
Der Harz zählt zu den artenreichsten Regionen Deutschlands, wenn es um Fledermäuse geht – mit über 20 dokumentierten Arten, darunter Rückkehrer wie die Mopsfledermaus. Doch viele dieser Tiere sind bedroht. Der Landkreis Harz setzt daher auf gezielte Schutzmaßnahmen, Winterquartierpflege und die Einbindung der Bevölkerung. Ein Blick in ein bemerkenswertes Naturschutzprojekt.
Ein Hotspot der Artenvielfalt im Norden
Die Mittelgebirgsregion Harz weist eine außerordentliche biologische Vielfalt auf – insbesondere für Fledermäuse. Zwischen ehemaligen Bergbaustollen, weitläufigen Laubwäldern und naturbelassenen Bachtälern finden sich optimale Lebensräume. Insgesamt konnten in den vergangenen Jahren bis zu 21 Fledermausarten im Harz nachgewiesen werden – ein Spitzenwert für Deutschland. Besonders bedeutsam: Viele dieser Arten gelten als gefährdet, einige galten sogar zeitweise als verschwunden.
Rückkehrer im Revier: Die Mopsfledermaus kehrt heim
Ein Paradebeispiel für den Erfolg lokaler Naturschutzmaßnahmen ist die Rückkehr der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus). Diese scheue Art galt im Harz lange als verschollen, wurde jedoch seit 2005 wiederholt nachgewiesen. Sie nutzt Spaltenquartiere in stehenden Totholzbäumen und reagiert äußerst sensibel auf Veränderungen in ihrem Lebensraum. Ihr Auftreten gilt daher als Indikator für intakte, naturnahe Wälder.
Welche Fledermausarten kehren in den Harz zurück?
Neben der Mopsfledermaus wurden auch Arten wie die Bechsteinfledermaus, das Braune Langohr und das Große Mausohr wieder häufiger beobachtet – teils als saisonale Gäste, teils als Rückkehrer mit festen Quartieren.
Winterruhe in alten Stollen und Bunkern
Für viele Fledermäuse ist der Winter eine Zeit der Energieeinsparung. Sie halten Winterschlaf in feuchten, frostfreien Umgebungen mit stabilen Temperaturen. Der Harz bietet dafür ideale Bedingungen – insbesondere durch seine zahlreichen stillgelegten Bergwerksstollen, Höhlen und Tunnelanlagen. Diese künstlichen und natürlichen Strukturen wurden in den letzten Jahren gezielt ertüchtigt, um den Tieren optimale Rückzugsräume zu sichern.
Schutz durch Technik: Mikroklima statt Menschenandrang
„Die größte Bedrohung für Fledermäuse im Winter ist der Mensch“, erklären regionale Naturschutzbeauftragte. Immer mehr Menschen dringen als sogenannte Lost-Place-Entdecker oder Hobbyfotografen in unterirdische Strukturen ein. Das stört nicht nur das Mikroklima, sondern kann auch den Winterschlaf der Tiere empfindlich unterbrechen – was sie mitunter das Leben kostet.
Um dies zu verhindern, wurden in mehreren Stollen technische Mundlochverschlüsse installiert. Diese ermöglichen den Fledermäusen freien Zugang, verhindern jedoch das Betreten durch Menschen. Außerdem tragen sie dazu bei, das stabile Mikroklima im Inneren zu bewahren – eine Grundvoraussetzung für das Überleben der Tiere.
Wie werden Fledermäuse im Harz vor Störungen geschützt?
Neben Mundlochverschlüssen kommen auch doppelte Mauerwerke und Zugangsgitter zum Einsatz. Zusätzlich wird in der Umgebung von Quartieren auf forstliche Eingriffe verzichtet, um Ruhestörungen zu minimieren.
Naturschutzarbeit im Detail: Projekte, Monitoring und Zusammenarbeit
Im Landkreis Harz wird Artenschutz großgeschrieben. Verschiedene Akteure arbeiten Hand in Hand: von den Landesforsten über Landschaftspflegeverbände bis hin zu ehrenamtlichen Regionalbetreuern und Bildungsinstitutionen. In Altenau etwa wird der sogenannte Hoffnungsstollen regelmäßig freigeräumt und entwässert, um ihn als Winterquartier attraktiv zu halten. Dabei kommt gezielte Handarbeit zum Einsatz, um das empfindliche Ökosystem nicht zu stören.
Die Rolle der Bürger und Ehrenamtlichen
Ein bemerkenswerter Beitrag kommt aus der Zivilgesellschaft: In sozialen Netzwerken wie Facebook tauschen sich Gruppen wie „Fledermaus Freunde“ über Beobachtungen, Quartierpflege und Erste Hilfe bei verletzten Tieren aus. Auch werden über diese Kanäle immer wieder Hinweise auf neue, bislang unbekannte Quartiere gesammelt – teilweise durch Hobbyforscher oder sogenannte „Urban Explorer“, die verlassene Gebäude dokumentieren.
Warum überwintern Fledermäuse im Harz?
Die Region bietet viele frostfreie, luftfeuchte Räume mit konstanter Temperatur – ideale Bedingungen für den Winterschlaf. Die vorhandene Infrastruktur aus Stollen, Höhlen und stillgelegten Anlagen macht den Harz besonders attraktiv für die Tiere.
