Tiere und Pflanzen

Genetische Vielfalt im Harz: Wie wilde Pflanzen das Überleben unserer Nahrung sichern

In einem abgelegenen Tal am Naturdenkmal „Trog“ wird Geschichte geschrieben: Hier entsteht das erste genetische Erhaltungsgebiet Deutschlands für wildlebende Verwandte von Kulturpflanzen. Die Initiative ist ein Meilenstein im Kampf gegen den Verlust biologischer Vielfalt und soll unser künftiges Ernährungssystem widerstandsfähiger machen.

Ein Schutzgebiet der besonderen Art

Mitten im Harz wurde das erste genetische Erhaltungsgebiet Deutschlands eingerichtet, das sich gezielt dem Schutz sogenannter Crop Wild Relatives (CWR) widmet – wildlebender Verwandter unserer Kulturpflanzen. Der Standort in Quedlinburg wurde nicht zufällig gewählt: Hier kreuzen sich uralte Pflanzenbestände mit jahrzehntelanger landwirtschaftlicher Nutzung. Die Region ist ein Hotspot der genetischen Vielfalt – ein natürliches Reservoir für widerstandsfähige, robuste Eigenschaften, die für die Landwirtschaft von morgen unverzichtbar sein könnten.

Doch was versteht man eigentlich unter einem genetischen Erhaltungsgebiet für wildlebende Verwandte von Kulturpflanzen? Im Gegensatz zu klassischen Naturschutzflächen oder Genbanken wird die genetische Vielfalt hier in situ – also im natürlichen Lebensraum – bewahrt. Das erlaubt eine fortlaufende Evolution der Pflanzen unter natürlichen Bedingungen und bietet den Forschenden eine realitätsnahe Grundlage zur Analyse und Erhaltung genetischer Eigenschaften.

Warum wilde Pflanzen für unsere Zukunft entscheidend sind

Die moderne Landwirtschaft ist hoch spezialisiert – doch mit dieser Effizienz geht eine Abhängigkeit von wenigen genetischen Linien einher. Im globalen Maßstab sind über 70 Prozent der bekannten CWR-Arten unzureichend dokumentiert oder gesichert. Rund 29 Prozent befinden sich in keiner Genbank, weitere 24 Prozent sind mit weniger als zehn Proben vertreten. Diese Lücken machen unser Ernährungssystem anfällig gegenüber Klimawandel, Krankheiten und Schädlingsdruck.

Die neue Schutzfläche im Harz ist daher mehr als ein symbolischer Akt: Sie ist Teil einer nationalen Strategie zur nachhaltigen Sicherung genetischer Ressourcen. Ziel ist es, die wichtigsten Wildverwandten unserer Nutzpflanzen langfristig verfügbar zu halten – sowohl für die Forschung als auch für die Pflanzenzüchtung.

Welche Pflanzen werden im Harz gezielt geschützt?

Im genetischen Erhaltungsgebiet bei Quedlinburg wurden bislang 18 CWR-Arten identifiziert, darunter die wilde Möhre (Daucus carota), der gemeine Spargel (Asparagus officinalis), Sand-Thymian (Thymus serpyllum), Furchen-Schwingel (Festuca rupicola) und Vogel-Wicke (Vicia cracca). Diese Arten tragen genetische Merkmale in sich, die heute kaum genutzt werden – etwa natürliche Schädlingsresistenz, Trockenheitstoleranz oder Nährstoffeffizienz. In ihnen schlummert das Potenzial für künftige Sortenentwicklungen, die sowohl den ökologischen als auch den ökonomischen Anforderungen gerecht werden.

Wie der Erhalt in der Praxis funktioniert

Anders als in ex-situ-Sammlungen wie Genbanken, wo Saatgut eingefroren oder archiviert wird, verfolgt man im Harz einen dynamischeren Ansatz. Die Pflanzen dürfen wachsen, sich kreuzen, anpassen und entwickeln. Durch regelmäßige Pflege – darunter die Offenhaltung der Flächen durch Schafbeweidung – wird ein artenreiches Biotop erhalten. Schäfer Dietmar Festerling, der mit seiner Herde die Pflege übernimmt, sorgt für eine kontinuierliche Samenverbreitung und verhindert, dass die Flächen verbuschen oder vergrasen.

Ein Nutzer fragte in einem Forum: „Welche Methoden sorgen für den Erhalt von CWR-Arten im Harz-Gebiet?“ – Die Antwort liegt in diesem Zusammenspiel aus traditionellen Bewirtschaftungsformen, wissenschaftlicher Überwachung und gezielter Datenerhebung. Auch das Sammeln und Einlagern von Saatgut in offiziellen Genbanken gehört zum Gesamtkonzept. Dabei wird sorgfältig dokumentiert, wann und unter welchen Bedingungen welches genetische Material entnommen wurde.

Kooperation zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik

Das Projekt im Harz wird vom Julius Kühn-Institut koordiniert, das bundesweit weitere Hotspots identifizieren und sichern möchte. Es ist eingebettet in eine größere Strategie, die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung unterstützt wird. Deutschland arbeitet in diesem Bereich auch mit europäischen Partnern zusammen, etwa im Rahmen des EURISCO- und des CWR-Programms.

