
Kelbra – Der Stausee Kelbra, einer der bedeutendsten Rastplätze für Kraniche in Deutschland, steht derzeit im Zentrum eines massiven Vogelgrippe-Ausbruchs. Mehr als 160 tote Kraniche wurden in den vergangenen Tagen entdeckt. Behörden haben Schutzmaßnahmen, Zutrittsverbote und eine Stallpflicht für Geflügel verhängt. Die Region gilt nun offiziell als Vogelgrippe-Zone.
Ausbruch der Vogelgrippe in Sachsen-Anhalt – das Ausmaß der Krise
Die Region um den Stausee Kelbra in Sachsen-Anhalt ist schwer von der Vogelgrippe betroffen. Innerhalb weniger Tage wurden über 160 tote Kraniche gefunden. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) bestätigte den hochpathogenen Influenza-Virus H5N1 als Ursache. Das Risiko einer weiteren Ausbreitung wurde von den Experten von „moderat“ auf „hoch“ heraufgestuft. Besonders alarmierend: Auch in anderen Teilen Sachsen-Anhalts, etwa im Landkreis Stendal, mehren sich Verdachtsfälle.
Stausee Kelbra als zentraler Rastplatz für Zugvögel
Der Stausee Kelbra ist ein ökologisches Juwel und zugleich ein Hotspot für Zugvögel. Bis zu 50.000 Kraniche rasten hier jährlich im Herbst auf ihrem Weg in den Süden. Die hohe Konzentration der Tiere begünstigt jedoch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Laut den Behörden wurden die betroffenen Landkreise Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) und Kyffhäuserkreis (Thüringen) in Alarmbereitschaft versetzt. Mitarbeiter des Veterinäramtes sind täglich vor Ort, um Kadaver zu bergen und Proben zu sichern.
Behördliche Maßnahmen und Einschränkungen für die Bevölkerung
Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, wurde rund um den Stausee Kelbra eine Schutzzone eingerichtet. Nur noch Einsatzkräfte und Veterinärteams dürfen das Gebiet betreten – unter strengen Hygieneauflagen. Eine Desinfektionsschleuse wurde errichtet, um eine Verschleppung des Virus zu verhindern. Zudem gilt für Geflügelhalter in den betroffenen Regionen eine Stallpflicht: Geflügel darf nur noch in geschlossenen oder gesicherten Anlagen gehalten werden.
Weitere Einschränkungen umfassen:
- Verbot von Geflügelmärkten und Ausstellungen
- Meldepflicht bei toten oder auffälligen Wildvögeln
- Vermeidung des direkten Kontakts zu Wildvögeln
- Strenge Hygienevorschriften für Tierhalter und Landwirte
Auch touristische Aktivitäten sind betroffen. Laut einem Beitrag des MDR wurden geplante Kranichbeobachtungen und Exkursionen abgesagt. Das Gelände ist für Besucher bis auf Weiteres gesperrt – ein herber Schlag für den Naturtourismus der Region, der sonst jährlich Tausende Besucher anzieht.
Hintergrund: Wie gefährlich ist das Virus H5N1?
Der aktuell nachgewiesene Erreger H5N1 gehört zu den hochpathogenen aviären Influenzaviren (HPAI). Diese Form der Vogelgrippe ist für Wildvögel und Geflügel meist tödlich, kann jedoch in seltenen Fällen auch auf Säugetiere übergehen. Eine Studie aus Norddeutschland zeigte, dass sich H5N1 gelegentlich auch auf Wildfüchse übertragen kann, wobei das Virus sogar das Gehirn befiel. Eine Gefahr für den Menschen besteht laut dem FLI jedoch nur bei sehr engem Kontakt mit infizierten Tieren.
Kann die Vogelgrippe auf Menschen übergehen?
Diese Frage bewegt viele Bürger. Nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums besteht derzeit kein erhöhtes Risiko für die Bevölkerung. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde bislang nicht nachgewiesen. Trotzdem warnen Experten davor, tote Vögel anzufassen oder ungeschützten Kontakt mit Wildtieren zu haben. Die Empfehlung lautet: Funde sofort dem zuständigen Veterinäramt melden.
Warum trifft es ausgerechnet Kraniche?
Kraniche gehören zu den Arten, die besonders häufig in großen Gruppen rasten. Diese dichte Population begünstigt die schnelle Virusverbreitung. Zudem legen die Tiere auf ihrem Zugweg tausende Kilometer zurück und können Krankheitserreger über weite Distanzen tragen. Der Stausee Kelbra gilt dabei als neuralgischer Punkt, an dem viele Zugvögel aus Nordeuropa und Russland zusammentreffen.
Wissenschaftliche Einschätzungen und europäische Perspektive
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte im Frühjahr 2025 aktuelle Zahlen zur Vogelgrippe. Zwischen Dezember 2024 und März 2025 wurden europaweit 743 Fälle des Virus H5 nachgewiesen, darunter 504 bei Wildvögeln. Besonders betroffen sind Wasservögel, die wie Kraniche oder Enten häufig in Feuchtgebieten brüten und rasten. Der Subtyp H5N1 bleibt die dominierende Variante.
