
Quedlinburg, 16. Juni 2025, 06:00 Uhr
Bild exemplarisch
Das neue Freibad in Quedlinburg ist nicht nur ein architektonisches Highlight der Region, sondern auch ein Musterbeispiel für klimafreundliche Technik und durchdachte Energieversorgung. Statt wie ursprünglich geplant auf ein konventionelles Blockheizkraftwerk mit Erdgas zu setzen, entschieden sich die Stadtwerke Quedlinburg für ein vollständig regeneratives Heizsystem. Seit April 2025 ist das Freibad in Betrieb – deutlich früher als viele vergleichbare Einrichtungen in Deutschland. Möglich macht das eine moderne Kombination aus Photovoltaik-Thermie-Kollektoren (PVT), Wärmepumpen und intelligenter Steuerung.
Ein Leuchtturmprojekt für Sachsen-Anhalt
Das Vorhaben wird bereits als Vorzeigebeispiel für nachhaltige Infrastrukturprojekte in Sachsen-Anhalt gehandelt. Das Landesministerium für Wissenschaft, Energie und Umwelt bezeichnete die Anlage als Leuchtturmprojekt mit Modellcharakter für die gesamte Region. Das Ziel: klimafreundlicher Badebetrieb bei wirtschaftlich tragfähiger Technik.
Mit rund 1,3 Millionen Euro Investitionskosten fiel das Heizsystem zwar teurer aus als ein fossil betriebenes Pendant, doch die langfristigen Betriebskosten sind durch den Einsatz erneuerbarer Energien erheblich geringer. Darüber hinaus leistet die Anlage einen messbaren Beitrag zur regionalen Klimabilanz.
Die technische Grundlage: Solarenergie, Wärmepumpen und clevere Steuerung
Die Heizanlage des Freibads basiert auf einem modularen und intelligent gesteuerten Energie-Mix:
- 120 PVT-Kollektoren auf dem Dach, die gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen
- 2 Sole-Wasser-Wärmepumpen mit je 36 kW Heizleistung
- 7 Luft-Wasser-Wärmepumpen als Backup mit je 22 kW Leistung
- Parabel MAXX Energiemanager zur automatisierten Regelung und Optimierung
Die Kombination aus Solarenergie und Wärmepumpentechnologie erlaubt es, das Freibad von April bis Oktober durchgehend mit angenehmen Wassertemperaturen zwischen 23 und 26 Grad Celsius zu versorgen – auch bei kühleren Nächten. In der Praxis bedeutet das für Badegäste: Saisonstart im Frühling, konstante Badetemperaturen und ein gutes Gewissen.
Was macht PVT-Kollektoren so besonders?
Im Gegensatz zu klassischen Solarpaneelen oder thermischen Kollektoren vereinen PVT-Module beide Prinzipien. Sie erzeugen einerseits Strom durch Photovoltaik und andererseits Wärme für den Poolbetrieb. Die gleichzeitige Nutzung beider Effekte erhöht die Flächeneffizienz signifikant – ein wichtiger Punkt für städtische Bauprojekte mit begrenztem Raum.
In Quedlinburg übernehmen die PVT-Kollektoren die Hauptlast der Energieversorgung während der Sommermonate. Nur bei besonders kalten Tagen oder erhöhtem Wärmebedarf springen die Wärmepumpen unterstützend ein. Laut Angaben der Stadtwerke konnte an mehreren Frühlingstagen sogar komplett auf den Wärmepumpenbetrieb verzichtet werden – die Kollektoren lieferten ausreichend Wärmeenergie.
Nachhaltigkeit, die spürbar ist
Für die Besucherinnen und Besucher des Bads zeigt sich der Erfolg der Technik nicht nur im angenehmen Wassergefühl, sondern auch im Bewusstsein, Teil eines ökologischen Projekts zu sein. Die Wärmeversorgung basiert zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien – ein Alleinstellungsmerkmal in der Region.
„Wir wollten zeigen, dass ökologischer Betrieb auch wirtschaftlich tragfähig ist – und das Freibad als Ort der Erholung und Zukunftsorientierung begreifen“.