Natürliche Vielfalt und neue Lebensräume
Ein häufig unterschätzter Faktor im Artenschutz ist der Zusammenhang zwischen Waldzustand und Quartierangebot. Während das Borkenkäfer-Problem für die Forstwirtschaft eine Herausforderung darstellt, entstehen durch das vermehrte Totholz neue Lebensräume für Baumhöhlen- und Spaltenbewohner. Fledermausarten wie die Mops- oder Bechsteinfledermaus profitieren davon, dass mehr abgestorbene, aber stehende Bäume im Wald verbleiben.
Welche Bedeutung haben Borkenkäfer und Totholz für Fledermäuse im Harz?
Stehendes Totholz bietet zahlreiche Spalten und Hohlräume. Diese dienen als Tagesquartiere, Wochenstuben oder Sommerquartiere für viele Fledermausarten. Auch Höhlen von Spechten werden sekundär genutzt.
Quartiere in der Peripherie: Lost Places als Lebensraum
In einer verlassenen Kaserne bei Gernrode wurde kürzlich ein bisher unbekanntes Winterquartier entdeckt – mit über 240 Mückenfledermäusen und mehreren Bartfledermäusen. Diese Entdeckung stammt nicht etwa aus einer offiziellen Kartierung, sondern wurde durch eine Community von Urban Explorern gemacht. Das zeigt: Auch jenseits klassischer Schutzgebiete können wertvolle Lebensräume bestehen.
In Folge dieses Fundes wurde die Anlage mit Unterstützung lokaler Behörden temporär abgesichert und das Vorkommen dokumentiert. Diese Art der bürgerschaftlichen Zusammenarbeit stellt ein enormes Potenzial für den Naturschutz dar – sofern sie koordiniert und verantwortungsbewusst erfolgt.
Wissenschaft und Monitoring: Datengrundlage für Entscheidungen
Der Schutz von Fledermäusen im Harz erfolgt nicht im Blindflug. Eine Vielzahl von Studien, Beobachtungen und Monitoringprojekten liefert belastbare Daten. So existieren in Sachsen-Anhalt inzwischen über 200.000 Datensätze zu Fledermausvorkommen. Diese stammen aus FFH-Berichten, ehrenamtlichen Kartierungen, Beringungen und wissenschaftlichen Studien.
Auch die Kompetenzstelle Fledermausschutz im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz spielt eine zentrale Rolle: Sie koordiniert Schutzmaßnahmen, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und bietet Beratungen für Bürger, Behörden und Bildungseinrichtungen an.
Fledermäuse erleben: Bildung und Begegnung
Im Nationalparkhaus Sankt Andreasberg befindet sich mit dem „FledermausReich“ eine einzigartige Ausstellung, die Lebensweise, Bedrohung und Schutz dieser Tiere anschaulich vermittelt. Besucher können dort akustisch mit Ultraschalldetektoren arbeiten, interaktive Modelle nutzen oder an geführten Exkursionen teilnehmen – oft in der Dämmerung, wenn die Tiere aktiv werden.
Gibt es Fledermausführungen oder Ausstellungen im Harz?
Ja, vor allem im Nationalparkhaus Sankt Andreasberg. Dort finden regelmäßig Exkursionen, Projekttage und Vorträge statt – besonders für Familien und Schulklassen.
Was jeder beitragen kann
Fledermausschutz beginnt nicht im Wald, sondern oft im eigenen Garten. Kleine Maßnahmen wie das Anbringen von Fledermauskästen, der Erhalt alter Bäume oder der Verzicht auf grelles Außenlicht helfen schon enorm. In Wohnhäusern können spezielle Fensterlüfter oder offene Dachböden zur Unterkunft für Zwergfledermäuse werden.
- Fledermauskästen an schattigen Hauswänden oder Bäumen anbringen
- Verzicht auf Biozide und Insektizide im Garten
- Beleuchtung reduzieren oder gezielt abschirmen
- Wiesen nicht vollständig mähen – Insektenvielfalt fördern
Wie viele Fledermausarten gibt es im Harz?
Bis zu 21 Arten, darunter bedrohte wie Bechsteinfledermaus, Mopsfledermaus, Braunes Langohr, Zwergfledermaus, Teichfledermaus, Wasserfledermaus, Bartfledermaus und Großes Mausohr.
Ein Modell für andere Regionen
Der Harz zeigt eindrucksvoll, wie regionaler Artenschutz gelingen kann – durch ein Zusammenspiel von engagierten Bürgern, Behörden, Wissenschaft und Ehrenamt. Mit technischen Mitteln, naturnaher Waldbewirtschaftung, Datenanalyse und Umweltbildung entsteht ein Schutzsystem, das nicht nur Fledermäusen zugutekommt, sondern auch das Bewusstsein für Biodiversität stärkt.
Gerade in Zeiten ökologischer Umbrüche und Klimaveränderungen ist die Rückkehr sensibler Arten wie der Mopsfledermaus ein ermutigendes Zeichen: Wenn die richtigen Maßnahmen getroffen werden, kann verlorene Vielfalt zurückkehren – nicht nur im Harz, sondern überall.