
Wernigerode, 16. Juni 2025, 21:00 Uhr
Der Harz zeigt sich an diesem Juni-Wochenende nicht nur von seiner landschaftlich reizvollen Seite, sondern auch traditionsbewusst, lebendig und gesellig. Zahlreiche Orte in der Region laden zum Schützenfest ein – ein kulturelles Ereignis mit jahrhundertealter Geschichte, eingebettet in moderne Volksfestatmosphäre. Zwischen Musik, Umzügen, Wettbewerben und Bierzelten liegt eine reiche Vielfalt, die Einheimische wie Touristen gleichermaßen begeistert.
Was ist los am Wochenende? – Ein Überblick
Das dritte Juni-Wochenende markiert in vielen Harzgemeinden den Höhepunkt der Schützenfestsaison. In Benzingerode, einem Ortsteil von Wernigerode, läuft das Fest vom 20. bis 23. Juni. Hier stehen traditionelle Paraden, das Königsschießen und ein vielfältiges Familienprogramm auf dem Plan. Weitere Orte wie Stapelburg und Benneckenstein bereiten sich ebenfalls auf ihr Schützenfest vor, das im Verlauf der nächsten Woche beginnt.
In Herzberg am Harz hingegen neigt sich das große Volks- und Schützenfest, das über mehrere Tage hinweg gefeiert wurde, seinem Ende zu. Bereits seit dem 5. Juni verwandelte sich der Ort in ein Zentrum des traditionellen Feierns mit Festzelten, Musik und dem beliebten Königinnenschießen.
Die aktuellen Termine im Überblick:
Ort | Datum | Highlights |
---|---|---|
Benzingerode | 20.–23. Juni | Paraden, Festzelt, Musik, Königsschießen |
Stapelburg | 26.–29. Juni | Musik, Zeltbetrieb, Kinderprogramm |
Benneckenstein | 27.–28. Juni | Abendveranstaltung, Festumzug |
Tettenborn (Bad Sachsa) | 29. Juni | Gottesdienst, Festfrühstück, Umzug |
Mehr als Bier und Büchsen: Die kulturelle Tiefe der Feste
Schützenfeste sind weit mehr als eine Gelegenheit zum gemütlichen Beisammensein. Sie tragen eine tief verwurzelte kulturelle Bedeutung in sich. In Orten wie Benzingerode verschmilzt die Feiertradition mit archäologischer und historischer Substanz. Der höchste Menhir Norddeutschlands steht dort als stummer Zeitzeuge einer prähistorischen Kultstätte. Sagen über Riesen und Bauernmädchen ranken sich um diesen Stein – ein Symbol für die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart.
Ebenso bedeutsam ist die Entdeckung einer jungsteinzeitlichen Totenhütte in der Region, die durch genetische Analysen Einblick in die sozialen Strukturen der Bernburger Kultur (ca. 3100–2900 v. Chr.) gibt. Hier wurde die matrilineare Weitergabe von Lebensraum und Verantwortung nachgewiesen – ein spannender Kontrast zu den oft männlich dominierten Strukturen moderner Schützenvereine.
Stimmen aus der Region: Gemeinschaft im Mittelpunkt
Bei einem kürzlich abgehaltenen Fest im nördlichen Harz beschrieb ein Besucher die Atmosphäre so: „Das Schützenfest ist für uns der Höhepunkt des Jahres – hier trifft sich das ganze Dorf, vom ältesten Mitglied bis zum jüngsten Schulkind.“ Selbst ein plötzlicher Regenschauer konnte der ausgelassenen Stimmung nichts anhaben. Die Gemeinschaft zählt – ein Leitmotiv, das sich durch alle Feste zieht.
Parallele Veranstaltungen als Ergänzung
Wer sich am Wochenende nicht allein mit Marschmusik und Festumzügen begnügen möchte, findet im Harz zahlreiche weitere Veranstaltungen. In Wernigerode findet zeitgleich das Rathausfest statt, in Drübeck das Klosterfest mit spirituellen und musikalischen Programmpunkten. Clausthal-Zellerfeld veranstaltet ein Stadtfest mit Livemusik, regionalem Handwerk und Kinderanimation. In Bad Gandersheim wird die Fête de la Musique gefeiert, ein internationaler Musiktag mit Konzerten auf offenen Plätzen.
Diese Vielfalt macht es möglich, ein ganz individuelles Festwochenende zu gestalten – mit der Freiheit, Tradition und Moderne zu kombinieren.
Tourismus im Harz: Feiern inmitten einer Boom-Region
Die Beliebtheit der Harzregion als Reiseziel steigt kontinuierlich. Der Harzer Tourismusverband zählte im Jahr 2023 über 8,1 Millionen Übernachtungen und fast 38 Millionen Tagesgäste. Dies zeigt die hohe Attraktivität der Region – nicht nur für Wanderer und Kulturinteressierte, sondern auch für Festliebhaber.
Internationale Reiseblogs wie „Cali Globetrotter“ oder Reiseführerportale wie „Discover Germany“ empfehlen den Harz regelmäßig als „Geheimtipp für Wochenendausflüge“. Die Nähe zu historischen Fachwerkstädten, UNESCO-Welterbestätten und Naturwundern wie dem Brocken oder den Rappbodetalsperren ergänzt das kulturelle Angebot ideal.
Zwischen Feier und Verantwortung: Kritik und Perspektiven
So bunt und fröhlich sich die Feierkultur im Harz präsentiert, bleibt dennoch Raum für kritische Betrachtung. Insbesondere der Umgang mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts wirft Fragen auf. In offiziellen Chroniken und Präsentationen des Harzer Tourismusverbandes fehlt oftmals die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit – obwohl zahlreiche Orte während des Zweiten Weltkriegs als Standorte von Zwangsarbeitslagern oder Rüstungsbetrieben dienten.
Historiker fordern seit Jahren, diese Kapitel nicht zu verdrängen, sondern aktiv in die touristische und kulturelle Identität zu integrieren. Ein bewussteres Erinnern könnte auch innerhalb der Schützenvereine stattfinden, die häufig auf eine lange, auch durch problematische Phasen geprägte Geschichte zurückblicken.
Naturschutz und Nachhaltigkeit als neuer Trend
Parallel zur kulturellen Bewegung verstärken sich im Harz auch ökologische Initiativen. Die Rückkehr des Schwarzstorches, die Wiederansiedlung der Wildkatze und der Schutz seltener Libellenarten zeigen: Der Harz bleibt nicht nur ein Festort, sondern auch ein ökologisch wertvolles Rückzugsgebiet.
Der Tourismusverband fördert mit interaktiven Formaten wie der „Brockenbande“ – einem Podcast für Kinder – das Umweltbewusstsein von Familien und Kindern. Rätselpfade und „stille Zonen“ in Naturschutzgebieten sollen helfen, nachhaltigen Tourismus mit Bildungsauftrag zu verbinden.
Zwischen Blasmusik und Brockenblick
Das Schützenfest-Wochenende im Harz bietet mehr als nur Unterhaltung. Es ist ein Spiegelbild einer vielfältigen Region, in der Brauchtum, Geschichte, Natur und Zukunft miteinander verknüpft sind. Ob in Benzingerode, Herzberg oder Benneckenstein – überall begegnet man Menschen, die ihre Tradition leben und zugleich offen sind für neue Formen des Miteinanders.
Wer also an diesem Wochenende unterwegs ist, kann nicht nur feiern, sondern auch verstehen, entdecken und hinterfragen. Denn der Harz zeigt: Ein Fest kann mehr sein als Musik und Bier – es kann eine ganze Region erzählen.