
Harz, 07. Juni 2025, 15:00 Uhr
Am heutigen Samstag wird bundesweit der Tag der Organspende begangen – ein Datum, das in Deutschland immer stärker ins öffentliche Bewusstsein rückt. Auch im Harz engagieren sich Kliniken, Schulen und lokale Organisationen mit Informationsveranstaltungen, Vorträgen und Aktionen, um auf die lebensrettende Bedeutung der Organspende aufmerksam zu machen. Das diesjährige Motto lautet: „Zeit, Zeichen zu setzen“ – ein Appell an alle Bürgerinnen und Bürger, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und eine persönliche Entscheidung zu treffen.
Worum geht es beim Tag der Organspende?
Der Tag der Organspende findet jedes Jahr am ersten Samstag im Juni statt. Er soll Menschen dazu motivieren, sich mit der Möglichkeit einer Organspende auseinanderzusetzen und ihre Entscheidung – ob pro oder contra – schriftlich zu dokumentieren. Denn oft sind es Angehörige, die im plötzlichen Ernstfall vor einer schweren Entscheidung stehen. Eine vorher dokumentierte Haltung kann ihnen diese Last nehmen.
Im Mittelpunkt des Aktionstages stehen Informationen, Aufklärung und Dankbarkeit. In vielen Städten gibt es Aktionen mit Infoständen, Musik, Redebeiträgen und Erfahrungsberichten von Spenderfamilien und Organempfängern. Auch in der Harzregion engagieren sich zahlreiche Akteure, darunter Kliniken, Schulen und ehrenamtliche Initiativen.
Lokale Aktionen im Harz
Goslar: Aufklärung an der BBS1
Bereits am 22. Mai veranstaltete die Berufsbildende Schule 1 in Goslar eine Informationsveranstaltung zum Thema Organspende. Dr. Marcus Stephan, Leitender Oberarzt der Asklepios Harzklinik, hielt einen Vortrag vor Schülerinnen und Schülern. Sein Ziel: Mythen entkräften, medizinische Abläufe erklären und jungen Menschen Mut machen, sich mit dem Thema frühzeitig auseinanderzusetzen.
„Eine Entscheidung gegen die Organspende ist ebenso legitim wie eine dafür – entscheidend ist, dass sie bewusst getroffen wird“, betonte Stephan in seinem Vortrag.
Nordhausen: Schüler gestalten Kampagne
In Nordhausen organisierte das Südharz Klinikum gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern eine lokale Kampagne zur Organspende. Mit Plakaten, sozialen Medien und einer Präsenz in der Innenstadt klärten sie Passanten auf. Ziel war es, die junge Generation als Multiplikatoren für das Thema zu gewinnen. Die Resonanz war durchweg positiv.
Aktuelle Zahlen zur Organspende in Deutschland
Die Spendenbereitschaft in Deutschland bleibt seit Jahren auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Hier ein Überblick über die aktuelle Situation:
Kriterium | Zahl (Stand 2024/2025) |
---|---|
Menschen auf der Warteliste | ca. 8.575 |
Postmortale Organspender 2024 | 953 |
Entnommene Organe 2024 | 2.854 |
Spender pro Mio. Einwohner (2024) | 11,4 |
Postmortale Organspender Jan–Mai 2025 | 426 |
Im Vergleich zu anderen Ländern liegt Deutschland damit weit zurück. In Spanien beträgt die Spenderquote beispielsweise über 43 pro Million Einwohner – fast viermal so hoch. Der Hauptgrund: Spanien setzt seit Jahrzehnten auf die sogenannte Widerspruchslösung.
Widerspruchslösung im Fokus der politischen Debatte
Am diesjährigen Organspendetag gewinnt die Debatte um eine gesetzliche Neuregelung in Deutschland erneut an Fahrt. Gesundheitsminister aus mehreren Bundesländern sowie die Bundesärztekammer sprechen sich klar für die Einführung der Widerspruchslösung aus. Demnach wäre jeder Bürger automatisch Organspender, es sei denn, er widerspricht aktiv.
