
Wernigerode
Im Landkreis Harz ruft die Untere Wasserbehörde Bürgerinnen und Bürger zum bewussten und sparsamen Umgang mit Wasser auf. Hintergrund sind die anhaltende Trockenheit, sinkende Pegelstände und wachsende Belastungen in der Region. Der Aufruf ist Teil einer Präventionsstrategie, die einem drohenden Wasserentnahmeverbot wie im Sommer 2022 vorbeugen soll. Doch nicht nur Behörden sind alarmiert – auch Umweltschützer, Wissenschaftler und Bürger sehen zunehmende Probleme.
Wetterextreme setzen Gewässern zu
Seit Anfang des Jahres ist der Landkreis Harz von einer ungewöhnlich langen Trockenperiode betroffen. Der Niederschlag liegt deutlich unter dem Durchschnitt der letzten Jahre. An elf von zwanzig Beobachtungspunkten der Region wurde der mittlere Niedrigwasserdurchfluss bereits unterschritten. Besonders kritisch sind die Wasserstände in kleinen Fließgewässern sowie in den regionalen Talsperren.
Die Rappbode-, Innerste- und Zillierbachtalsperren verzeichnen zum Teil Füllstände von unter 65 Prozent. Damit fehlen wichtige Wasserreserven für die Sommermonate – ein Zustand, der sich mit Blick auf das erwartete Wetter weiter verschärfen könnte. Die Behörden beobachten die Entwicklung genau und prüfen regelmäßig, ob gesetzliche Einschränkungen notwendig werden.
Konkrete Empfehlungen an die Bevölkerung
Um einem weiteren Absinken der Wasserstände entgegenzuwirken, appelliert die Untere Wasserbehörde an die Bürger, ihren Wasserverbrauch aktiv zu reduzieren. Die Empfehlungen lauten unter anderem:
- Swimmingpools sollen nur einmal pro Saison befüllt werden.
- Gartenbewässerung möglichst nur in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden durchführen.
- Effiziente Bewässerungssysteme wie Tropfschläuche statt Rasensprenger verwenden.
„Es geht nicht um Panikmache, sondern um Verantwortungsbewusstsein“, heißt es von der Behörde. Man wolle vermeiden, dass es erneut – wie im Sommer 2022 – zu einem vollständigen Entnahmeverbot aus Oberflächengewässern komme. Damals galt ein solches Verbot von Juli bis Ende September.
Wasserqualität privater Brunnen unter der Lupe
Während die Diskussion vor allem die Wassermenge betrifft, gerät ein weiterer Aspekt zunehmend in den Fokus: die Qualität des Wassers aus privaten Brunnen. Laut aktuellen Analysen sind rund 39 Prozent der untersuchten Privatbrunnen im Landkreis Harz mit Nitratwerten über dem gesetzlichen Grenzwert belastet. Zudem wurden in über 26 Prozent coliforme Keime nachgewiesen. In Einzelfällen trat auch E. coli auf.
Damit ist klar: Auch wenn Wasser vorhanden ist, ist es nicht automatisch unbedenklich. Der Gebrauch von Brunnenwasser zur Gartenbewässerung erscheint weniger problematisch – zum Trinken oder Duschen jedoch sollte es zuvor aufbereitet oder analysiert werden. Die Belastung ist vor allem auf landwirtschaftliche Düngung und mangelhafte Brunneninfrastruktur zurückzuführen.
Industrienutzung: Konfliktpotenzial mit der öffentlichen Versorgung
Bisher gibt es im Landkreis Harz keine öffentlich bekannten Konflikte zwischen industrieller Nutzung und der allgemeinen Wasserversorgung. In anderen Regionen Deutschlands allerdings – etwa in der Altmark oder in Südniedersachsen – wurde diskutiert, ob Konzerne durch private Brunnenrechte das regionale Wasserangebot gefährden könnten.
Ein kritischer Punkt: Industrieanlagen unterliegen häufig anderen Regeln als private Haushalte. Entnahmeverbote für Oberflächenwasser gelten nicht immer automatisch für industrielle Entnahmen. Dies kann in Trockenzeiten als ungerecht empfunden werden – besonders wenn Bürger gleichzeitig zum Wassersparen aufgerufen werden.
