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Das ist der wahre Grund, weshalb der Ratskeller in Wernigerode schließen musste

Wernigerode im Harz

Bild exemplarisch

Die überraschende Schließung des Ratskellers in Wernigerode hat nicht nur bei Bürgerinnen und Bürgern für Aufsehen gesorgt, sondern auch eine öffentliche Diskussion über den Umgang mit historischer Bausubstanz entfacht. Was zunächst wie eine routinemäßige Baumaßnahme im historischen Rathaus begann, entpuppte sich schnell als gravierendes Sicherheitsproblem mit ungewissem Ausgang. Nun steht eines der traditionsreichsten gastronomischen Aushängeschilder der Stadt vor einem langen Stillstand – und viele offene Fragen sind damit verbunden.

Plötzliche Schließung im Mai: Der Schock kam über Nacht

Mitte Mai 2025 wurde der Betrieb des Ratskellers unterhalb des historischen Rathauses abrupt eingestellt. Betreiber Michael und Cordula Przymusinski, die den Ratskeller seit 2016 mit großem Engagement führen, wurden von der Entscheidung der Stadtverwaltung ebenso überrascht wie das Personal und die zahlreichen Gäste. Ohne Vorwarnung, so das Betreiberpaar, wurde ihnen mitgeteilt, dass das Gebäude aus Sicherheitsgründen nicht mehr betreten werden dürfe.

„Es hieß auf einmal: Ihr dürft nicht mehr aufmachen. Von einem Tag auf den anderen“, so Michael Przymusinski.

Was genau hinter der Maßnahme steckte, wurde wenig später deutlich: Bei Sanierungsarbeiten im Rathaus wurden massive bauliche Mängel im Bereich des Ratskeller-Gewölbes festgestellt, die eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.

Ein Gewölbe mit Geschichte – und Rissen

Der Ratskeller befindet sich unter dem Rathaussaal im Kellerbereich des im 16. Jahrhundert errichteten Fachwerkbaus. Das architektonisch bedeutende Kreuzgratgewölbe ruht auf zwei massiven Mittelpfeilern – und genau hier liegen die Probleme. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten an Fassade und Innenräumen wurden erhebliche Schäden in der Decke zwischen Ratskeller und Trauzimmer sichtbar. Von Experten wurde der Zustand als „einem Trümmerhaufen gleich“ beschrieben. Einsturzgefahr sei nicht auszuschließen, hieß es.

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Das Gewölbe, ursprünglich für die Lagerung von Wein und Bier ausgelegt, ist durch Jahrhunderte ständiger Feuchtigkeitszufuhr, Setzungen und möglicherweise unzureichender baulicher Pflege in Mitleidenschaft gezogen worden. Besonders sensibel reagieren solche alten Strukturen auf Veränderungen im Grundwasser oder kleinere Erschütterungen – ein Risiko, das offenbar unterschätzt wurde.

Keine Einzelfall: Die Herausforderung historischer Bausubstanz

Der Fall des Ratskellers ist kein Einzelfall. Zahlreiche historische Gebäude in Sachsen-Anhalt und insbesondere im Harz stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Altbauten, deren Grundstrukturen über Jahrhunderte gewachsen sind, leiden unter altersbedingtem Materialverschleiß, Feuchtigkeitsproblemen und statischen Schwächen.

Beispielhaft zeigt sich dies in der Sanierungsquote von Altstadthäusern in vergleichbaren Regionen wie Blankenburg oder Quedlinburg, wo bis zu 30 % der Gebäude teils massive bauliche Defizite aufweisen. Auch hier wurden in der Vergangenheit Fördergelder eingesetzt, um den Verfall zu stoppen – mit wechselndem Erfolg.

Was macht solche Gebäude besonders anfällig?

  • Jahrhundertelange Setzungen des Mauerwerks
  • Feuchtigkeitsanstieg durch unzureichende Drainagen
  • Fehlende kontinuierliche Instandhaltung
  • Technische Eingriffe ohne Rücksicht auf historische Bauweise

Im Fall des Ratskellers kommen möglicherweise mehrere dieser Faktoren zusammen. Besonders die Feuchtigkeit scheint eine zentrale Rolle gespielt zu haben: Sie führt zu Mikroerosionen im Mörtel, Rissbildung in Gewölbekappen und einem schleichenden Verlust an Tragfähigkeit.