Diese Regelung hat sich in mehreren europäischen Ländern als wirksames Instrument zur Erhöhung der Spenderzahlen erwiesen – etwa in Spanien, Belgien und Wales. Letzteres verzeichnete nach der Einführung im Jahr 2015 einen deutlichen Anstieg der Spenderzahlen.
Pro und Contra im Überblick
- Pro: Höhere Spenderzahlen, mehr gerettete Leben, klare Rechtslage
- Contra: Eingriff in die Selbstbestimmung, ethische Bedenken bei fehlender aktiver Zustimmung
Der Bundestag hatte die Widerspruchslösung zuletzt im Jahr 2020 abgelehnt. Doch angesichts stagnierender Spenderzahlen mehren sich die Stimmen für einen neuen Vorstoß. Ein entsprechender Gesetzesentwurf ist in Vorbereitung.
Gesellschaftliche Perspektiven und Initiativen
Obwohl laut Umfragen rund 80 % der Deutschen der Organspende positiv gegenüberstehen, haben weniger als 40 % eine dokumentierte Entscheidung getroffen. Diese Lücke zu schließen ist Ziel vieler Initiativen – nicht nur am Tag der Organspende.
Beispiel: Life Donor Feature
Eine besonders innovative Idee kommt aus dem Bankenwesen: Das sogenannte “Life Donor Feature” ermöglicht es, auf Bankkarten sichtbar zu vermerken, ob man Organspender ist. In Notfällen kann so schnell Klarheit herrschen – ohne dass Angehörige unter Druck stehen.
Öffentliche Aktionen setzen Zeichen
Auch symbolische Gesten sorgen für Aufmerksamkeit: Im Bundestag ließen sich Abgeordnete ein kleines Tattoo mit den Buchstaben “OD” – für “Organ Donor” – stechen. Die Aktion soll zeigen, wie wichtig es ist, die eigene Entscheidung öffentlich zu machen und eine klare Haltung zu beziehen.
Medizinische Neuerungen und Hoffnung
DCD-Spende als Hoffnungsträger
Ein weiterer Hoffnungsträger ist die DCD-Spende („Donation after Circulatory Death“) – also die Organentnahme nach Herzstillstand. In vielen Ländern bereits etabliert, ist sie in Deutschland noch nicht gesetzlich erlaubt. Die FDP setzt sich aktuell für die Einführung ein.
Würde dieses Verfahren zugelassen, könnten deutlich mehr Organe gespendet werden – insbesondere Herz, Lunge und Leber. Auch ethisch wird die DCD-Spende diskutiert, da sie klare medizinische Kriterien und eine strikte Trennung zwischen Therapie und Spende voraussetzt.
Technischer Fortschritt bei Transplantationen
Die Medizin macht große Fortschritte bei der Organtransplantation. Neue Kühl- und Konservierungstechnologien verlängern die Haltbarkeit entnommener Organe. Gleichzeitig werden Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehr besser verträglich. Das erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit der Empfänger und verbessert deren Lebensqualität.
Fazit: Es ist Zeit, Zeichen zu setzen
Der Tag der Organspende 2025 zeigt deutlich: Das Thema betrifft uns alle. Ob jung oder alt, ob gesundheitlich betroffen oder nicht – jeder kann eine Entscheidung treffen, die Leben rettet. In der Harzregion haben Schulen und Kliniken mit kreativen und engagierten Aktionen wichtige Impulse gesetzt. Deutschlandweit wächst der Druck auf die Politik, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu überdenken.
Die Diskussion um die Widerspruchslösung, neue medizinische Wege wie die DCD-Spende und innovative Ideen wie die Dokumentation auf Bankkarten zeigen: Die Organspende ist nicht nur eine Frage des Herzens, sondern auch der gesellschaftlichen Verantwortung.
„Man kann kein Leben retten, wenn man nicht sagt, dass man es will.“
– Aussage eines Empfängers beim Tag der Organspende
Am Ende steht der Appell: Entscheiden Sie sich – bewusst, informiert und verantwortungsvoll. Ob dafür oder dagegen. Aber entscheiden Sie sich.