im Harz. Die Stadt punktet mit ihrer malerischen Fachwerkarchitektur, der Nähe zum Brocken, der Harzer Schmalspurbahn und ihrem reichen Kulturangebot. Doch trotz dieser Attraktivität fehlt ein Fünf-Sterne-Hotel bislang völlig. Zwar gibt es mehrere hochwertige 4-Sterne-Häuser und charmante Boutiquehotels – etwa das Ringhotel Weißer Hirsch oder das Hotel Schlosspalais – doch das formale Topsegment ist unbesetzt.

Ein Blick auf das touristische Umfeld zeigt deutlich: Andere Städte der Region wie Goslar oder Bad Sachsa verfügen bereits über exklusive Unterkünfte. Wernigerode hingegen könnte mit dem neuen Hotel nicht nur ein touristisches Defizit ausgleichen, sondern auch neue Zielgruppen ansprechen – etwa internationale Gäste mit gehobenen Ansprüchen, Tagungsgäste und Wellnessreisende.

Architektur mit Fingerspitzengefühl

Ein zentrales Thema des Projekts ist die behutsame Verbindung von Alt und Neu. Der Umbau des Marstalls soll architektonisch sensibel geschehen, ohne das historische Erscheinungsbild zu gefährden. Erste Entwürfe von KLM Architekten sehen eine klare Trennung zwischen bestehender Bausubstanz und neuen Elementen vor. Durch Materialien wie Glasfaserbeton in natürlichen Farbtönen sollen moderne Anbauten visuell zurücktreten, während gleichzeitig eine nachhaltige Bauweise gewährleistet wird.

Nachhaltigkeit steht ohnehin im Fokus: Modular vorgefertigte Bauelemente, energieeffiziente Heizsysteme und langlebige Materialien sollen das Hotel zukunftsfähig machen. Der Trend zur „grünen Denkmalpflege“ – gefördert auch durch Landesmittel – spielt hier eine zentrale Rolle.

Finanzierung, Zuschüsse und öffentliches Interesse

Die Finanzierung des Vorhabens erfolgt überwiegend privat. Doch auch öffentliche Fördergelder fließen indirekt in die vorbereitende Planung: Im Rahmen des KulturInvest-Programms des Landes Sachsen-Anhalt wurden 500.000 Euro für die planerische Vorarbeit rund um das Schlossumfeld bereitgestellt. Diese Mittel stärken auch die infrastrukturelle Anbindung und städtebauliche Einbettung des Marstall-Areals.

Die Stadtverwaltung signalisiert Unterstützung. In einer Stellungnahme vom Jahresbeginn 2025 wird das Projekt als „wichtiger Meilenstein für die Weiterentwicklung der touristischen Infrastruktur“ bezeichnet. Auch im Gemeinderat findet sich nach anfänglicher Zurückhaltung inzwischen eine Mehrheit für den Umbau.

Argumente der Befürworter

Die Unterstützer des Projekts betonen insbesondere die wirtschaftlichen und strukturellen Vorteile:

  • Touristische Aufwertung: Ein Fünf-Sterne-Hotel erhöht das internationale Ansehen Wernigerodes und verlängert die Aufenthaltsdauer der Gäste.
  • Synergieeffekte: Bestehende Eventnutzung des Marstalls kann in das Hotelkonzept integriert werden. Hochzeit, Tagung und Übernachtung an einem Ort.
  • Regionale Wertschöpfung: Höhere Übernachtungspreise, mehr lokale Ausgaben pro Gast und neue Arbeitsplätze in der Hotellerie und Gastronomie.
  • Stärkung der Nebensaison: Durch Wellness- und Businessangebote auch außerhalb der Hauptsaison hohe Auslastung möglich.

„Ein solches Hotel ist nicht nur ein Gebäude – es ist ein Versprechen für die Zukunft der Stadt.“

Kritische Stimmen und Gegenargumente

Doch es gibt auch Bedenken. Kritikerinnen und Kritiker führen insbesondere folgende Punkte an:

  • Verlust des öffentlichen Charakters: Der bisher öffentlich zugängliche Veranstaltungsort könnte durch den Hotelbetrieb exklusiviert werden.
  • Authentizität der Stadt: Einige Anwohner befürchten eine „Disneyfizierung“ des historischen Kerns – zu viel polierter Tourismus, zu wenig echtes Leben.
  • Denkmalschutzbedenken: Zwar ist ein sensibler Umgang mit der Bausubstanz geplant, doch nicht alle Maßnahmen – etwa technische Einbauten oder Erweiterungen – sind unumstritten.
  • Preisverdrängung: Die Aufwertung könnte das Preisniveau der umliegenden Hotels und Ferienwohnungen dauerhaft anheben – mit Folgen für Mittelstandsgäste.

Ein Blick in die Geschichte: Der Luxus ist zurück

Die Idee eines Luxushotels ist in Wernigerode nicht neu. Bereits um 1900 galt das „Hotel Fürst zu Stolberg“ als herausragende Adresse mit internationalen Gästen, Tennisplätzen und modernen Annehmlichkeiten. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut. Der geplante Umbau des Marstalls könnte somit auch als symbolische Rückkehr dieser Luxus-Tradition verstanden werden – angepasst an moderne Ansprüche.

Touristische Positionierung: Märchenhaft, aber klar profiliert

Internationale Reiseführer beschreiben den Harz als „fairy-tale heartland“, als märchenhafte Mitte Deutschlands. Wernigerode könnte mit einem Premiumhotel genau jene Zielgruppen erreichen, die bisher eher auf Orte wie Baden-Baden, Sylt oder die Alpenregion setzen: Gäste mit hohem Anspruch, sensibler Haltung und einem Sinn für Historie. Das geplante Haus wäre das erste seiner Klasse in der Stadt – und eine Ausnahmeerscheinung im Harz.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit dem Umbau des Fürstlichen Marstalls zum Fünf-Sterne-Hotel steht Wernigerode vor einem tiefgreifenden Wandel. Zwischen Geschichte und Zukunft, zwischen öffentlicher Nutzung und exklusivem Komfort, entsteht ein Projekt, das weit über die Region hinausstrahlen könnte. Noch sind viele Details offen – insbesondere was Betreiber, konkrete Bauzeit und Beteiligung der Öffentlichkeit betrifft. Doch schon jetzt ist klar: Dieses Projekt wird Wernigerode verändern.

Stärken des Projekts auf einen Blick:

AspektChancen
TourismusErweiterung des Angebots, internationale Sichtbarkeit
WirtschaftMehr Wertschöpfung, neue Arbeitsplätze
DenkmalpflegeErhalt und Nutzung historischer Substanz
StadtentwicklungHöherwertige Infrastruktur, Impulse für Umfeld

Ob Wernigerode bald ein Fünf-Sterne-Hotel bekommt, entscheidet sich in den kommenden Monaten. Die Weichen sind gestellt, das Interesse ist groß, die Diskussion lebendig. Zwischen denkmalgerechter Transformation, wirtschaftlichem Aufschwung und städtebaulichem Feingefühl liegt ein Vorhaben, das beispielgebend für den ländlichen Luxus-Tourismus in Deutschland sein könnte.

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.
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