
Benneckenstein, 22. November 2025 – Inmitten der waldreichen Höhen des Harzes entsteht ein ungewöhnlicher Kontrast zur bergigen Landschaft: Ein Wrack aus der Tiefe der Nordsee, konserviert und aufbereitet, findet seinen Weg in ein Technikmuseum fernab maritimer Küsten.
Das Ostdeutsche Fahrzeug- und Technikmuseum in Benneckenstein schreibt Geschichte: Ab April 2026 wird es Teile des historischen U-Boots U 16 ausstellen – ein Exemplar der Kaiserlichen Marine, das 1919 versank und über ein Jahrhundert lang in der Nordsee ruhte.
Ein Relikt aus der Kaiserzeit
Das U-Boot vom Typ U 16 wurde im Jahr 1911 bei der Germaniawerft in Kiel gebaut und diente im Ersten Weltkrieg der Kaiserlichen Marine. Mit einer Länge von 57,8 Metern, einer Breite von sechs Metern und einer Besatzung von 29 Mann war es ein technisches Meisterwerk seiner Zeit. Am 8. Februar 1919 jedoch endete seine Fahrt: Auf dem Weg zur Auslieferung nach Großbritannien sank es nahe der Insel Scharhörn in der Nordsee.
Mehr als 100 Jahre am Meeresgrund
Über ein Jahrhundert lang blieb das Wrack auf dem Meeresboden liegen – nahezu vergessen. Erst im Jahr 2025 wurde es zum Thema, als die Schifffahrtsverwaltung es als Gefahr für die Navigation einstufte. Die Markierung als „Hauptgefahr für die Schifffahrt“ ebnete den Weg für die Bergung, die Ende August 2025 erfolgte. Dabei zerbrach das Wrack – stark korrodiert und fragil – in zwei große Teile.
„Wir haben dieses U-Boot sozusagen chirurgisch auseinandergenommen“, erklärte Henning Haßmann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Die Aktion war jedoch nicht unumstritten. Experten wie Rainer-Maria Weiss, Landesarchäologe von Hamburg, kritisierten das Vorgehen scharf: Es sei eine „stümperhafte und illegale Hauruck-Aktion“ gewesen.
Konservierung für die Nachwelt
Die erhaltenen Teile des Wracks wurden an verschiedene Museen übergeben. Etwa ein Viertel des ursprünglichen U-Boots blieb erhalten. Den bedeutendsten Teil – der mittlere Rumpfabschnitt mit dem charakteristischen Turm sowie das Hecksegment mit zwei Torpedorohren – erhält das Technikmuseum Benneckenstein. Museumsleiter Mario Tänzer erklärte: „Und dann wird dieses gesamte U-Boot außen und innen mit einem Speziallack überzogen, das heißt dauerhaft konserviert.“
Ein Museum fernab des Meeres
Dass ein U-Boot-Wrack in einem Harzer Technikmuseum zu sehen sein wird, ist eine Besonderheit. Maritimes Kulturerbe ist in einer Binnenregion wie Sachsen-Anhalt selten ausgestellt. Das Projekt in Benneckenstein zeigt, wie militär- und technikgeschichtliche Erinnerung auch jenseits von Küstenstädten bewahrt werden kann.
Verteilung der Fundstücke
Neben Benneckenstein werden weitere Teile des Wracks im Deutschen Marinemuseum Wilhelmshaven, im Militärhistorischen Museum Dresden und im Aeronauticum Nordholz ausgestellt. Laut Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wurden diese Wracksegmente offiziell an die Museen übereignet. Einigen Stimmen aus Fachforen zufolge ist der genaue Verbleib weiterer Fragmente jedoch nicht eindeutig geklärt.
Digitalisierung und Vermittlung
Auch moderne Vermittlungsformen werden berücksichtigt: Das Deutsche Schifffahrtsmuseum plant, eine digitale Nachbildung des U-Boots zugänglich zu machen. Besucher sollen virtuell „abtauchen“ können – eine neue Form des Lernens und Erlebens, die besonders junge Generationen ansprechen dürfte.
Fragen aus der Öffentlichkeit
Warum wurde das U-Boot überhaupt geborgen?
Die Bergung erfolgte nicht aus musealem Interesse, sondern aus Gründen der Sicherheit. Das Wrack galt als potenzielles Hindernis für die Schifffahrt. Seine exponierte Lage machte eine weitere Liegezeit im Meer untragbar.
Wie wird das U-Boot nun konserviert?
In Benneckenstein werden die erhaltenen Wrackteile professionell aufbereitet. Eine vollständige Rekonstruktion ist jedoch nicht vorgesehen. Stattdessen konzentriert sich das Museum auf die konservatorische Sicherung und historische Kontextualisierung.
Wie beschädigt war das Wrack bei der Bergung?
Beim Heben wurde deutlich, dass das Wrack stark korrodiert war. Experten sprachen von Metallteilen, die so spröde wie „Kartoffelchips“ seien. Beim Anheben zerbrach es schließlich in mehrere Teile – ein Risiko, das einige Archäologen bereits im Vorfeld befürchtet hatten.
Ist eine vollständige Ausstellung des U-Boots geplant?
Nein. Bereits im Vorfeld der Bergung war klar, dass eine komplette Rekonstruktion nicht realistisch ist. Der Erhaltungszustand, die logistische Komplexität und der Platzbedarf sprechen dagegen. Die Ausstellung in Benneckenstein konzentriert sich auf zentrale Segmente des Bootes.
Technische Daten des U 16
| Merkmal | Angabe |
|---|---|
| Baujahr | 1911 |
| Länge | 57,8 Meter |
| Breite | 6,0 Meter |
| Tiefgang | 3,36 Meter |
| Verdrängung | 489 t (über Wasser), 627 t (unter Wasser) |
| Besatzung | 29 Mann |
| Bewaffnung | 2 Torpedorohre, 6 Torpedos, 1 Deckkanone |
Ein Denkmal zwischen Kritik und Faszination
Die Geschichte des U-Boots U 16 endet nicht mit seinem Untergang. Sie wird fortgeschrieben durch die öffentliche Debatte um seine Bergung, durch die wissenschaftliche Kontroverse über Denkmalpflege im Meer – und durch seine neue Rolle als Exponat. Die Ausstellung in Benneckenstein verbindet Vergangenheit mit Gegenwart, Technik mit Erinnerung – und macht den Harz um eine maritime Facette reicher.







