
Eine historische Dampflok der Harzer Schmalspurbahnen fährt durch die sommerliche Harzlandschaft. Im Hintergrund ist der Brocken mit Sendeturm zu sehen. (Symbolbild – exemplarisch)
Wernigerode – Die Harzer Schmalspurbahnen gelten als touristisches Aushängeschild der Region. Doch ausgerechnet in der beliebten Ferienzeit im Juli müssen sich Reisende und Einheimische auf eingeschränkten Zugverkehr einstellen. Der Grund liegt tiefer als bloße Fahrplanänderungen vermuten lassen – und offenbart strukturelle Herausforderungen im traditionsreichen Dampfbetrieb.
Ursache für die Einschränkungen: Personalmangel im Ferienmonat
Vom 14. bis zum 27. Juli 2025 fahren auf dem Netz der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) weniger Züge als gewohnt. Verantwortlich dafür ist ein deutlich spürbarer Personalmangel, der durch Urlaubszeiten, krankheitsbedingte Ausfälle und die hohe Belastung des bestehenden Betriebspersonals entsteht. Früh- und Spätverbindungen werden vorübergehend gestrichen, um den täglichen Kernbetrieb aufrechtzuerhalten.
Die HSB teilt mit, dass diese Entscheidung notwendig sei, um den verbleibenden Zugverkehr zuverlässig durchführen zu können. Es handelt sich um einen temporären Engpass, doch die Maßnahme hat konkrete Auswirkungen auf Fahrgäste – sowohl touristisch als auch im Berufsverkehr.
Was konkret betroffen ist: Linien, Zeiten und Ersatzangebote
Brockenbahn: Weniger Dampf, dennoch tägliche Fahrten
Die wohl bekannteste Strecke, die Brockenbahn, ist ebenfalls betroffen. Zwei Dampfzug-Paare entfallen während des genannten Zeitraums. Dennoch bleibt der Brocken täglich erreichbar: Sechs Dampfzugverbindungen verkehren weiterhin, beginnend mit der ersten Abfahrt um 9:00 Uhr. Die letzte Fahrt bergauf startet spätestens 14:00 Uhr, während die finale Talfahrt um 16:19 Uhr beginnt.
Harzquer- und Selketalbahn: Änderungen im Pendelverkehr
Vor allem Pendler im nördlichen Abschnitt zwischen Nordhausen und Ilfeld/Niedersachswerfen spüren die Fahrplanreduktionen deutlich. Die ersten Züge fahren werktags nicht mehr vor 8:54 Uhr – an Wochenenden sogar erst ab 9:54 Uhr. Die letzten Tagesverbindungen finden bereits zwischen 17:00 und 18:00 Uhr statt. Auch auf der Selketalbahn entfallen einzelne Frühverbindungen, etwa um 7:46 Uhr ab Gernrode. In den Tagesstunden bleibt der Dampfzugbetrieb erhalten.
SEV: Schienenersatzverkehr als Übergangslösung
Als Ausgleich wird auf mehreren Streckenabschnitten Schienenersatzverkehr (SEV) eingerichtet. Busse verkehren zu Stoßzeiten und sollen insbesondere Berufspendler entlasten. Dennoch bleibt Kritik nicht aus – Nutzer beklagen unter anderem überdimensionierte Busse und mangelnde Fahrgastinformationen, etwa zu Umstiegsmöglichkeiten und Erstattungsverfahren.
Fahrzeugmangel und Dampfloknutzung im Sommer
Ein weiterer Grund für die Einschränkungen liegt in der begrenzten Einsatzfähigkeit der Fahrzeugflotte. Von insgesamt 31 Dampfloks sind nur rund 15 betriebsbereit, bei den Triebwagen stehen lediglich 9 von 10 im Einsatz. Wartungsarbeiten, Materialverschleiß und fehlendes Personal für Lokführung und Instandhaltung erschweren die vollständige Nutzung des Fuhrparks.
Dazu kommt, dass bei bestimmten Fahrten im Sommer 2025 Diesellokomotiven statt Dampfloks eingesetzt werden. Dies dient unter anderem dem vorbeugenden Brandschutz bei hoher Waldbrandgefahr. Nach dem verheerenden Waldbrand im September 2024 sind neue Sicherheitskonzepte in der Diskussion, die den Dampfbetrieb unter bestimmten Bedingungen einschränken könnten.
Tourismus im Spagat: Beliebtheit kontra Betriebswirklichkeit
Die Harzer Schmalspurbahnen sind nicht nur technisches Kulturgut, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Harz. Im Jahr 2023 verzeichnete das Streckennetz rund 1,2 Millionen Fahrgäste – ein Zuwachs gegenüber den Vorjahren. Besonders bemerkenswert: Auf der Brockenbahn wurden über 500.000 Fahrten gezählt, ein Plus von 7 %. Die Selketalbahn legte mit +17 % sogar noch stärker zu.
