
Goslar, 6. November 2025 – Ein leises Rascheln, dann Flammen, die durch ein Schlafzimmer züngeln: In einer Mai-Nacht dieses Jahres soll ein 50-jähriger Mann in Goslar seine Ehefrau mit Brandbeschleuniger übergossen und angezündet haben. Nun steht er vor dem Landgericht Braunschweig. Der Prozess zieht bundesweite Aufmerksamkeit auf sich – nicht nur wegen der grausamen Tat, sondern auch, weil er Fragen nach häuslicher Gewalt und gesellschaftlichem Schutz aufwirft.
Ein Tatort in Flammen – der grausame Ablauf
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft begann die Tat in den frühen Morgenstunden. Der Angeklagte soll vom Flur bis in das Schlafzimmer und auf das Bett Brandbeschleuniger verteilt haben, bevor er seine schlafende Ehefrau übergoss und das Feuer entzündete. Laut Ermittlungsakten geriet die Frau sofort „lichterloh“ in Brand. In Panik stürzte sie – oder wurde gestoßen – durch ein Fenster, rund vier Meter tief auf eine Rasenfläche.
Der älteste Sohn hörte die Schreie seiner Mutter, eilte herbei und versuchte, die Flammen zu löschen. Später soll die schwer verletzte Frau, bevor sie ins Bewusstsein verlor, noch gesagt haben: „Dein Vater war es.“ Trotz sofortiger Rettung und Einlieferung in eine Klinik war ihr Körper zu etwa 90 bis 100 Prozent verbrannt. Eine Verlegung in eine Spezialklinik war nicht mehr möglich – sie starb wenige Tage später an den Folgen ihrer Verletzungen.
Hierüber berichteten wir vom Harzer-Roller bereits:
Motiv: Eifersucht und verletzter Stolz?
Die Ermittler sehen das Motiv des Mannes in Eifersucht und einem Gefühl des Verrats. Nach bisherigen Erkenntnissen soll der Syrer geglaubt haben, seine Frau habe ihn betrogen. Aus dieser Annahme heraus habe er den Entschluss gefasst, sie im Schlaf zu töten. Die Anklage lautet daher auf Mord – aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen.
Während der Anhörung wies der Angeklagte die Tatvorwürfe zurück. Seine Verteidigung argumentierte, er habe nicht mit Tötungsabsicht gehandelt, sondern sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden. Die Staatsanwaltschaft hingegen spricht von einer geplanten Tat, für die Brandbeschleuniger und Zündquelle gezielt vorbereitet wurden.
Ein Familienleben in Trümmern
Im Haus befanden sich zur Tatzeit die drei Söhne und eine behinderte Tochter. Laut Zeugenaussagen soll der Vater nach der Tat noch dafür gesorgt haben, dass die Kinder ins Freie gelangten. Dennoch ist das Trauma tief: Die Familie lebt seither getrennt, der älteste Sohn gilt als Hauptzeuge der Anklage.
Im Gerichtssaal herrschte beim Prozessauftakt bedrückte Stille, als die Tatnacht rekonstruiert wurde. Reporter vor Ort schilderten eine Atmosphäre zwischen Fassungslosigkeit und Trauer. Der Prozess ist zunächst bis Dezember terminiert – mit möglichen weiteren Verhandlungstagen, falls neue Beweismittel auftauchen.
Gewalt in Partnerschaften – kein Einzelfall
Der Mordprozess von Goslar steht stellvertretend für ein Problem, das Deutschland und Europa seit Jahren beschäftigt. Laut Daten des European Institute for Gender Equality waren 2022 etwa 80 Prozent der Opfer von Gewalt durch Intimpartner in Deutschland Frauen. Insgesamt wurden 137 Frauen durch aktuelle oder ehemalige Partner getötet – fast neun von zehn Fällen häuslicher Tötungsdelikte betrafen weibliche Opfer.
Auch weltweit zeichnet sich ein ähnliches Bild: Nach Zahlen der Vereinten Nationen (UNODC) wurden im Jahr 2020 rund 47 000 Frauen und Mädchen von Intimpartnern oder Familienangehörigen getötet – im Schnitt stirbt alle elf Minuten eine Frau durch häusliche Gewalt. Experten sprechen in solchen Fällen zunehmend von „Femizid“ – der gezielten Tötung von Frauen im häuslichen Umfeld oder aufgrund ihres Geschlechts.
Statistische Einordnung und gesellschaftlicher Kontext
| Jahr | Getötete Frauen durch Partner (Deutschland) | Prozentualer Anteil an allen Tötungen durch Partner |
|---|---|---|
| 2020 | 139 | 87 % |
| 2021 | 133 | 86 % |
| 2022 | 137 | 87 % |
In Deutschland ist „Femizid“ bislang kein eigener Straftatbestand, auch wenn Fachverbände und Frauenrechtsorganisationen dies seit Jahren fordern. Studien wie „FEM-UnitED“ der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zeigen, dass eine klare juristische Definition und Erfassung solcher Fälle fehlen – was Prävention und gesellschaftliche Wahrnehmung erschwert.
Gerichtliche Bewertung und mögliche Folgen
Das Landgericht Braunschweig prüft, ob eine besondere Schwere der Schuld vorliegt. Sollte das Gericht dies feststellen, könnte eine spätere Haftverkürzung ausgeschlossen werden. Beobachter rechnen mit einer langen Verfahrensdauer. Der Vorsitzende Richter betonte zu Beginn, dass „die Brutalität der Tat in ihrer Konsequenz kaum fassbar“ sei.
Juristisch stützt sich die Anklage auf Mordmerkmale wie Heimtücke – da das Opfer im Schlaf überrascht wurde – sowie niedrige Beweggründe, die in Eifersucht und Besitzdenken wurzeln sollen. Die Verteidigung hält dem entgegen, dass der Angeklagte die Kontrolle verloren habe, ohne Tötungsvorsatz zu handeln. Der Prozess dürfte diese Differenz entscheidend klären.
Gesellschaftliche Stimmen und Reaktionen
In sozialen Netzwerken wird der Fall intensiv diskutiert. Viele Nutzer äußern Entsetzen über die Tat und Mitgefühl für die Kinder, die Zeugen des Verbrechens wurden. Andere Stimmen betonen die Notwendigkeit, Gewaltprävention stärker in den Fokus zu rücken. Auf Plattformen wie X und Instagram begleiten regionale Medien den Prozess mit Live-Updates und Berichten aus dem Gerichtssaal, die das Ausmaß der Betroffenheit in Goslar verdeutlichen.
Ein Prozess mit Symbolkraft
Dieser Mordprozess ist mehr als ein einzelnes Strafverfahren – er wirft ein grelles Licht auf ein gesellschaftliches Problem, das oft im Verborgenen bleibt. Wenn der Angeklagte verurteilt wird, könnte das Urteil auch eine Signalwirkung entfalten: für die Anerkennung von Partnerschaftsgewalt als strukturelles Phänomen und für die Dringlichkeit, Frauen besser zu schützen. Der Ausgang des Verfahrens wird zeigen, ob das Gericht diese Dimension berücksichtigt – und ob die Tat von Goslar zu einem Symbol für Veränderung wird.







