Wernigerode

Moschee in Wernigerode: Was wirklich hinter den Baugerüchten steckt

Ein Rohbau mit Minarett und Kuppel erinnert an den möglichen Bau einer Moschee. Das Bild zeigt jedoch kein reales Bauprojekt in Wernigerode. (Symbolbild – exemplarisch)

Wernigerode – In sozialen Netzwerken kursiert seit einigen Wochen ein brisantes Gerücht: Angeblich soll in der Harzstadt eine neue Moschee entstehen. Ein Flyer mit Spendenaufruf und vage formulierte Aussagen in Facebook-Gruppen schüren Unsicherheit in der Bevölkerung. Doch was ist tatsächlich dran an den Bauplänen?

Ein Gerücht geht viral – der Ursprung der Moschee-Debatte

In der Harzstadt Wernigerode sorgt derzeit ein vermeintlicher Spenden-Flyer für Aufsehen. Das Dokument, das über WhatsApp, Facebook-Gruppen und teilweise sogar als Ausdruck weitergegeben wird, ruft offen zu finanzieller Unterstützung für den Bau einer Moschee in der Region auf. In mehreren geschlossenen Gruppen wurde dieser Aufruf geteilt – teils kommentarlos, teils mit emotionalen Reaktionen.

Was ist dran an den Bauplänen für eine Moschee in Wernigerode? Diese Frage stellen sich viele Anwohner, nachdem sie den Flyer gesehen haben. Schnell war von einem geheimen Bauprojekt die Rede, von einem islamischen Kulturzentrum, das angeblich bereits eine Immobilie gefunden habe. Doch eine offizielle Bestätigung fehlt. Weder die Stadtverwaltung noch die zuständigen Bauämter haben bislang Informationen über entsprechende Anträge oder Genehmigungen veröffentlicht.

Weder Bauantrag noch Grundstückskauf: Der aktuelle Stand

Nach umfangreicher Prüfung steht fest: Es existiert kein offizieller Bauantrag für eine Moschee in Wernigerode. Auch ein Grundstückskauf durch eine islamische Gemeinde konnte nicht nachgewiesen werden. In Gesprächen mit Lokalpolitikern und der Stadtverwaltung wurde bestätigt, dass keine konkreten Planungen bekannt seien. Die Gerüchte fußen somit auf bisher unbelegten Informationen.

Ein Sprecher der Stadtverwaltung erklärte: „Uns liegen keine Anfragen oder Unterlagen vor, die auf einen Moscheebau hinweisen. Das Thema kam erst durch Bürgeranfragen in den vergangenen Tagen auf.“

Der Flyer als Auslöser – ein Dokument ohne Absender

Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Gerücht durch einen Flyer, der offenbar professionell gestaltet ist. Er enthält Bankverbindungen, religiöse Bezüge und einen klaren Spendenaufruf. Doch wer steht hinter dem Moschee-Flyer in Wernigerode? Diese Frage bleibt unbeantwortet. Weder die angegebene Kontoverbindung konnte einer bekannten Organisation zugeordnet werden, noch sind auf dem Flyer Verantwortliche oder ein Impressum aufgeführt.

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In mehreren Facebook-Kommentaren zeigen sich Nutzer verunsichert: „Ist das seriös?“, „Gibt es eine offizielle Seite?“ oder „Kann man da einfach so spenden?“ – typische Reaktionen auf ein Informationsvakuum, das den Gerüchten zusätzlichen Nährboden gibt. Auch auf Nachfrage bei bekannten Moscheegemeinden in Sachsen-Anhalt gab es keine Hinweise auf geplante Bauprojekte in Wernigerode.

Social Media als Gerüchtemaschine

Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie schnell sich Behauptungen in sozialen Netzwerken verselbstständigen können. Gerade in geschlossenen Gruppen entstehen sogenannte Filterblasen, in denen Inhalte nicht mehr hinterfragt, sondern oft unreflektiert weiterverbreitet werden. Nutzer:innen, die nach Bestätigung suchen, finden hier Gleichgesinnte – ohne offizielle Quellen oder Fakten prüfen zu müssen.

Wernigerode und der religiöse Kontext: Gibt es einen Bedarf?

Wernigerode liegt in Sachsen-Anhalt – einem Bundesland mit besonders hohem Anteil konfessionsloser Bürger. Über 80 % der Einwohner:innen gehören keiner Religionsgemeinschaft an. Laut aktuellen Schätzungen leben im gesamten Land rund 45.000 Muslim:innen, das entspricht etwa 2 % der Bevölkerung. In Wernigerode selbst ist der Anteil noch geringer.

Hat die Stadtverwaltung Wernigerode sich zu den Plänen geäußert? Ja – mehrfach. Neben dem offiziellen Dementi zur Existenz eines Bauantrags betonte man, dass bislang keine Kontaktaufnahme durch muslimische Organisationen erfolgt sei. „Selbst wenn es ein solches Vorhaben gäbe, würde es – wie jedes andere Bauprojekt – öffentlich bekanntgemacht werden“, so ein Mitarbeiter des Bauamts.

Was sagen Menschen in Wernigerode zu dem Gerücht?

