Oberharz

Harzdrama mit Happy End: Wie Ehrenamtliche das Leben eines Syker Wanderers retteten

Verschneiter Wanderpfad im winterlichen Harz mit Wegweiser – die Orientierung kann hier schnell verloren gehen. (Symbolbild – exemplarisch)

Harz/Syke – Ein winterlicher Ausflug in die Berge endet beinahe tödlich, doch dank des beherzten Einsatzes freiwilliger Retter geht alles gut aus. Der Fall des Syker Wanderers Ralph Grotelüschen ist mehr als eine persönliche Rettungsgeschichte – er steht beispielhaft für den unschätzbaren Wert ehrenamtlicher Arbeit in den deutschen Mittelgebirgen.

Ein harmloser Plan wird zum Überlebenskampf

Ralph Grotelüschen ist kein Anfänger, wenn es ums Wandern geht. Der 55-jährige Diplom-Braumeister aus Syke kennt den Harz wie seine Westentasche. Mehrfach hat er die komplette Route der Harzer Wandernadel absolviert – 222 Stempelstellen, verteilt über das gesamte Mittelgebirge. Schon zwei Mal erhielt er dafür die begehrte Auszeichnung „Harzer Wanderkaiser“. Doch an einem Tag zwischen Silvester 2023 und Neujahr 2024 wird aus Erfahrung fast Übermut.

Grotelüschen ist wieder auf Tour. Ziel: die letzte Station, bevor er erneut zum Kaiser gekrönt wird. Doch dichter Schnee, einbrechende Dunkelheit und eine kleine Fehlentscheidung führen dazu, dass er sich verläuft – ohne Orientierung und ohne Chance, aus eigener Kraft zurückzufinden.

Die Rettung beginnt: Ein Anruf, ein Bild und viele Ehrenamtliche

Was tut man in einer solchen Situation? Wie alarmiert man die Bergwacht im Harz richtig? Ralph Grotelüschen entscheidet sich gegen blinden Aktionismus – und für Vernunft. Er ruft den Notruf 112 an, gibt seinen ungefähren Standort durch und sendet sogar ein Handyfoto zur besseren Lokalisierung. Eine Maßnahme, die später entscheidend für die erfolgreiche Rettung wird. Wie er später sagt: „Ohne dieses Bild hätten sie mich wohl nicht gefunden.“

Die Bergwacht Harz – ein ehrenamtlicher Zusammenschluss von Rettern mit festen Berufen wie Steuerberater, Lehrer oder Forstwirt – reagiert prompt. Ein Team wird entsendet, kämpft sich durch Schnee und Nacht bis zur vermuteten Stelle. Gegen 2 Uhr morgens treffen sie auf Grotelüschen – unterkühlt, erschöpft, aber lebendig.

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Wer ist die Bergwacht Harz?

In Deutschland übernehmen Ehrenamtliche wie jene der Bergwacht Harz über 90 Prozent der Rettungseinsätze in bergigem Gelände. Allein im Harz operieren rund zehn Gruppen auf niedersächsischer und sachsen-anhaltinischer Seite. Ihre Aufgaben reichen von Pistenrettung über Felssicherung bis hin zu Luftrettung und Naturschutz.

Doch wer zahlt das alles? Was kostet eine Bergrettung im Harz für den Geretteten? Grundsätzlich entstehen dem Betroffenen keine direkten Kosten – denn die Retter arbeiten ehrenamtlich. Allerdings können etwaige Transportmittel wie Helikopter über die Krankenkasse abgerechnet werden. Grotelüschen selbst entschließt sich dazu, die Bergwacht zu unterstützen – mit einer Spende von über 13.000 Euro. Es sei „das Mindeste“, sagt er in einem späteren Interview.

Gefahren im winterlichen Harz – unterschätzt und real

Was viele unterschätzen: Auch ein bekanntes Terrain wie der Harz kann zur Falle werden. Besonders im Winter. Schneefall, Nebel und frühe Dunkelheit machen aus einem Wanderweg schnell ein Labyrinth. Welche Risiken bestehen bei Nachtwanderungen im Harz? Neben Unterkühlung und Sturzgefahr vor allem das Verlaufen ohne Sicht und GPS. Ein Detail aus dem Fall Grotelüschen sticht heraus: Seine Stirnlampe war fast leer, die Powerbank versagte im Frost.

