Quedlinburg

Richard-Wagner-Aufführung  Quedlinburg: „Die Walküre“ feiert triumphales Debüt im Harztheater

Quedlinburg, 8. November 2025. Im ehrwürdigen Großen Haus des Harztheaters füllt sich der Saal schon lange vor Beginn. Ein leises Stimmengewirr, das Rascheln von Programmheften, gespannte Gesichter – dann hebt sich der Vorhang. Mit „Die Walküre“ bringt das Harztheater Quedlinburg erstmals ein Werk von Richard Wagner in dieser Größenordnung auf die Bühne – und macht damit Kulturgeschichte im Harz.

Ein ambitioniertes Projekt: Wagner auf regionaler Bühne

Mit der Premiere der Oper „Die Walküre“ betritt das Harztheater in Quedlinburg Neuland. Das Werk, zweiter Teil des monumentalen Zyklus „Der Ring des Nibelungen“, gilt als eines der anspruchsvollsten Musiktheaterstücke der Welt. Unter der musikalischen Leitung von Johannes Rieger und in der Regie von Marco Misgaiski wagt das Ensemble den großen Schritt – und zeigt, dass Wagner auch jenseits großer Opernhäuser erlebbar sein kann.

Die Aufführung beginnt um 15:00 Uhr, eine halbe Stunde zuvor werden Besucherinnen und Besucher zur Stückeinführung eingeladen. Der Saal ist restlos ausverkauft, das Interesse groß. Schon vorab wurde das Projekt auf Social Media begleitet: kurze Videoclips auf Instagram, Einblicke in Proben und Bühnenbau sowie Interviews mit Darstellern verdeutlichen, wie akribisch an der Umsetzung gearbeitet wurde. Auf Facebook dokumentierte das Theater den Entstehungsprozess mit Probenvideos, Zitaten und einem Countdown zur Premiere – und schuf so Nähe zu seinem Publikum.

Musikalische Präzision und kluge Inszenierung

Rieger, der seit Jahren als künstlerischer Leiter des Harztheaters tätig ist, betont: „Richard Wagner gehört zur DNA dieses Hauses.“ Und tatsächlich ist die Produktion musikalisch beeindruckend: Die Harzer Sinfoniker formen Wagners mächtige Klangwelten mit Klarheit und Ausdruckskraft. In der Hauptbesetzung glänzen Juha Koskela als Wotan, Jessey-Joy Spronk als Sieglinde und Peggy Steiner als Brünnhilde. Die Aufführung dauert rund vier Stunden und vierzig Minuten, inklusive zweier Pausen – ein Kraftakt für Sänger, Orchester und Publikum gleichermaßen.

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Das Bühnenbild von Tom Grasshof ist bewusst reduziert: Anstelle monumentaler Kulissen setzen Licht, Schatten und präzise Gestik die Handlung in Szene. Diese Entscheidung, so die Fachzeitschrift „Die Deutsche Bühne“, sei ein Vorteil kleinerer Häuser – „Wagner wird hier zum konzentrierten Kammerspiel, ohne Pathos, aber mit spürbarer Spannung.“

Ein Werk voller Wucht und Menschlichkeit

„Die Walküre“ ist mehr als ein Stück Musikgeschichte. Die Oper erzählt vom Aufstieg und Fall des Göttervaters Wotan, von Liebe, Verrat und Macht – Themen, die auch 150 Jahre nach der Uraufführung aktuell bleiben. Der berühmte „Ritt der Walküren“ ist ebenso Teil der Aufführung wie die emotionalen Zwiegespräche zwischen Siegmund und Sieglinde, die mit großer Intensität dargeboten werden.

Die Inszenierung basiert auf der sogenannten „Detmolder Fassung“ – einer von Wagner autorisierten Version, die das Werk für kleinere Bühnen zugänglicher macht, ohne musikalisch zu kürzen. Damit gelingt es dem Harztheater, ein Stück Weltkultur auf die regionale Ebene zu bringen – ein Spagat zwischen Authentizität und Pragmatismus.

Publikumsnähe durch Vermittlungsarbeit

Um das komplexe Werk einem breiteren Publikum zu erschließen, startete das Harztheater das Vermittlungsformat „Rampenlicht Spezial: Keine Angst vor Richard Wagner“. In moderierten Einführungen erklärt Wagner-Expertin Silke Nuss zentrale Begriffe, Leitmotive und Handlungselemente. Diese Initiative soll, wie es das Theater beschreibt, „Wagner aus der akademischen Ecke holen und sinnlich erfahrbar machen“.

Die Resonanz ist positiv. Besonders für Besucherinnen und Besucher, die erstmals eine Wagner-Oper erleben, bietet das Format Orientierung. So lernen sie, dass „Die Walküre“ der zweite Teil des Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ ist – nach „Das Rheingold“ und vor „Siegfried“. Insgesamt umfasst der „Ring“ vier Opern mit einer Gesamtdauer von etwa 15 Stunden und über 30 Solisten. In Quedlinburg aber steht zunächst die „Walküre“ im Fokus – als Herzstück und musikalischer Höhepunkt der Reihe.

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Ein Theater mit Haltung – trotz schwieriger Bedingungen

Hinter der glanzvollen Premiere steht eine Institution, die seit Jahren mit begrenzten Mitteln Großes leistet. In früheren Kritiken wurde auf die finanziellen Herausforderungen hingewiesen: Kommunale Zuschüsse wurden gekürzt, Strukturen verschlankt. Dennoch zeigt das Ensemble Beharrlichkeit und Leidenschaft – Tugenden, die in dieser Aufführung deutlich spürbar werden.

Die Deutsche Bühne lobte bereits vergangene Produktionen des Harztheaters, etwa „Lohengrin“ in Halberstadt, für ihren Mut und ihre künstlerische Qualität: „Das Haus erfüllt hohe Ansprüche – mit seidig spielenden Streichern und präzisen Bläsern.“ Diese Linie wird mit „Die Walküre“ fortgesetzt. Quedlinburg zeigt, dass große Kunst auch in kleineren Städten möglich ist, wenn Begeisterung und Professionalität zusammentreffen.

Fragen, die viele Zuschauer bewegen

Viele Besucher interessierte im Vorfeld: Wie lange dauert die Aufführung? – Rund viereinhalb Stunden, so das Theater, inklusive zweier Pausen. Gibt es eine Einführung? – Ja, eine halbe Stunde vor Beginn, mit lebendiger Moderation. Und warum wagt ein Regionaltheater überhaupt Wagner? – Weil, so Rieger, „Kunst nur dann lebendig bleibt, wenn man sie wagt“. Dieses Selbstverständnis prägt das Haus – und hat es zu einem der wichtigsten Kulturträger der Region gemacht.

Ein Ereignis mit Nachhall

Mit dieser Premiere hat das Harztheater mehr erreicht als nur eine gelungene Aufführung. Es hat gezeigt, dass kultureller Anspruch und regionale Identität sich nicht ausschließen. Quedlinburg erlebt an diesem Abend, dass Wagner nicht elitär, sondern erlebbar sein kann – nahbar, emotional und zugleich voller Kraft.

Die Besucher verlassen den Saal bewegt, manche erschöpft, viele begeistert. Noch lange hallen die letzten Töne des „Walkürenritts“ in den Gassen der Altstadt nach. Für Quedlinburg bedeutet dieser Abend mehr als eine Premiere: Er ist ein Statement – für Kunst, Mut und die Kraft kleiner Bühnen, Großes zu leisten.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.