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Harz | Ist die Brockenbahn nun eine Gefährdung für Harzer Wälder?

Die traditionsreiche Brockenbahn im Harz hat aufgrund der hohen Waldbrandgefahr ihren Fahrbetrieb auf Diesellokomotiven umgestellt. Die Maßnahme betrifft vor allem den Abschnitt zwischen Drei Annen Hohne und dem Gipfel des Brockens. Die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) reagiert damit auf die anhaltende Trockenheit und die erhöhte Waldbrandwarnstufe, die derzeit auf Stufe 4 von 5 liegt. Der Umstieg auf Diesel ist nicht nur eine sicherheitsrelevante Maßnahme – er steht auch exemplarisch für den Konflikt zwischen Tradition, Technik und dem Schutz der sensiblen Harzer Naturlandschaft.

Waldbrandgefahr zwingt zur schnellen Reaktion

Bereits in den vergangenen Jahren hatte die HSB Erfahrung mit Funkenflug als potenzieller Brandursache gesammelt. Besonders der Große Waldbrand am Brocken im Sommer 2022, bei dem rund 12 Hektar Fläche beschädigt wurden, hat die Betreiber wachgerüttelt. Die aktuelle Entscheidung zur Umstellung erfolgte mit dem Anstieg der Warnstufe auf 4. Ab diesem Schwellenwert gelten zusätzliche Brandschutzmaßnahmen als Pflicht. Für die HSB bedeutete das: Keine Fahrten mit kohlebefeuerten Dampfloks mehr auf den Brocken, stattdessen Dieselbetrieb als pragmatische Alternative.

Betroffener Streckenabschnitt und Betrieb

Die Maßnahme betrifft konkret den Abschnitt von Drei Annen Hohne bis Brocken. Dort kamen bisher täglich mehrere Dampfzüge zum Einsatz – ein touristisches Highlight für viele Besucher. Stattdessen übernehmen nun Diesellokomotiven der Baureihe 199 („Harzkamele“) den Betrieb. Die charakteristischen Maschinen bieten zwar keinen Rauch und keine Dampfwolken, aber eine zuverlässige und brandsichere Alternative.

Fahrplanänderungen und Einschränkungen für Touristen

Mit der Umstellung auf Dieselbetrieb geht auch eine Anpassung des Fahrplans einher. Einige Verbindungen, darunter die beliebten Züge 8925 und 8926, entfallen temporär. Die verbleibenden Fahrten sind reduziert und teilweise auf andere Tageszeiten verschoben. Touristen müssen sich auf eine veränderte Taktung einstellen. Die HSB veröffentlicht die aktuellen Fahrpläne regelmäßig auf ihrer Website und informiert auch an Bahnhöfen und Haltestellen.

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Verändertes Fahrerlebnis

Für viele Eisenbahnfreunde ist die Fahrt mit der Dampflok ein zentraler Bestandteil des Harzerlebnisses. Die Umstellung auf Diesel verändert das gewohnte Reisegefühl erheblich. Wo früher das rhythmische Stampfen der Dampfmaschine und der Geruch von Kohle dominierten, fahren nun dieseltreibende Maschinen ohne nostalgischen Flair. Für einige ist dies ein Verlust an Authentizität, für andere jedoch ein notwendiger Kompromiss im Sinne der Sicherheit.

„Es ist ein anderes Fahrgefühl. Natürlich fehlt der Dampf, aber ich bin froh, dass überhaupt Züge fahren und der Brocken nicht ganz vom Netz geht.“ – Fahrgast am Bahnhof Wernigerode

Hintergrund: Brandschutz und Technik

Die HSB hatte bereits vor Jahren technische Maßnahmen zum Brandschutz ergriffen. Dazu gehörten unter anderem Funkenfänger an den Schornsteinen, regelmäßige Streckenkontrollen und die Schulung des Personals. Doch bei erhöhter Warnstufe reichen diese Maßnahmen nicht mehr aus, da die Restgefahr durch Funkenflug weiterhin besteht. Die Dieselloks gelten als deutlich risikoärmer und lassen sich schneller einsetzen, ohne lange Aufheizzeiten.

Technik im Detail: Baureihe 199

Die Diesellokomotiven der Baureihe 199.8 wurden ursprünglich für Industriebahnen entwickelt, in den 1990er-Jahren jedoch für den Einsatz auf den Harzer Strecken umgebaut. Die sogenannten „Harzkamele“ verfügen über robuste Motoren, geringeren Funkenflug und eine hohe Traktion – ideal für die Steigungen auf den Brocken. Der Nachteil: Die Vibrationen im Fahrgastraum sind höher, und das charakteristische Dampferlebnis entfällt vollständig.