Dieser Anspruch spiegelt sich nicht nur im technischen Aufbau wider, sondern auch in der Kommunikation. Bereits während der Bauzeit wurden Bürgerinnen und Bürger in Veranstaltungen und Informationskampagnen eingebunden. Das Ergebnis ist ein hohes Maß an Akzeptanz und Identifikation mit dem Projekt.
Was sagen andere Regionen und internationale Fachstellen?
Vergleichbare Anlagen werden aktuell auch in anderen europäischen Ländern erprobt. In Großbritannien etwa setzt die Stadt Bristol auf CO₂-basierte Wärmepumpen zur Beheizung von Freibädern. Auch in Norwegen läuft ein Modellprojekt mit saisonalen Speichern und Solarthermie für Outdoor-Sportanlagen.
Internationale Studien zeigen, dass Wärmepumpensysteme – vor allem bei Kombination mit intelligenter Steuerung – hohe Wirkungsgrade (COP von 4 bis 6 und mehr) erzielen können. Besonders die Integration mit PVT-Modulen gilt als zukunftsfähig. In Deutschland allerdings ist der flächendeckende Einsatz solcher Technologien noch selten. Umso bedeutender ist das Quedlinburger Beispiel als konkreter Umsetzungserfolg.
Technische Effizienz in Zahlen
Komponente | Leistung | Nutzung |
---|---|---|
PVT-Kollektoren | 120 Module | Strom & Wärme (Hauptbetrieb) |
Sole-Wasser-Wärmepumpen | 2 x 36 kW | Basiswärmeversorgung |
Luft-Wasser-Wärmepumpen | 7 x 22 kW | Backup & Spitzenlast |
Parabel MAXX Manager | Intelligent | Optimierte Steuerung |
Was fehlt noch? Ein Blick auf blinde Flecken
So überzeugend die Technik und die Philosophie des Projekts wirken – es gibt auch noch offene Fragen:
- Wie verhalten sich die Betriebskosten über mehrere Jahre hinweg?
- Wie robust sind die PVT-Kollektoren bei Harzer Wetterlagen über 20+ Jahre?
- Welche CO₂-Einsparungen lassen sich tatsächlich nachweisen – bezogen auf kWh?
- Ist die Integration von Speichern (z. B. PCM oder Wassertanks) für eine längere Saisonausdehnung denkbar?
Bisher liegen zu diesen Fragen nur interne Betriebsdaten vor. Eine unabhängige wissenschaftliche Begleitung des Projekts, wie sie in Skandinavien üblich ist, gibt es bisher nicht. Dabei wäre gerade das ein Schlüssel, um die Modellhaftigkeit des Projekts weiter zu validieren.
Potential für Weiterentwicklung
Auf Basis internationaler Erfahrungen und technischer Entwicklungen könnte das Freibad Quedlinburg künftig zusätzliche Optimierungsschritte unternehmen:
- Künstliche Intelligenz zur prädiktiven Steuerung je nach Wetterlage und Besuchsfrequenz
- Saisonale Wärmespeicher (z. B. mit Phasenwechselmaterialien) zur Glättung von Temperaturspitzen
- Abwärmenutzung durch nahegelegene Betriebe oder kommunale Einrichtungen
All diese Optionen könnten den ökologischen Fußabdruck weiter reduzieren und das Modell auch für größere Städte oder andere klimatische Bedingungen tauglich machen.
Fazit: Ein mutiger Schritt in eine klimafreundliche Bäderzukunft
Das neue Freibad Quedlinburg zeigt eindrucksvoll, wie moderne Technik, politische Weitsicht und bürgernahe Kommunikation zu einem Vorzeigeprojekt werden können. Die Anlage funktioniert effizient, ist vollständig regenerativ betrieben und bietet hohen Komfort für Besucherinnen und Besucher.
Auch wenn noch einige Daten zur Langzeitwirkung fehlen und Verbesserungen denkbar sind: Schon heute ist klar, dass der mutige Schritt weg von fossilen Energien hin zu intelligenter Kombination aus Solar und Wärmepumpen richtig war – ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich.
Das Freibad Quedlinburg ist damit nicht nur ein Ort zum Schwimmen, sondern auch ein Symbol für die Energiewende im Alltag.