Ein Blick in die Vergangenheit: Wurde der Ratskeller bereits einmal gerettet?

Bereits 1992–1993 wurde eine umfassende Sanierung des Ratskellers geplant und teilweise durchgeführt. Damals flossen Fördermittel in Höhe von rund 5,45 Millionen DM in das Projekt. Doch die Maßnahmen mussten mehrfach unterbrochen werden – unter anderem aufgrund fehlender Brandschutzgenehmigungen und technischer Gutachten.

Der Traum einer umfassenden Sanierung zerschlug sich weitgehend. Seither wurden nur Teilmaßnahmen umgesetzt, offenbar ohne die kritischen Bereiche wie das Gewölbe langfristig zu sichern. Auch heute scheint die Stadtverwaltung eher reaktiv als präventiv zu handeln – ein Vorwurf, der nun erneut laut wird.

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Stille von offizieller Seite: Kommunikationsdefizite

Bislang fehlt eine umfassende, öffentliche Stellungnahme der Stadtverwaltung zu den Ursachen, geplanten Maßnahmen und möglichen Wiedereröffnungsterminen. Auch die Denkmalpflege, die bei einem historischen Bauwerk dieser Bedeutung eingebunden sein müsste, hat sich noch nicht geäußert. Dieses Schweigen sorgt bei Bürgern, Anwohnern und nicht zuletzt bei den Betreibern für Verunsicherung.

„Wir wissen nichts. Es gibt keine Perspektive, keine Aussage, wann wir wieder öffnen dürfen“, sagt Cordula Przymusinski.

Das Fehlen konkreter Zeitpläne wirft Fragen auf: Gibt es bereits ein statisches Gutachten? Wurden Fachleute mit der Untersuchung beauftragt? Oder besteht das Risiko, dass die Schließung zu einem Dauerzustand wird?

Wirtschaftliche Folgen: Mehr als nur ein Gastronomiebetrieb

Der Ratskeller ist nicht nur ein Restaurant, sondern auch ein kulturelles und touristisches Symbol der Stadt. Er diente als Ort für Feierlichkeiten, Hochzeiten, Tagungen und Stadtführungen. Die Schließung betrifft also nicht nur die Betreiberfamilie, sondern auch zahlreiche Partner aus dem Veranstaltungs- und Tourismussektor.

Betroffene Gruppen im Überblick:

Betroffene Folgen
Betreiber & Mitarbeiter Umsatzeinbußen, Beschäftigungsrisiko
Touristen & Reisegruppen Verlust eines zentralen Anlaufpunkts
Stadtmarketing & Kulturveranstalter Wegfall eines traditionsreichen Veranstaltungsorts

In einer Stadt wie Wernigerode, deren wirtschaftliche Basis zu großen Teilen auf Tourismus und Kultur beruht, ist ein solches Vakuum spürbar – insbesondere während der Sommersaison.

Wie geht es weiter?

Die große Frage bleibt: Wie geht es mit dem Ratskeller weiter? Eine Wiedereröffnung ist derzeit nicht in Sicht. Der Schaden muss erst genau analysiert, ein Sanierungskonzept erstellt und – entscheidend – die Finanzierung gesichert werden. Ob Fördermittel aus Land oder Bund verfügbar sind, ist bislang nicht bekannt.

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Gleichzeitig mehren sich Forderungen nach mehr Transparenz. Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Stadtverwaltung offenlegt, was genau zur aktuellen Situation geführt hat – und wie solche Szenarien in Zukunft verhindert werden können.

Ein Symbol in der Schwebe

Der Ratskeller ist ein Denkmal, ein Ort der Begegnung und ein wirtschaftlicher Faktor. Seine plötzliche Schließung offenbart nicht nur bauliche Schwächen, sondern auch strukturelle Defizite in der Pflege und Verwaltung historischer Gebäude. Der Fall steht exemplarisch für den schwierigen Umgang mit denkmalgeschützter Substanz im 21. Jahrhundert – zwischen Tradition, Sicherheit und Verantwortung.

Bis auf Weiteres bleibt der Ratskeller geschlossen. Und mit ihm eine Tür zur Geschichte, deren Wiedereröffnung ungewisser denn je scheint.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.