Was bedeutet das für die Geflügelhaltung in Deutschland?
Für die Geflügelwirtschaft bedeutet der Ausbruch eine enorme Herausforderung. Schon wenige bestätigte Fälle können zu massiven wirtschaftlichen Schäden führen. Die Behörden reagieren mit präventiven Maßnahmen, um eine Ausbreitung in landwirtschaftliche Betriebe zu verhindern. Geflügelhalter müssen ihre Tiere nun besonders schützen – vor allem durch:
- Abschirmung der Ställe gegen Wildvögel
- Sicherung von Futter- und Wasserstellen
- Strikte Trennung von Wild- und Nutzvögeln
- Regelmäßige Reinigung und Desinfektion der Anlagen
„Das Virus bleibt unberechenbar. Besonders in der kalten Jahreszeit steigt die Gefahr einer erneuten Ausbreitung“, erklärte ein Sprecher des FLI in einer aktuellen Einschätzung. Durch Zugbewegungen und wechselnde Temperaturen verschiebt sich das Infektionsgeschehen dynamisch.
Regionale und ökologische Folgen
Die ökologische Bedeutung des Stausees Kelbra ist enorm. Das Gebiet zählt zu den wichtigsten Binnenrastplätzen für Zugvögel in Mitteleuropa. Der aktuelle Ausbruch stellt daher nicht nur ein tiermedizinisches, sondern auch ein ökologisches Problem dar. Zahlreiche Vogelarten könnten indirekt betroffen sein, wenn sich das Virus über kontaminierte Gewässer oder Futterstellen weiterverbreitet.
Touristische Einbußen und emotionale Betroffenheit
Der Kranichzug gilt als eines der eindrucksvollsten Naturschauspiele Deutschlands. Jedes Jahr reisen Naturfreunde an, um die imposanten Vögel zu beobachten. Nun ist die Stimmung gedrückt: Bilder verendeter Kraniche und gesperrter Wege dominieren die sozialen Medien. Auf Facebook berichten Besucher von „traurigen Szenen am sonst so lebendigen See“. Lokale Anbieter für Naturtouren müssen Einnahmeverluste hinnehmen, da Führungen und Beobachtungen bis auf Weiteres eingestellt wurden.
Was sollten Bürger jetzt beachten?
Die Behörden appellieren an die Bevölkerung, Ruhe zu bewahren und die Schutzmaßnahmen einzuhalten. Besonders wichtig ist es, tote oder verletzte Vögel nicht zu berühren und Haustiere – insbesondere Hunde – von den betroffenen Gebieten fernzuhalten. Spaziergänge in unmittelbarer Nähe der Schutzzone sind derzeit nicht erlaubt.
Empfohlene Verhaltensregeln im Überblick:
Maßnahme | Ziel |
---|---|
Keine Berührung toter Vögel | Vermeidung einer möglichen Virusübertragung |
Haustiere an der Leine führen | Kein Kontakt zu infizierten Kadavern |
Funde dem Veterinäramt melden | Schnelle Seuchenerfassung und Eindämmung |
Geflügel in Ställen halten | Schutz von Nutzvögeln |
Wie lange bleibt das Gebiet gesperrt?
Diese Frage kann derzeit niemand genau beantworten. Die Maßnahmen bleiben mindestens so lange bestehen, bis keine neuen Fälle mehr auftreten und das Risiko laut FLI sinkt. Experten rechnen damit, dass die Sperrung mehrere Wochen, möglicherweise Monate, andauern könnte. „Wir müssen das Geschehen aufmerksam beobachten“, betonte ein Sprecher der Kreisverwaltung Mansfeld-Südharz.
Ein Blick in die Zukunft
Die Vogelgrippe bleibt ein wiederkehrendes Problem in Europa. Immer häufiger treten Fälle auch außerhalb der klassischen Wintersaison auf. Klimaveränderungen, Zugverhalten und zunehmende Dichte von Wildvögeln könnten die Dynamik weiter verändern. Das FLI und die EFSA arbeiten gemeinsam an neuen Frühwarnsystemen, um künftige Ausbrüche schneller zu erkennen und einzudämmen.
Zwischen Hoffnung und Wachsamkeit – wie die Region jetzt reagiert
In Kelbra und Umgebung herrscht eine Mischung aus Betroffenheit und Entschlossenheit. Behörden, Tierärzte und freiwillige Helfer arbeiten Hand in Hand, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Die Bevölkerung zeigt Verständnis, auch wenn die Einschränkungen spürbar sind. Für viele Menschen ist der Stausee Kelbra nicht nur ein Naturparadies, sondern ein emotionaler Ort – und die Hoffnung bleibt, dass sich das Bild schon bald wieder wandelt: vom Ort des Sterbens zurück zu einem Ort des Lebens.