In der Forschung geht der Trend mittlerweile deutlich in Richtung integrativer Genomik. Modernste Technologien wie die Genom-Resequenzierung ermöglichen es, komplexe Merkmale wie Krankheitsresistenz, Kältetoleranz oder Dürreempfindlichkeit direkt zu entschlüsseln. Eine neue Studie zu Wild-Zitrusarten zeigt beispielsweise, wie genetische Belastungen erkannt und gezielt umgangen werden können. Diese Techniken sollen künftig auch bei CWR im Harz zur Anwendung kommen.

Inwiefern profitieren Züchtung und Landwirtschaft von solchen Schutzgebieten?

Wilde Verwandte unserer Nahrungspflanzen sind eine Schatzkammer wertvoller Gene. Durch die Nutzung dieser genetischen Vielfalt können neue Sorten gezüchtet werden, die besser mit Klimastress umgehen, weniger Pflanzenschutzmittel benötigen oder nährstoffreicher sind. Angesichts wachsender Weltbevölkerung und Umweltveränderungen werden CWR zu einer Art Lebensversicherung für die Ernährungssicherheit.

Gesellschaftlicher Diskurs und wachsendes Bewusstsein

In den sozialen Medien zeigt sich, dass das Interesse an wildwachsenden Pflanzen steigt. In Foren wie r/foraging tauschen sich Nutzer darüber aus, wie man heimische Wildpflanzen erkennt und nutzt – von Bärlauch über Holunder bis hin zu wilder Möhre. Das Bewusstsein für biologische Vielfalt wächst, auch wenn vielen Menschen der konkrete Nutzen von Schutzmaßnahmen wie im Harz noch nicht klar ist.

Ein weiterer Aspekt, der in Diskussionen immer wieder auftaucht, betrifft die Art der Waldbewirtschaftung im Harz. Ein Nutzer schrieb dazu: „Most forests are not naturally grown… Someone planted them like that.“ – Diese Monokultur-Flächen stehen in starkem Kontrast zu biodiversen Schutzgebieten. Projekte wie das genetische Erhaltungsgebiet können dabei helfen, einen Wandel in der Landschaftsnutzung zu fördern.

Warum ist das erste CWR-Schutzgebiet im Harz besonders bedeutend?

Es dient als Pilotprojekt für ein bundesweites Netz genetischer Erhaltungsflächen. Ziel ist es, mindestens 60 solcher Gebiete in Deutschland zu etablieren, die gezielt die genetische Vielfalt von Nutzpflanzenverwandten erhalten. Der Standort im Harz bietet ideale Bedingungen und bringt mit seiner historischen Bedeutung für den Pflanzenbau – Stichwort Quedlinburger Saatzuchttradition – zusätzliche Symbolkraft mit.

Genetischer Reichtum als Schlüssel zur Ernährungssicherheit

In einer Zeit, in der Extremwetterereignisse, neue Schädlinge und Ressourcenknappheit landwirtschaftliche Produktionssysteme unter Druck setzen, gewinnt genetische Vielfalt zunehmend an Bedeutung. CWR bieten Antworten auf Fragen, die mit konventionellen Züchtungsmethoden nur schwer zu lösen sind. Ihre Nutzung ist jedoch komplex: Sie erfordert Geduld, Forschung und eine langfristige Perspektive.

MerkmalNutzen durch CWR
DürretoleranzGeringerer Wasserbedarf, besseres Überleben in Hitzeperioden
KrankheitsresistenzWeniger Pflanzenschutzmittel nötig
BodenanpassungWachstum auf nährstoffarmen oder salzhaltigen Böden möglich
Frühe ReifezeitSchnellere Ernte bei verkürzten Vegetationsperioden

Langfristige Sicherung verlangt gemeinsames Handeln

Das Harzer Schutzgebiet für wilde Pflanzenverwandte ist ein Paradebeispiel dafür, wie lokale Initiativen, wissenschaftlicher Fortschritt und politische Strategien ineinandergreifen können. Der Erfolg des Projekts wird sich nicht allein an der Zahl der Pflanzenarten oder der Fläche messen lassen, sondern auch daran, wie gut es gelingt, dieses Wissen in praktische Züchtung, Bildung und gesellschaftliches Handeln zu überführen.

Wie viele CWR-Arten sind weltweit in Genbanken unterrepräsentiert? Die Antwort bleibt ernüchternd: Mehr als zwei Drittel gelten als „dringend sammelbedürftig“. Der Harz mag nur ein kleiner Fleck auf der Landkarte sein – doch er steht sinnbildlich für eine globale Herausforderung und eine mögliche Lösung zugleich.

In Quedlinburg entsteht derzeit nicht nur ein Schutzgebiet, sondern ein Modell für eine resiliente, zukunftsorientierte Landwirtschaft. Der genetische Reichtum, der dort im Boden wurzelt, könnte eines Tages darüber entscheiden, wie gut wir mit den Krisen der kommenden Jahrzehnte umgehen. Und das macht diesen Ort zu einem echten Zukunftslabor.

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.
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