Naturschutz im Nationalpark Harz

Der Nationalpark Harz ist eine der sensibelsten Naturregionen Deutschlands. Er beherbergt seltene Tier- und Pflanzenarten, darunter Luchse, Wildkatzen und subalpine Moospflanzen. Brände wie der von 2022 oder die Dürresommer 2023 und 2024 haben bereits Spuren hinterlassen. Vor diesem Hintergrund sind vorbeugende Maßnahmen wie die Umstellung auf Dieselbetrieb nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.

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Waldbrandentwicklung im Harz (Auswahl):

Jahr Brandfläche (ha) Hauptursache
2022 12 Vermutlich Funkenflug
2023 5 Unklar, Trockenheit
2024 8 Blitzeinschlag, menschliches Fehlverhalten

Tradition und Wandel: Zwischen Romantik und Realität

Die Brockenbahn ist mehr als ein Fortbewegungsmittel – sie ist ein Symbol für die Verbindung von Technikgeschichte und Naturerlebnis. Doch der Klimawandel zwingt auch traditionelle Betriebe zum Umdenken. Die Umstellung auf Dieselbetrieb ist daher Teil eines größeren Wandels, der langfristig auch alternative Antriebsformen wie Leichtöl oder Wasserstoff in den Fokus rückt.

Langfristige Perspektiven: Leichtöl und Wasserstoff?

Die Betreiber denken inzwischen über andere Lösungen nach. Eine Möglichkeit ist der Umbau der Dampfloks auf Leichtölbetrieb, der das Dampfgefühl weitgehend erhält, aber deutlich weniger Funkenflug verursacht. Erste Studien und Testprojekte laufen. Wasserstoffbetrieb hingegen gilt aufgrund der Infrastruktur und Kosten derzeit als unwahrscheinlich, ist aber international – etwa in den Niederlanden und Indien – bereits in der Erprobung.

Politik und Finanzierung

Der Aufsichtsratsvorsitzende der HSB, Thomas Balcerowski, fordert seit langem finanzielle Unterstützung vom Land Sachsen-Anhalt und von der EU. Er sieht die Umstellung nicht nur als Sicherheitsmaßnahme, sondern auch als Chance, die Bahn langfristig klimagerecht umzubauen. Gleichzeitig warnt er davor, dass die Tradition der Dampflok verloren gehen könnte, wenn es keine gezielte Förderung für alternative Antriebe gibt.

„Die Zukunft der Brockenbahn liegt nicht im Stillstand, sondern im Wandel. Was wir brauchen, ist Technik mit Respekt vor der Geschichte.“ – Thomas Balcerowski

Fahrgastakzeptanz und touristische Wirkung

Für viele Gäste ist der Brocken ohne Dampf kaum vorstellbar. Trotzdem zeigt sich eine große Mehrheit verständnisvoll für die Maßnahme. In internen Umfragen der HSB äußerten sich über 70 % der Fahrgäste positiv über den Dieselbetrieb als temporäre Lösung. Als Wunsch wird jedoch eine hybride Lösung genannt: Dampfbetrieb in sicheren Jahreszeiten, Diesel oder Leichtöl in den Sommermonaten.

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Vorteile des Dieselbetriebs auf einen Blick:

  • Deutlich geringere Funkenfluggefahr
  • Kurze Einsatzbereitschaft ohne Vorheizen
  • Stabile Traktion auch bei Trockenheit
  • Reduzierte Betriebskosten im Vergleich zu Kohle

Zwischen Sicherheitslogik und Traditionsbewahrung

Die Umstellung der Brockenbahn auf Dieselbetrieb ist ein deutliches Signal an die Öffentlichkeit: Der Klimawandel macht selbst vor den traditionsreichsten Betrieben nicht Halt. Die Harzer Schmalspurbahnen setzen mit der Maßnahme ein Zeichen für verantwortungsvolles Handeln in Zeiten zunehmender Umweltgefahren. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Spagat zwischen Sicherheit, Tradition und technischer Innovation möglich ist – wenn politische Unterstützung, technische Weitsicht und Akzeptanz der Fahrgäste Hand in Hand gehen.

Ob die Brockenbahn in Zukunft wieder dauerhaft mit Dampf betrieben wird, hängt nicht nur vom Wetter ab, sondern vor allem von mutigen Entscheidungen für nachhaltige Technologien. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob der Dieselbetrieb ein vorübergehender Notnagel bleibt – oder der erste Schritt in eine neue Ära der Schmalspurbahnen im Harz.

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Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.