
Zerstörte Glastür am Eingangsbereich einer Schule – der Tatort wirkt verlassen, Glassplitter liegen verstreut. (Symbolbild – exemplarisch)
Eine Serie nächtlicher Einbrüche erschüttert derzeit mehrere Städte im südlichen Harz. Schulen, Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen wurden Ziel gezielter, teils brachialer Einbruchversuche. Die Täter hinterließen nicht nur Sachschäden, sondern auch Verunsicherung – bei Eltern, Kindern und pädagogischem Personal.
Angriffe auf die sichere Bildungswelt: Was ist passiert?
In der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2025 wurden im Landkreis Göttingen insgesamt sieben Einrichtungen das Ziel von Einbrüchen oder versuchten Einbrüchen. Die Orte: Herzberg, Osterode und Bad Lauterberg. Betroffen waren Schulen und eine Kindertagesstätte – zentrale Ankerpunkte des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Täter verschafften sich Zugang durch aufgehebelte Fenster und Türen, durchsuchten gezielt Lehrerzimmer, Büroräume und Sekretariate. Besonders brisant: In mehreren Fällen wurden komplette Tresore aus den Gebäuden entfernt.
Die Tatorte im Überblick
- Herzberg: Oberschule und Mahnteschule – Tresore mit Bargeld gestohlen
- Osterode: Kreismusikschule durchsucht, Grundschule Dreilinden – Werkzeug entwendet
- Bad Lauterberg: Kooperative Gesamtschule – Büroräume durchwühlt, Geldkassetten geleert
In zwei Fällen scheiterten die Täter offenbar an Sicherheitsmaßnahmen – dies zeigt: Der Einbruchsschutz in Bildungseinrichtungen ist uneinheitlich und vielfach lückenhaft.
Ein regionales Phänomen mit überregionaler Dimension
Die Einbrüche im Harz stehen nicht allein. Vergleichbare Serien wurden zuletzt auch in anderen Teilen Deutschlands registriert. In Nordrhein-Westfalen etwa stieg die Zahl der Einbrüche in Schulen 2023 auf über 850 Fälle. Besonders begehrt: digitale Endgeräte wie Laptops und Tablets sowie Bargeld aus Schulkassen oder Elternbeiträgen. In einer aufgedeckten Bande in NRW konnten Täter über 500.000 Euro Beute machen – bei einem Sachschaden von über 250.000 Euro. Auch in Braunlage im Harz wurden in den Wochen zuvor Einbrüche in eine Kita und eine Gaststätte gemeldet. Die Parallelen sind offensichtlich.
Statistik: Einbruch in Schulen und Kitas
Bundesland | Anzahl Einbrüche 2023 | Schadenssumme |
---|---|---|
Nordrhein-Westfalen | 851 | über 1,2 Mio € |
Niedersachsen (geschätzt) | über 300 | nicht beziffert |
Damit wird deutlich: Bildungseinrichtungen sind längst ein Ziel krimineller Energie – nicht nur in urbanen Räumen, sondern auch in ländlich geprägten Regionen wie dem Harz.
Wer steckt hinter den Taten?
Die Polizeiinspektion Göttingen ermittelt wegen des Zusammenhangs der Taten. Der Modus Operandi – nächtliches Eindringen, gezielte Suche nach Wertsachen, Entfernen ganzer Tresore – deutet auf organisierte Strukturen hin. Gleichzeitig gibt es Hinweise, dass auch jugendliche Tätergruppen oder Einzeltäter in anderen Regionen aktiv waren. So dokumentiert ein Fall aus Danndorf bei Helmstedt, wie zwei Kinder in eine Kita eindrangen, Tiere töteten und das Gebäude verwüsteten. Solche Taten unterscheiden sich zwar im Motiv, werfen aber ein neues Licht auf die Frage, wie verletzlich Bildungseinrichtungen geworden sind.
Verletztes Vertrauen: Wenn Bildungsorte nicht mehr sicher sind
Einbrüche in Schulen und Kitas sind nicht nur ein finanzieller Schaden. Sie betreffen das Sicherheitsgefühl ganzer Gemeinschaften. In Foren und sozialen Medien diskutieren Eltern darüber, ob und wann sie von Kita-Leitungen informiert werden müssten. Die Meinungen gehen auseinander:
„Wir durften das aus der Zeitung erfahren… Am Montag, als die Kids gebracht wurden, wurde kein Ton gesagt.“
„Man sollte nur informiert werden, falls Kinderbereiche betroffen sind.“
Diese Zitate aus einem Elternforum zeigen, wie sensibel das Thema mittlerweile geworden ist. Transparenz gegenüber Eltern wird zunehmend eingefordert. Gleichzeitig herrscht Unsicherheit darüber, welche Vorfälle mitgeteilt werden sollten – und welche nicht.