Tradition trifft Gegenwart: Das Oberharzer Wasserregal
Ein historischer Ansatz, der heute wieder Bedeutung gewinnt, ist das sogenannte „Oberharzer Wasserregal“. Dieses System wurde im 16. bis 19. Jahrhundert angelegt, um Gruben mit Energie aus Wasserkraft zu versorgen. Heute ist es UNESCO-Weltkulturerbe – und wurde 2018 erstmals als Notversorgung in die Trinkwasserstrategie einbezogen.
Das zeigt: Alte Infrastrukturen können moderne Krisen abfedern. Die Wiederinbetriebnahme solcher Systeme könnte – ähnlich wie Regenwassernutzung im Garten – Teil einer zukunftsorientierten Wasserstrategie sein.
Smarter sparen: Technische und psychologische Lösungen
Während Behörden auf Aufklärung setzen, zeigt die Wissenschaft: Verhaltenssteuerung durch digitale Technik kann funktionieren. Studien belegen, dass sogenannte „Nudging“-Techniken – kleine psychologische Anstöße – die Bereitschaft zum Wassersparen deutlich erhöhen können. So sank der Verbrauch in Feldversuchen um bis zu 18 Prozent, wenn Hinweise zur Wasserknappheit direkt an Nutzer kommuniziert wurden.
Auch smarte Hauslösungen bieten Potenzial: Das sogenannte WASD-System beispielsweise nutzt aufbereitetes Waschwasser für Toilettenspülungen und spart so pro Haushalt bis zu zehn Prozent des täglichen Wasserbedarfs ein.
Wald, Klima und Wasser – ein sensibles Gleichgewicht
Der Wassermangel betrifft nicht nur Menschen – auch die Natur leidet. Im Harz sterben Fichten großflächig ab, nicht nur wegen Borkenkäfern, sondern auch wegen Wassermangel. Harzproduktion, eine natürliche Abwehrreaktion der Bäume, ist nur bei ausreichender Wasserversorgung möglich.
Der Waldumbau hin zu klimaresistenten Mischwäldern wird deshalb auch als Wasserschutzmaßnahme verstanden. Tiefer wurzelnde Bäume können Wasser besser speichern und liefern langfristig stabile Feuchtigkeit für Böden und Mikroklima.
Wasserverbrauch im Überblick
Nutzergruppe | Durchschnittlicher Verbrauch (pro Tag) | Mögliche Einsparungen |
---|---|---|
Privathaushalt | 127 Liter/Person | Bis zu 30 % bei sparsamen Geräten |
Gartenbewässerung | 600–1000 Liter/Tag im Sommer | 50–70 % mit Tropfbewässerung |
Industrie | Variiert stark | Teilweise interne Kreisläufe |
Regionale Vorbilder und Handlungsspielräume
Andere Kreise wie Höxter oder der Altmarkkreis Salzwedel haben bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt. In Höxter gibt es umfangreiche Informationskampagnen zur Regenwassernutzung und sparsamen Gartenpflege. In Salzwedel wurden zeitlich befristete Entnahmeverbote verhängt – beispielsweise zwischen 10 und 19 Uhr für Brunnenbesitzer.
Der Landkreis Harz hingegen setzt bislang auf Freiwilligkeit. Experten empfehlen jedoch, den Dialog mit den Bürgern frühzeitig zu suchen – auch über digitale Plattformen, soziale Medien oder persönliche Beratung durch die Wasserbehörde.
Fazit: Zwischen Prävention und struktureller Anpassung
Die Wasserknappheit im Harz ist Ausdruck eines größeren Problems. Klimawandel, steigende Nutzung, veraltete Infrastrukturen und fehlende Verhaltensänderung treffen aufeinander. Der Appell der Behörden ist daher mehr als eine Momentaufnahme – er ist Mahnung und Chance zugleich.
„Wasser ist keine Selbstverständlichkeit mehr – das muss allen bewusst sein“, sagt ein Sprecher der Wasserbehörde. „Wir brauchen mehr Eigenverantwortung, aber auch strukturelle Unterstützung.“
Ob mit smarter Technik, historischen Systemen oder neuem Bewusstsein – der Umgang mit Wasser wird zu einer Schlüsselfrage für die Zukunft des Harzes. Der Moment zum Handeln ist jetzt.