
Wernigerode, 4. November 2025 – Zwischen feuchter Erde, kühlen Herbstwinden und dem Duft frischer Nadeln standen sie nebeneinander: Ärztinnen, Zahnärzte, Apotheker, Psychotherapeutinnen und Tierärzte – Spaten in der Hand, Erde an den Schuhen, Hoffnung im Blick. Zwei Tage lang pflanzten Vertreterinnen und Vertreter der Heilberufe im Stadtforst von Wernigerode rund 4.000 neue Bäume. Es war keine symbolische Geste, sondern ein sichtbares Zeichen für Umweltverantwortung, Gemeinschaft und nachhaltiges Handeln.
Ein Wochenende für den Wald: Wenn Heilberufe Hand anlegen
Die Baumpflanzaktion der Heilberufe in Sachsen-Anhalt hat sich zu einer bemerkenswerten Bewegung entwickelt. Nachdem bereits im Jahr 2024 rund 9.000 Setzlinge im Stadtforst Wernigerode in die Erde gebracht wurden, folgte Ende Oktober 2025 die zweite große Aktion. Diesmal pflanzten rund 150 Teilnehmende auf einer Fläche von knapp drei Fußballfeldern etwa 3.500 Hainbuchen, 200 Weißtannen und 100 Ginsterbüsche. Trotz Brombeer-Ranken, steinigem Boden und nasskaltem Wetter war die Stimmung entschlossen und gemeinschaftlich.
Die Initiative wurde von den Kammern der Heilberufe organisiert – darunter die Ärztekammer, die Zahnärztekammer und die Apothekerkammer Sachsen-Anhalt. Unter dem Motto „Heilberufe helfen dem Harz“ stand die Idee im Mittelpunkt, dass Gesundheit und Umwelt untrennbar miteinander verbunden sind. „Wer heilt, muss auch schützen“, erklärte ein Sprecher der Ärztekammer vor Ort. Mit dieser Aktion solle ein Beitrag zur Wiederaufforstung des geschädigten Harzer Waldes geleistet werden, der durch Dürre, Borkenkäfer und Stürme in den vergangenen Jahren massiv gelitten hat.
Warum der Harz neue Wälder braucht
Die Region Harz ist eines der am stärksten betroffenen Waldgebiete Deutschlands. Nach Angaben des Landesforstbetriebs Sachsen-Anhalt wurden allein 2023 über 1.200 Hektar Fläche wieder aufgeforstet – ein Teil davon durch Naturverjüngung, ein Teil durch Pflanzaktionen wie diese. Statt auf Monokulturen aus Fichten setzen die Verantwortlichen zunehmend auf klimaresistente Mischwälder. Hainbuche, Weißtanne und Roterle sollen künftig den Harz widerstandsfähiger gegen extreme Wetterlagen machen.
Eine Studie des Fraunhofer WKI (Projekt REHA) zeigt, dass der Umbau des Harzwaldes zu einem Mischwald langfristig nicht nur ökologische Vorteile bringt – etwa bei der Kohlenstoffbindung und Biodiversität –, sondern auch wirtschaftliche und touristische Perspektiven sichert. „Ein gesunder Wald ist Lebensgrundlage, Erholungsraum und Klimaschützer zugleich“, betonte Landrat Thomas Balcerowski während der Veranstaltung.
Gemeinschaftsaktion mit Symbolkraft
Was die Pflanzaktion besonders macht, ist die Zusammensetzung der Teilnehmenden: Neben Ärztinnen und Zahnärzten griffen auch Apotheker, Psychotherapeutinnen, Tierärzte und deren Familien zu Spaten und Schaufel. Das gemeinsame Ziel: den Wald nicht nur als ökologische Ressource, sondern als Symbol der Verantwortung wahrzunehmen. Auf Social Media wurde die Aktion vielfach geteilt – Bilder zeigen lachende Gesichter im Regen, Kinder, die Setzlinge festhalten, und Gruppen, die stolz Schilder mit der Aufschrift „Heilberufe helfen dem Harz“ in die Kamera halten.
„Es ist mehr als nur Bäume pflanzen“, heißt es in einem Instagram-Beitrag der Ärztekammer. „Es ist ein Zeichen, dass Heilberufe ihre gesellschaftliche Rolle ernst nehmen – über die Praxis hinaus.“ Die Botschaft fand in der Region breite Unterstützung. Selbst Wanderer und Anwohner aus Wernigerode schauten vorbei, um spontan mitzuhelfen oder die Helferinnen und Helfer mit warmem Tee zu versorgen.
Wie man mitmachen kann
Die Frage vieler Interessierter – wer kann teilnehmen und wie läuft die Anmeldung? – beantwortet sich einfach: Eingeladen sind alle Angehörigen der Heilberufe sowie deren Familien, Praxisteams und Freunde. Die Anmeldung erfolgt über die jeweiligen Kammern, die jährlich Aufrufe veröffentlichen. Der nächste Termin ist für Herbst 2026 bereits in Planung, wie aus einem Post des Landesapothekerverbands hervorgeht.
Spenden und Engagement
Neben der physischen Pflanzarbeit werden Spenden gesammelt, um weitere Flächen zu renaturieren. 2025 kamen 13.250 Euro zusammen, die direkt in den Ankauf und die Pflege neuer Setzlinge fließen. Im Jahr zuvor waren es 25.000 Euro. Damit wächst das Projekt stetig – auch im Bewusstsein der Bevölkerung.
Kontroversen und Diskussionen: Zwischen Idealismus und Realismus
In sozialen Netzwerken wie Reddit wird das Engagement allerdings nicht nur gefeiert. Einige Nutzer kritisieren, dass solche Aktionen teilweise von der Holzindustrie genutzt werden könnten, um Flächen wirtschaftlich nutzbar zu machen. Andere betonen, dass Freiwillige oft unbezahlte Arbeit leisten, während die langfristige Waldpflege weiterhin staatlichen Forstbetrieben überlassen bleibt. Die Veranstalter weisen diese Vorwürfe zurück und betonen die rein ökologische Zielsetzung der Aktion.
Unbestritten bleibt jedoch der positive gesellschaftliche Effekt: Die Aktion hat den Diskurs über Umweltverantwortung im Gesundheitswesen befeuert. Studien zeigen, dass das deutsche Gesundheitssystem für rund fünf Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist – umso bedeutender sind Initiativen, die Nachhaltigkeit in der Gesundheitsbranche vorleben.
Ausblick: Wenn Heilberufe Wurzeln schlagen – im wörtlichen Sinn
Die Baumpflanzaktion der Heilberufe ist mehr als ein symbolischer Akt. Sie steht für das Bewusstsein, dass Gesundheit nicht in sterilen Räumen beginnt, sondern in einer intakten Umwelt. Im Stadtforst von Wernigerode werden die gepflanzten Hainbuchen und Weißtannen noch Jahrzehnte wachsen – vielleicht auch als stilles Denkmal für ein neues Verständnis von Verantwortung.
Während Land, Forstwirtschaft und Forschung weiter an langfristigen Strategien für den Waldumbau arbeiten, zeigen die Heilberufe, wie lokales Engagement aussehen kann: mit Spaten, Teamgeist und einem Blick für das große Ganze. Der Harz bleibt dadurch nicht nur landschaftlich, sondern auch symbolisch ein Ort, an dem Heilung Wurzeln schlägt.







