
Wernigerode, 13. Dezember 2025 – Der schwere Dampf der Lok legt sich über die Gleise, das rhythmische Schlagen der Kolben hallt durch den winterlichen Harz. Was für viele Besucher zur romantischen Kulisse gehört, war zuletzt Sinnbild einer existenziellen Krise. Nun steht fest: Die Harzer Schmalspurbahnen fahren weiter – zumindest vorerst.
Harzer Schmalspurbahnen: Eine Atempause nach Monaten der Unsicherheit
Die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) sind vorerst gerettet. Nach monatelangen Diskussionen über drohende Stilllegungen, Finanzierungslücken und eine ungewisse Zukunft hat das Land Sachsen-Anhalt gemeinsam mit den weiteren Gesellschaftern die Finanzierung des traditionsreichen Bahnunternehmens für die kommenden Jahre gesichert. Der Fortbestand der beliebten Touristenattraktion gilt damit kurzfristig als gewährleistet.
Kern der Einigung ist die Fortführung des bestehenden Verkehrsvertrags, der dem Unternehmen jährlich Zuschüsse in Höhe von rund neun Millionen Euro zusichert. Ergänzend stellt das Land zusätzliche Mittel bereit, um die angespannte finanzielle Lage zu stabilisieren. Für die Harzer Schmalspurbahnen bedeutet dies eine dringend benötigte Atempause – jedoch keine endgültige Lösung.
Der Harzer-Roller News berichtete hier bereits über die Finanzspritze
Finanzierung mit klaren Leitplanken
Die Unterstützung ist an Bedingungen geknüpft. Überschreitungen des vereinbarten Finanzrahmens sind ausgeschlossen, zudem müssen bis spätestens Mitte 2026 belastbare Konzepte vorgelegt werden, die den Weg in eine langfristig tragfähige Zukunft weisen. Im Fokus stehen dabei strukturelle Fragen, die seit Jahren ungelöst sind.
- Sanierung und Modernisierung des über Jahrzehnte gewachsenen Schienennetzes
- Prüfung einer möglichen Elektrifizierung einzelner Streckenabschnitte
- Modernisierung von Werkstätten, Depots und betrieblichen Abläufen
Interne und externe Analysen zeichnen ein klares Bild: Die Harzer Schmalspurbahnen leiden unter erheblichen Investitionsrückständen. Allein für Infrastruktur und Fahrzeuge werden bis 2045 Investitionen von mehr als 500 Millionen Euro veranschlagt. Hinzu kommen langfristige Betriebskosten, die das Unternehmen ohne öffentliche Unterstützung kaum schultern kann.
Zwischen Tourismusmagnet und Kostenfaktor
Kaum eine andere Attraktion steht so sehr für den Harz wie die Harzer Schmalspurbahnen. Das rund 140 Kilometer lange Streckennetz, auf dem überwiegend dampfbetriebene Züge verkehren, zieht jährlich rund eine Million Fahrgäste an. Besonders die Brockenbahn gilt als touristisches Aushängeschild der Region – für viele Gäste ist sie der emotionale Höhepunkt ihres Aufenthalts.
Gleichzeitig offenbart gerade dieser Betrieb die wirtschaftlichen Grenzen des Modells. Historische Dampflokomotiven, aufwendige Wartung und steigende Energie- sowie Personalkosten belasten die Bilanz massiv. Selbst deutliche Preisanpassungen bei den Fahrkarten konnten die strukturellen Defizite zuletzt nicht ausgleichen.
Politik und Unternehmen setzen auf Neuaufstellung
Vertreter aus Politik und Unternehmensführung sprechen übereinstimmend von einem wichtigen Zwischenschritt. HSB-Geschäftsführerin Katrin Müller betonte, die nun gesicherte Finanzierung verschaffe dem Unternehmen den notwendigen Spielraum, um grundlegende Reformen anzugehen. Für die rund 280 Beschäftigten bedeute dies zunächst Planungssicherheit.
Auch aus dem Landesverkehrsministerium kommt Erleichterung – verbunden mit klaren Erwartungen. Verkehrsministerin Lydia Hüskens machte deutlich, dass die Unterstützung kein Dauerzustand sein könne. Ziel sei es, die Harzer Schmalspurbahnen so aufzustellen, dass sie mittelfristig effizienter und wirtschaftlich stabiler betrieben werden können.
Strukturelle Probleme mit Signalwirkung
Der Fall der Harzer Schmalspurbahnen steht stellvertretend für ein Grundproblem vieler regionaler Verkehrs- und Kulturbetriebe. Als identitätsstiftende Einrichtungen genießen sie hohe gesellschaftliche Akzeptanz, ihre Finanzierung jedoch bleibt dauerhaft fragil. Die Balance zwischen öffentlichem Interesse, touristischem Nutzen und betriebswirtschaftlicher Realität ist schwer herzustellen.
Insbesondere in ländlich geprägten Regionen geraten solche Angebote zunehmend unter Druck. Sinkende Einnahmen außerhalb der Hauptsaison, steigende Instandhaltungskosten und begrenzte Einnahmepotenziale stellen traditionelle Geschäftsmodelle infrage. Die HSB sind damit kein Einzelfall, sondern Teil einer bundesweiten Debatte.
Der Blick nach vorn: Konzepte statt Kompromisse
In den kommenden Monaten wird sich entscheiden, ob die Harzer Schmalspurbahnen die Chance zur Neuausrichtung nutzen können. Gefordert sind belastbare Konzepte, die über kurzfristige Zuschüsse hinausgehen. Dazu zählen effizientere Betriebsstrukturen, eine bessere Verzahnung mit dem regionalen Tourismus sowie mögliche technische Weiterentwicklungen.
Fachleute sehen insbesondere in einer teilweisen Elektrifizierung und einer Modernisierung der Betriebsabläufe Ansatzpunkte, um Kosten zu senken und den Betrieb langfristig abzusichern. Gleichzeitig bleibt der Erhalt des historischen Charakters ein zentraler Anspruch – ein Spannungsfeld, das kreative Lösungen erfordert.
Wirtschaftlicher Faktor für die Region
Für den Harz ist die vorläufige Rettung der Harzer Schmalspurbahnen mehr als eine verkehrspolitische Entscheidung. Hotels, Gastronomie und Einzelhandel profitieren unmittelbar von den Besucherströmen, die die Bahn anzieht. Ein Wegfall hätte spürbare wirtschaftliche Folgen für zahlreiche Betriebe in der Region gehabt.
Entsprechend groß ist die Erleichterung bei kommunalen Vertretern und Tourismusakteuren. Sie setzen darauf, dass die gesicherte Finanzierung nicht nur den Status quo erhält, sondern neue Impulse für den regionalen Tourismus ermöglicht.
Zwischen Tradition und Zukunftsfähigkeit
Die Harzer Schmalspurbahnen haben Kriege, politische Umbrüche und wirtschaftliche Krisen überstanden. Die aktuelle Finanzsicherung reiht sich in diese Geschichte als weiterer Wendepunkt ein. Ob sie den Übergang in eine nachhaltige Zukunft markiert oder lediglich eine Atempause bleibt, wird sich erst zeigen.
Klar ist jedoch: Die Rettung der beliebten Touristenattraktion verschafft Zeit – und Zeit ist in diesem Fall der entscheidende Rohstoff. Wie sie genutzt wird, dürfte über das Schicksal der Harzer Schmalspurbahnen weit über das Jahr 2027 hinaus entscheiden.







