Wernigerode

Ein letzter Funke Nostalgie Harzer Schmalspurbahnen erhalten 600.000 Euro von Gesellschaftern – vorläufiges Überleben gesichert

Wernigerode, 4. Dezember 2025 – Im Harz schweigt für einen Moment der Pfeif-Ton der Lok, und statt des gewohnten Zugsignals liegt nur grauer Dampf über den Gleisen. In diesem Nebel verbirgt sich jedoch Hoffnung: Die traditionsreiche Eisenbahn atmet neu – dank frischer Mittel, die den Fortbestand sichern könnten. Aber: Der Atem bleibt flach – und der Weg steinig.

Die Gesellschafter der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) haben beschlossen, erneut einen Zuschuss von 600.000 Euro bereitzustellen. Diese einmalige Finanzspritze soll einen Teil der akuten Verluste kompensieren und einen Puffer schaffen, um Fahrplan und Betrieb bis auf Weiteres stabil zu halten. Mit dieser Entscheidung wird der Sparkurs vorerst ausgesetzt – doch die grundlegenden Hindernisse bleiben bestehen.

Weshalb die HSB erneut auf Unterstützung angewiesen ist

Die HSB steckt seit Jahren in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Die Mängel sind strukturell: Schmale Gleise, alte Brücken, knarrende Schwellen und rostige Dampfloks, die ihre besten Jahre längst hinter sich haben. Ein Gutachten prognostiziert: Bis 2045 wären rund 800 Mio. Euro nötig, um Netz, Fahrzeuge und Infrastruktur umfassend zu sanieren und dauerhaft betriebsfähig zu halten.

Allein die aktuellen Defizite sind alarmierend: Im Jahr 2023 verlor das Unternehmen 2,4 Mio. Euro, 2024 könnte sich das Minus auf 5,6 Mio. Euro gesteigert haben. Parallel dazu steigen Energie-, Personal- und Instandhaltungskosten kontinuierlich. Der historische Dampfbetrieb, so charmant er auch sein mag, gilt unter Fachleuten zunehmend als wirtschaftlich perspektivlos – ohne grundlegende Reformen droht ein Kahlschlag.

Wer steckt hinter der Finanzspritze – und was steckt drin?

Die HSB ist eine kommunal getragene Gesellschaft. Beteiligte sind Landkreise, Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen. Traditionell fließen Zuschüsse über Verkehrsverträge und Infrastrukturprogramme – mit dem Ziel, Nah- und Tourismusverkehr zu sichern. Für das laufende Jahr waren bereits Millionenbeträge zugesagt: 2024 flossen rund 15 Mio. Euro, und für 2025 wurde eine Aufstockung angekündigt. Doch selbst das reichte nicht aus.

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Die 600.000 Euro müssen als ergänzende Maßnahme verstanden werden – als symbolisches Lebenszeichen in einer Phase zunehmender Verunsicherung. Öffentliche Haushalte sind belastet, Fördermittel begrenzt; dennoch zeigen sich die Gesellschafter bereit, erneut einzuspringen – unter Vorbehalt, dass ein tragfähiges Reformkonzept vorgelegt wird.

Wofür das Geld eingesetzt wird

  • Abschwächung der laufenden Verluste und Stabilisierung des Fahrbetriebs im kommenden Jahr
  • Sicherung des vorläufigen Fortbestands der Schmalspurbahnen – inklusive touristisch wichtiger Strecken wie der Brockenbahn
  • Überbrückung bis zur Erarbeitung und Verabschiedung eines längerfristigen Zukunftsplans mit klaren Investitions- und Einsparmaßnahmen

Reparaturbedarf, Substanzverlust – die Hürden für Sanierung sind hoch

Die Dimension der erforderlichen Maßnahmen ist gigantisch. Die HSB skizziert ein mehrstufiges Sanierungsprogramm:

Planinhalte im Überblick

  • Grunderneuerung von Gleisen, Brücken, Bahnhöfen und technischen Einrichtungen
  • Restaurierung historischer Dampflokomotiven und Wagen – sowie Anschaffung moderner Schmalspurtriebwagen
  • Erprobung alternativer, emissionsarmer Antriebstechnologien (z. B. Diesel-Hybrid oder leichtölbetriebene Lokomotiven)
  • Schrittweise Modernisierung mit Barrierefreiheit, Digitalisierung der Zugangs- und Fahrgastbereiche, verbesserter Ausstattung

Doch selbst bei entschlossener Umsetzung werden die zugesagten Mittel kaum ausreichen. Die 600.000 Euro wirken im Vergleich zum geschätzten Finanzbedarf wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Ohne substanzielle weitere Investitionen verbleibt die HSB im Fahrwasser der Unsicherheit.

Was bedeutet das für Fahrgäste, Pendler und Touristen?

Jährlich nutzen zwischen 700.000 und 1,1 Mio. Menschen die Schmalspurbahnen – Einheimische wie Urlauber. Besonders beliebt: Die Strecke zur Brockenbahn, deren dampfbetriebene Wagons weithin zum Bild des Harzes gehören. Würden – aus Mangel an Mitteln – touristisch weniger rentable Strecken wie die Selketalbahn drastisch im Fahrplan reduziert oder nur noch saisonal betrieben, träfe das nicht nur Tourismus und kulturelles Erbe, sondern auch die Nahmobilität vieler Einwohner.

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Obwohl die Ticketpreise bereits mehrfach erhöht wurden, reicht diese Maßnahme allein bei Weitem nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken. Die 600.000 Euro können kurzfristig ein Durchatmen ermöglichen – mittel- oder langfristig bleibt die Zukunft der HSB jedoch unklar.

Ein Aufschub, kein Neubeginn

Mit der aktuellen Finanzspritze ist der Betrieb vorerst gesichert. Doch sie stellt keinen Grundstein für eine nachhaltige Modernisierung dar. Vielmehr eröffnet sie eine letzte Schonfrist, um konkrete Weichenstellungen auf den Weg zu bringen.

Nun liegt der Ball bei den zuständigen Ländern und Kommunen sowie bei der HSB selbst: Ein tragfähiges Sanierungs- und Zukunftskonzept ist zwingend erforderlich. Nur mit langfristiger Planung, transparenten Investitionen und klaren Prioritäten lässt sich das Kulturerbe Schmalspurbahn im Harz sinnvoll bewahren – ohne dass Nostalgie zum Hemmschuh wird.

Im Dampf der Geschichte – mit Blick auf morgen

Die 600.000 Euro sind ein zartes Lebenszeichen für die Harzer Schmalspurbahnen: ein Signal, dass man nicht bereit ist, sich kampflos zu verabschieden. Doch angesichts der dimensionale Sanierungsbedürftigkeit bleibt es ein schwacher Atemzug bei rauchenden Lokomotiven und zerfallenden Gleisanlagen. Die kommenden Monate müssen zeigen, ob der Dampf für einen echten Neubeginn reicht oder ob die Schmalspurbahn bald nur noch lebendige Erinnerung bleibt.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.