Diese Zahlen stehen in starkem Kontrast zu den strukturellen Problemen: Der Spagat zwischen touristischem Andrang, Personalknappheit und alternder Technik erfordert langfristige Lösungen. Die Einnahmen von über 15 Millionen Euro im Jahr 2023 zeigen zwar wirtschaftliche Erholung, doch ohne Investitionen in Personal und Technik droht langfristig eine Überforderung des Systems.
Rauchverbot, Sicherheit und Umweltaspekte
Ein Thema, das im Zusammenhang mit den Einschränkungen seltener angesprochen wird, ist der Aspekt des Umweltschutzes. Seit dem 1. Juli 2025 gilt auf dem gesamten Netz ein verschärftes Rauch- und Vape-Verbot. Wer gegen das Verbot verstößt, muss mit Bußgeldern von bis zu 250 € rechnen. Ziel ist nicht nur der Schutz vor Bränden, sondern auch die Rücksichtnahme auf andere Fahrgäste – und ein Signal für nachhaltigere Bahnnutzung.
Bereits seit Jahren gibt es zudem Klagen von Anwohnern, etwa in Wernigerode, die sich durch Rußemissionen der Dampflokomotiven belästigt fühlen. Zitat eines Anwohners: „Nach jeder Vorbeifahrt kann ich die Wäsche nochmal waschen – der schwarze Belag ist überall.“ Derartige Aussagen zeigen, dass nicht jeder die Romantik der Dampflok gleichermaßen genießt. In Zeiten gestiegener Umweltstandards geraten traditionelle Bahnbetriebe wie die HSB zunehmend in einen Zielkonflikt.
Kommunikation und Reaktionen: Kritik an der Transparenz
Während Fahrgäste in der Regel Verständnis für technische oder saisonale Ausfälle zeigen, wird die Kommunikationsstrategie der HSB von vielen Seiten kritisiert. Zwar ist das Unternehmen auf Instagram, Facebook und YouTube aktiv, jedoch fehlt es an direktem Beschwerdemanagement. Informationen zu SEV, Fahrplanänderungen oder Erstattungen kommen laut Forennutzern oft zu spät oder gar nicht.
So kommentierte ein Nutzer im Bimmelbahn-Forum: „Es sind derzeit nur vier Dampfloks aktiv. Das Management schweigt sich aus, und die Webseite ist unübersichtlich.“ Auch in den sozialen Medien seien laut Nutzerberichten Kommentare mit kritischen Fragen häufig unbeantwortet geblieben. Hier besteht offenbar Nachholbedarf im Kundenservice.
Fragen aus dem Netz – und was wirklich dahinter steckt
Viele Nutzer suchen online nach Antworten. Hier einige der meistgefragten Themen – kompakt erläutert:
- Warum fahren die Harzer Schmalspurbahnen im Juli 2025 eingeschränkt?
Wegen Personalmangels und technischer Engpässe werden Früh- und Spätverbindungen reduziert. SEV-Busse sollen aushelfen. - Welche Züge der Brockenbahn entfallen?
Zwei Dampfzugpaare entfallen. Dennoch ist der Brocken sechsmal täglich erreichbar. - Gibt es Schienenersatzverkehr?
Ja – hauptsächlich auf der Harzquerbahn und im Selketal, v. a. morgens und abends. - Welche Strecken sind konkret betroffen?
Neben der Brockenbahn und der Harzquerbahn betrifft es auch den Abschnitt Quedlinburg–Gernrode der Selketalbahn. - Warum fahren Dieselzüge?
Wegen fehlender Dampfloks und als Brandschutzmaßnahme bei Trockenheit.
Ausblick: Wie es weitergehen könnte
Die HSB steht exemplarisch für viele historische Bahnbetriebe in Deutschland: Sie vereint touristische Attraktion, regionale Infrastruktur und kulturelles Erbe – jedoch unter schwierigen betriebswirtschaftlichen und personellen Bedingungen. Die Einschränkungen im Juli 2025 sind dabei mehr als nur ein logistisches Problem. Sie sind Ausdruck einer Betriebsstruktur, die an Grenzen stößt.
Langfristige Strategien zur Mitarbeitergewinnung, stärkere Digitalisierung in der Fahrgastinformation und gezielter Fahrzeugersatz könnten helfen, das Netz robuster zu machen. Gleichzeitig braucht es mehr Transparenz gegenüber Fahrgästen und eine ehrliche Debatte über den Balanceakt zwischen Nostalgie, Sicherheit und Umweltschutz. Die Harzer Schmalspurbahnen bleiben ein Symbol – nicht nur für die Romantik der Eisenbahn, sondern auch für die Herausforderungen des öffentlichen Nahverkehrs im ländlichen Raum.