Sicherheitslücken und Präventionsstrategien
Viele Bildungseinrichtungen sind in älteren Gebäuden untergebracht – mit entsprechendem Sanierungsbedarf und unzureichender Sicherheitstechnik. Häufig fehlt es an:
- Einbruchhemmenden Türen und Fenstern
- Alarmanlagen mit Bewegungsmeldern
- Videoüberwachung im Außenbereich
- Einheitlichen Sicherheitskonzepten für Ferienzeiten
Polizeiliche Beratungsdienste empfehlen deshalb einfache, aber wirksame Maßnahmen:
Empfohlene Präventionsmaßnahmen
- Montage geprüfter Sicherheitsbeschläge (nach DIN EN 1627)
- Installation von Zeitschaltuhren für Licht und Alarmanlagen
- Schulungen für Personal zum Verhalten bei Einbruchgefahr
- Verstärkte Zusammenarbeit mit Nachbarschaft und Polizei
In einigen Bundesländern, darunter Sachsen, wurden spezielle Ermittlungsgruppen wie „Riegel“ gegründet, die sich auf Serieneinbrüche fokussieren. Solche Strukturen fehlen jedoch noch flächendeckend.
Psychosoziale Folgen für Kinder und Personal
Während sich Medienberichte oft auf die materiellen Schäden konzentrieren, wird der psychische Effekt auf Kinder und pädagogisches Personal häufig unterschätzt. Schon das Wissen, dass „Einbrecher in der Schule“ waren, kann Ängste hervorrufen. Pädagog:innen berichten, dass jüngere Kinder nach Einbrüchen Fragen stellen wie:
„Kommt der Einbrecher wieder, wenn wir schlafen?“
„Warum hat jemand unsere Schule kaputt gemacht?“
Hier sind nicht nur Aufarbeitung und Kommunikation gefragt, sondern auch psychologische Begleitung. Experten empfehlen, das Thema im Rahmen altersgerechter Gespräche aufzugreifen – ohne zu dramatisieren, aber mit offener Haltung. Gleichzeitig sehen sich viele Einrichtungen mit Überlastung konfrontiert und wünschen sich externe Unterstützung.
Kommunikation in der Krise: Zwischen Informationspflicht und Angst
Ein weiterer Aspekt betrifft die Öffentlichkeitsarbeit. Nicht jede Kita oder Schule informiert die Eltern zeitnah über Einbrüche. Manchmal aus Angst vor Panik, manchmal aus Unsicherheit über die rechtliche Lage. Fakt ist: Es gibt keine bundeseinheitliche Regelung, die eine Benachrichtigung bei Einbrüchen vorschreibt. Das führt zu Unsicherheit auf beiden Seiten – bei Trägern wie bei Familien.
Einige Einrichtungen gehen offensiv mit dem Thema um, veranstalten Elternabende, lassen die Polizei sprechen oder senden Protokolle per Mail. Andere wiederum verweisen auf Datenschutz und laufende Ermittlungen. Es wird deutlich: Hier besteht Handlungsbedarf für mehr Klarheit und verbindliche Kommunikationsstandards.
Ein Thema für die Politik
Die aktuelle Einbruchswelle macht sichtbar, was lange unter der Oberfläche schwelt: Die Sicherheitsarchitektur von Bildungseinrichtungen ist vielerorts veraltet. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen. Digitalisierung führt zu hochwertiger Technik, steigende Kinderzahlen zu größeren Anlagen. Die Politik ist gefordert, gezielt zu investieren – in Schutz, Aufklärung und Prävention.
Dabei geht es nicht nur um Geld. Es braucht auch Konzepte, die alle Akteure einbinden: Kommunen, Träger, Polizei, Eltern und Kinder. Denn Bildungseinrichtungen sind keine Inseln. Sie sind Teil der Gesellschaft – und damit auch Teil ihrer Verantwortung.
Zum Schluss
Die Einbrüche im Harz sind mehr als eine regionale Meldung. Sie sind Ausdruck eines Problems, das in seiner Tiefe weit über gestohlene Tresore hinausgeht. Wenn Kinder sich in ihren Schulen nicht mehr sicher fühlen, wenn Lehrkräfte morgens mit dem mulmigen Gefühl das Gebäude betreten, ob wieder eingebrochen wurde, dann hat das Folgen. Es geht um Vertrauen, um Schutzräume und um das Fundament unserer Bildungsgesellschaft.
Es bleibt zu hoffen, dass die Täter gefasst werden. Noch wichtiger aber ist, dass die Gesellschaft erkennt, wie wertvoll und verletzlich unsere Bildungsorte sind – und endlich beginnt, sie auch konsequent zu schützen.