Checkliste: Notwendige Ausrüstung für Winterwanderungen im Harz

  • Wasserdichte Winterstiefel mit Profil
  • Warme, mehrlagige Kleidung
  • Stirnlampe mit Ersatzbatterien
  • Geladene Powerbank
  • GPS-fähiges Smartphone mit Offline-Karte
  • Notruf-App oder Standortübermittlung (z. B. „112 Where Are U“)
  • Verpflegung und Thermoskanne mit heißem Getränk

Wie lange dauert ein typischer Rettungseinsatz im winterlichen Harz? Im Fall von Grotelüschen dauerte es fast neun Stunden von der Alarmierung bis zur Übergabe. Durchschnittlich rechnen die Einsatzkräfte mit 1 bis 6 Stunden pro Rettung – abhängig von Lage, Wetter und Zugang.

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Aus der Rettung wird eine Lebensveränderung

Ein solcher Einsatz hinterlässt Spuren. Doch bei Grotelüschen nicht in Form von Angst – sondern Motivation. Er kündigt an, sich künftig selbst stärker zu engagieren: „Vielleicht nicht als Retter – aber als Ranger oder Unterstützer der Bergwacht.“ Seine Dankbarkeit geht weit über das Finanzielle hinaus.

Diese Entwicklung ist nicht ungewöhnlich. Kann man sich nach einer Rettung bei der Bergwacht engagieren? Ja – viele ehemalige Betroffene nutzen das Erlebnis als Wendepunkt, um sich im Ehrenamt einzubringen. Das Netzwerk der Bergwacht lebt von Menschen, die aus Überzeugung handeln – und durch Vorbilder wie Grotelüschen motiviert werden.

Statistiken und Strukturen: So arbeitet die Bergwacht

Wie viele Rettungseinsätze leistet die Bergwacht Harz jährlich? Genaue Zahlen variieren, doch Schätzungen zufolge sind es zwischen 300 und 400 Einsätze pro Jahr – allein in dieser Mittelgebirgsregion. Bundesweit leisten die etwa 14.500 ehrenamtlichen Retter Tausende von Einsätzen jährlich.

Die Struktur der Bergwacht ist auf Effizienz ausgerichtet: Ausbildung, Ausrüstung und Einsatzkoordination erfolgen meist zentral über das DRK oder regionale Leitstellen. Gerade bei Schnee- und Lawineneinsätzen finden regelmäßige Winterlehrgänge statt – mit Seiltechnik, Erste Hilfe im Eis und GPS-Navigation.

Soziale Medien und Community-Echo

Während große Medien den Fall Grotelüschen aufgriffen, entwickelte sich parallel ein bemerkenswertes Echo in sozialen Netzwerken. Auf Instagram postete der Syker Wanderer ein Bild seiner „Spendenwanderung“ – erneut 222 Stempelstellen, gewidmet der Bergwacht. In Facebook-Gruppen kursierten Nachrichten über den Vorfall, meist verbunden mit Lob für die freiwilligen Helfer.

Ein Nutzer schreibt: „So was macht man nicht für Geld – das ist Überzeugung.“ Ein anderer ergänzt: „Unterschätzt nie Schnee und Dunkelheit – ein Handybild hilft Rettern oft mehr als jede Beschreibung.“

Aus der Region, für die Region

Was in dieser Geschichte besonders berührt, ist die lokale Verwurzelung der Akteure. Die Retter stammen aus der Umgebung. Die Spender ebenfalls. Die Unterstützung kommt aus der Mitte der Gesellschaft. In einem Zeitalter, in dem Ehrenamt häufig überlastet und unterfinanziert ist, bietet der Fall Ralph Grotelüschen ein positives Beispiel für Zusammenhalt, Dankbarkeit und Engagement.

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Im Frühjahr 2025 ist Grotelüschen erneut im Harz unterwegs – diesmal besser vorbereitet, mit Stirnlampe, GPS und Notfallplan. Er sammelt erneut alle Stempel, doch diesmal mit einer neuen Perspektive: als jemand, der weiß, wie schnell man Hilfe brauchen kann – und wie wertvoll sie ist, wenn sie rechtzeitig kommt.

Ein persönliches Ereignis mit gesellschaftlicher Relevanz

Der Harz bleibt ein beliebtes Wanderziel – aber auch ein Gelände mit Risiken. Die Geschichte von Ralph Grotelüschen zeigt, dass niemand vor Fehlern oder unvorhersehbaren Ereignissen sicher ist. Entscheidend ist nicht, ob man Hilfe braucht, sondern ob man sie rechtzeitig bekommt. Die Bergwacht Harz beweist, dass ehrenamtlicher Einsatz Leben rettet. Und dass dieses Engagement nur möglich ist, wenn Menschen es mit Spenden, Respekt und aktiver Mithilfe unterstützen.

In einer Gesellschaft, in der Ehrenamt oft als Selbstverständlichkeit gesehen wird, zeigt dieser Fall: Es ist alles andere als selbstverständlich. Es ist – überlebenswichtig.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.