Tiere und Pflanzen

Erstes deutsches Wildpflanzen-Schutzgebiet im Harz sichert die Wilde Möhre

Quedlinburg – Im Flächennaturdenkmal „Trog“ bei Quedlinburg wurde Deutschlands erstes genetisches Erhaltungsgebiet für Wildpflanzen ausgewiesen. Seit Mai 2025 werden hier wildwachsende Arten wie die Wilde Möhre gezielt geschützt und erforscht, um ihre genetische Vielfalt langfristig zu bewahren. Das Pilotprojekt vereint Forschung, Naturschutz und bürgerschaftliches Engagement in einem einzigartigen Modell.

Hintergrund und Standort

Im Mai 2025 erklärte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit dem Julius‐Kühn‐Institut (JKI) das Flächennaturdenkmal „Trog“ zum ersten genetischen Erhaltungsgebiet (GenEG) in Deutschland. Die feierliche Übergabe der Urkunden fand am 3. Juli 2025 statt. Das rund 25 Hektar große Gebiet im Landkreis Harz vereint Magerrasen, Heiden und teilweises Offenland und bietet idealen Lebensraum für zahlreiche wildverwandte Kulturpflanzen.

Warum wurde im Harz ein genetisches Erhaltungsgebiet für die Wilde Möhre eingerichtet?

Das Erhaltungsgebiet soll die genetische Vielfalt der Wilden Möhre (Daucus carota), die als Vorfahr der heutigen Kulturmöhre gilt, in ihrem natürlichen Lebensraum sichern. Diese Vielfalt ist unverzichtbar für die Pflanzenzüchtung, um beispielsweise klimaresistente Sorten zu entwickeln. Ohne Schutzmaßnahmen droht der Verlust lokaler Genvarianten durch Nutzungsdruck, Habitatzerstörung und Klimawandel.

Institutionen und Akteure

Die Initiative wird vom Julius‑Kühn‑Institut koordiniert und ist Teil des Nationalen Fachprogramms für pflanzengenetische Ressourcen des Bundesministeriums. Vor Ort arbeiten die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Harz, Schäfer Dietmar Festerling mit seiner Beweidungsherde und ehrenamtliche Naturschutzgruppen Hand in Hand. Gemeinsam entwickeln sie Management‑ und Monitoringkonzepte, um die Bestände zu stabilisieren und zu erfassen.

Bedeutung der genetischen Vielfalt

Deutschland ist durch internationale Übereinkünfte wie das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD) und den ITPGRFA verpflichtet, genetische Ressourcen in situ und ex situ zu schützen. In‐situ‑Schutz in GenEGs ergänzt die Genbanksicherung um die dynamische Erhaltung von Populationen in ihrem natürlichen Lebensraum. Das GenEG Harz ist ein Modellprojekt, das bundesweit auf bis zu 118 prioritäre Wildpflanzenarten ausgedehnt werden soll.

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Genetische Differenzierung der Wilden Möhre

Untersuchungen zeigen, dass Wildmöhre‑Populationen aus verschiedenen Herkunftsregionen stark genetisch divergieren. Lokale Anpassungen an Boden, Klima und Nutzungsdruck führen zu charakteristischen Genmustern. Ein GenEG muss daher mehrere Populationen umfassen, um die gesamte Vielfalt abzubilden und als Reservoir für züchterische Nutzung zu dienen.

Inhaltsstoffe und gesundheitliche Vorteile

Die Wilde Möhre enthält wertvolle Bioaktive: Im Wurzelgewebe stecken α‑ und β‑Carotin sowie Lutein, während Samen und oberirdische Teile Polyacetylen‑Oxylipine wie Falcarinol und Falcarindiol liefern. Diese Verbindungen haben entzündungshemmende und tumorhemmende Effekte. Damit bietet die Art nicht nur züchterische Potenziale für gesteigerte Nährstoffgehalte, sondern auch interessante Anknüpfungspunkte für pharmazeutische Anwendungen.

Welche Inhaltsstoffe und gesundheitlichen Vorteile hat die Wilde Möhre?

Die Wurzel liefert Carotinoide, die als Antioxidantien wirken und Haut sowie Sehvermögen unterstützen. Die Samen sind reich an Polyacetylen‑Oxylipinen, denen eine krebspräventive Wirkung nachgesagt wird. Damit gehört die Wilde Möhre zu den wertvollen Wildpflanzen, die über ihren ökologischen Wert hinaus gesundheitliche Nutzenstiftung bieten.