Die Bevölkerung reagiert gemischt. In öffentlichen Diskussionen wird von Misstrauen bis zu offener Ablehnung alles geäußert. Doch es gibt auch Stimmen der Besonnenheit, die zur Prüfung von Fakten und zum respektvollen Dialog aufrufen. In einem Facebook-Kommentar heißt es: „Wir sollten nicht vorschnell urteilen. Wenn jemand beten will, braucht er einen Ort – das ist in einer Demokratie erlaubt.“

Regionale Vergleichsfälle: Wo sonst ähnliche Gerüchte auftauchten

Die Thematik ist in der Region kein Einzelfall. Bereits 2023 sorgte in Hasselfelde ein ähnliches Gerücht für Schlagzeilen, als eine islamische Organisation ein leerstehendes Gebäude erwarb. Obwohl der Zweck offen blieb, entbrannte eine hitzige Diskussion. Am Ende stellte sich heraus: Es handelte sich um einen kulturellen Treffpunkt, keine Moschee im klassischen Sinn. Dennoch zeigen solche Fälle, wie sensibel das Thema Moscheebau in ländlich geprägten Gegenden aufgenommen wird.

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Integration und interkultureller Dialog im Harz

Obwohl Wernigerode bislang keine Moschee beherbergt, gibt es Anzeichen für ein wachsendes Interesse an interkulturellem Austausch. So besuchte eine Gruppe von Integrationslotsen aus dem Harzkreis 2024 die Al-Rahman-Moschee in Magdeburg, um mehr über den Islam zu lernen. Solche Initiativen zeigen, dass Offenheit und Dialogbereitschaft in Teilen der Bevölkerung vorhanden sind.

Islamische Infrastruktur auf dem Land – eine Herausforderung

Laut Studien zur Rolle von Moscheen im ländlichen Raum stellt der Bau religiöser Einrichtungen für muslimische Gemeinden außerhalb von Großstädten oft eine organisatorische und gesellschaftliche Hürde dar. Neben bürokratischen Anforderungen steht häufig die Frage im Raum, wie eine kleine muslimische Gemeinschaft den Bau und Erhalt einer Moschee überhaupt stemmen könnte.

Gibt es Beispiele für ungenehmigte Moscheen in der Region Harz/Sachsen-Anhalt? Ja, etwa in Magdeburg, wo 2022 eine nicht genehmigte Nutzung eines Gebäudes als Gebetsstätte beendet wurde. Doch das sind Einzelfälle – in Wernigerode existieren derzeit keinerlei Hinweise auf vergleichbare Entwicklungen.

Spendenkampagne ohne Empfänger – ein Signal ohne Fundament

Ein entscheidender Aspekt der aktuellen Debatte ist die fehlende Nachvollziehbarkeit der Spendenkampagne. Es gibt keine verifizierbare Organisation, kein eingetragenes Spendenkonto, keine Webseite oder Kampagnenstruktur. Damit fehlt dem zentralen Beleg der Gerüchte – dem Flyer – die Glaubwürdigkeit. Experten warnen in solchen Fällen vor Manipulation.

„Solche Aufrufe setzen auf emotionale Reaktionen. Der religiöse Bezug, verbunden mit Spendenbitten, aktiviert Ängste oder Solidarisierung – beides kann genutzt werden, um Meinungen zu lenken“, so ein Medienpädagoge aus Halle.

Checkliste zur Einordnung solcher Gerüchte

Merkmal Frage zur Prüfung
Absender bekannt? Ist auf dem Flyer eine Organisation mit Kontaktadresse angegeben?
Offizielle Bestätigung? Gibt es eine öffentliche Äußerung oder einen Antrag bei der Stadt?
Nachweisbare Kontoverbindung? Lässt sich das Spendenkonto einer legalen Institution zuordnen?
Medienberichte? Berichten überregionale Medien oder nur soziale Netzwerke?
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Zwischen Realität und Narrativ: Der Umgang mit Unsicherheit

Die Situation in Wernigerode ist beispielhaft für eine gesellschaftliche Herausforderung, die weit über die Region hinausgeht. Der Wunsch nach Transparenz trifft auf Gerüchte, die schnell die Runde machen. Während einige Bürger echte Informationen einfordern, fühlen sich andere in ihren Vorurteilen bestätigt. Dabei zeigt sich: Fakten sind verfügbar – sie müssen nur gehört werden.

Die Stadtverwaltung hat sich inzwischen mehrfach öffentlich positioniert. Dennoch bleibt ein Informationsvakuum, das durch fehlende offizielle Statements von religiöser Seite bestehen bleibt. Dass sich bislang keine muslimische Organisation zur Sache äußerte, verstärkt die Unsicherheit.

Ein Zeichen unserer Zeit – und ein Aufruf zum differenzierten Blick

Die Debatte um den angeblichen Moscheebau in Wernigerode steht sinnbildlich für viele ähnliche Auseinandersetzungen im ländlichen Raum Deutschlands. Wo wenig muslimisches Leben sichtbar ist, sorgen bereits Gerüchte über einen möglichen Gebetsraum für Unruhe. Doch gerade in einer pluralistischen Gesellschaft ist es entscheidend, auch unbequeme Fragen offen zu diskutieren – auf Basis von Fakten statt Fiktionen.

Ob jemals eine Moschee in Wernigerode entstehen wird, ist derzeit vollkommen offen. Klar ist nur: Es existiert aktuell kein Bauantrag, kein Grundstück, keine Organisation, die sich zu einem Projekt bekennt. Der Spendenflyer bleibt ein isoliertes Phänomen – mit hoher Reichweite, aber ohne Fundament. Es liegt an Politik, Medien und Zivilgesellschaft, solchen Entwicklungen mit Aufklärung und Transparenz zu begegnen – und Gerüchten die Fakten entgegenzustellen.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.