Bestimmung und Saatgutsammlung

Eine korrekte Bestimmung wildwachsender Doldenblütler ist entscheidend, um Verwechslungen mit giftigen Arten zu vermeiden. Anschließend kann Saatgut für Zucht- und Erhaltungszwecke entnommen werden.

Wie kann man die Wilde Möhre von giftigen Doldenblütlern unterscheiden?

Die Wilde Möhre trägt in der Mitte ihrer Blütendolde oft eine charakteristische schwarz-purpurne Blüte („Mohrenblüte“), die giftige Verwandte nicht zeigen. Außerdem verströmen zerdrückte Blätter einen typischen Möhrengeruch, der bei Gefährdung vor einer Verwechslung warnt.

Wie sammelt man das Saatgut der Wilden Möhre richtig?

Die Doppelachänen werden zwischen Juli und September geerntet, wenn sie voll ausgebildet sind. Man sammelt die Fruchtstände, lässt sie an einem luftigen, schattigen Ort nachreifen und reinigt dann die Teilfrüchte vorsichtig durch Abschütteln oder Sieben. Die getrockneten Samen lagert man lichtgeschützt und trocken, um Keimfähigkeit zu erhalten.

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Bürgerwissenschaft und Engagement vor Ort

Bürgerwissenschaftler:innen leisten wichtige Beiträge zur Forschung und zum Monitoring der Wilden Möhre im GenEG Harz.

Wie können Bürgerwissenschaftler:innen zur Erforschung der Wilden Möhre beitragen?

Teilnehmende dokumentieren Sichtungen bei geführten Exkursionen per Smartphone‑App und laden ihre Daten in zentrale Plattformen. YouTube‑Tutorials wie „Wild Carrot Demystified“ vermitteln Bestimmungsmerkmale, sodass auch Laien wertvolle Daten zur Populationsdynamik beisteuern können.

Workshops und Social‑Media

  • Regelmäßige Bestimmungs‑Workshops im Harz mit lokalen Naturschützern
  • Hashtag‑Kampagne #WildCarrotHarz auf Instagram mit über 1.000 Interaktionen
  • Online‑Foren, in denen Kartenverläufe und Fotos geteilt werden

Herausforderungen und Debatten

Trotz vielversprechender Ansätze gibt es kritische Stimmen, die auf potenzielle Probleme hinweisen:

  • Debatte um das Beweidungskonzept: Manche Anwohner:innen fürchten Bodenerosion und Wettbewerb um Nährstoffe durch zu intensive Schafbeweidung. Sie fordern angepasste Beweidungsintervalle, damit empfindlichere Wildpflanzen ebenfalls überleben können.
  • Kritik an „Papiertigern“: Eine aktuelle Dissertation bemängelt fehlende personelle und finanzielle Ressourcen für Monitoring und Management. Ohne verbindliche Pläne drohe das GenEG zu einer bloßen Schutzgebietskennzeichnung zu verkommen.

Naturtourismus und Bildungsangebote

Das GenEG Harz wird auch als innovatives Tourismus­angebot vermarktet. Reiseveranstalter bieten geführte Kräuterwanderungen an, in denen Teilnehmer:innen die Wilde Möhre kennenlernen, Saatgut sammeln und an Kräuterseminaren teilnehmen. Verkostungen von Wildkräuter‑Gerichten runden das Programm ab und schaffen neue Einkommensmöglichkeiten für die Region.

Ausblick und Empfehlungen

Das Pilotprojekt im Harz soll als Blaupause für bis zu zehn weitere genetische Erhaltungsgebiete in ganz Deutschland dienen. Expert:innen empfehlen:

  • Systematische Identifizierung weiterer Hotspots für prioritäre Wildpflanzenarten
  • Regelmäßige Populationskontrollen und genetische Analysen
  • Verstärkte Vernetzung mit europäischen Initiativen wie ECPGR und FAO‑Guidelines
  • Langfristige Finanzierung und personelle Ausstattung der Naturschutzbehörden
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Mit koordinierten Schutz‑ und Forschungsarbeiten leistet das GenEG Harz einen wichtigen Beitrag zur Sicherung pflanzengenetischer Ressourcen und fördert gleichzeitig Umweltbildung und nachhaltigen Regionaltourismus. So entsteht ein lebendiges Netzwerk, das Artenvielfalt wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll miteinander verbindet.

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Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.