
Wernigerode, 10.06.2025 – 06:30 Uhr
Die majestätischen Schlösser und Burgen des Harzes sind mehr als steinerne Zeugen vergangener Zeiten. Sie prägen das kulturelle Erbe einer ganzen Region – doch vielen ist nicht bewusst, wem diese imposanten Bauwerke heute eigentlich gehören. Sind es noch immer Adelsfamilien, wie man vermuten könnte? Oder hat die öffentliche Hand längst das Zepter übernommen? Eine tiefgehende Recherche zeigt: Die Eigentümerstruktur im Harz ist vielfältig, geprägt von gemeinnützigen Stiftungen, städtischen Trägerschaften und ehrenamtlichem Engagement – und sie steht exemplarisch für eine nationale Entwicklung.
Schlösser im Wandel: Von Adelsbesitz zu öffentlichem Kulturgut
Jahrhundertelang waren Schlösser wie Stolberg, Wernigerode oder Blankenburg Stammsitze bedeutender Adelsfamilien. Mit den politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts, insbesondere den Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg und der Bodenreform in der DDR, wechselten viele dieser Bauwerke in öffentliche oder gemeinnützige Hände. Die Wiedervereinigung brachte neue Chancen – und neue Herausforderungen für deren Erhalt.
Schloss Stolberg: Gerettet durch Denkmalschutz
Ein herausragendes Beispiel für erfolgreichen Denkmalschutz ist Schloss Stolberg. Nachdem es jahrzehntelang leer stand und zunehmend verfiel, übernahm die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2002 das Eigentum. Sie sanierte das Gebäude vollständig und machte es wieder öffentlich zugänglich. Heute dient das Schloss als Ort für Kulturveranstaltungen, Ausstellungen und Übernachtungsmöglichkeiten – ein Modellprojekt für nachhaltige Denkmalpflege.
Schloss Wernigerode: Stadtbesitz mit bürgerlichem Engagement
Das eindrucksvolle Schloss Wernigerode, oft als „Neuschwanstein des Nordens“ bezeichnet, ging nach der Wiedervereinigung in das Eigentum der Stadt Wernigerode über. Mit Hilfe einer eigens gegründeten Stiftung und eines engagierten Fördervereins konnte es restauriert und der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht werden. Das Schloss beherbergt heute ein Museum, ist Veranstaltungsort und ein touristisches Highlight des Harzes.
Blankenburg: Bürgerinitiative rettet Bauwerk vor dem Verfall
Ein Paradebeispiel für zivilgesellschaftliches Engagement ist das Große Schloss Blankenburg. 2008 wurde es von der gemeinnützigen Großes Schloss Blankenburg GmbH übernommen, einer Tochtergesellschaft des Vereins Rettung Schloss Blankenburg e. V. Die Sanierungsarbeiten dauern an – unterstützt von Bund, Land, EU und privaten Stiftungen. Das Schloss dient inzwischen als Veranstaltungsort mit internationalem Fokus.
Vielfalt der Eigentümer: Wer verwaltet was?
Die nachfolgende Übersicht zeigt exemplarisch die aktuellen Eigentumsverhältnisse der bedeutendsten Harzer Schlösser:
Schloss | Aktueller Eigentümer | Nutzung |
---|---|---|
Stolberg | Deutsche Stiftung Denkmalschutz | Kulturstätte, Museum, Hotel |
Wernigerode | Stadt Wernigerode | Museum, Veranstaltungen |
Blankenburg | Großes Schloss Blankenburg GmbH | Veranstaltungen, Kulturprojekte |
Harzgerode | Stadt Harzgerode | Museum, Bibliothek, Gastronomie |
Falkenstein | Kulturstiftung Sachsen-Anhalt | Museum, Falknerei, Tourismus |
Finanzierung: Millionen für den Erhalt historischer Substanz
Den Erhalt solcher Denkmäler gewährleisten heute vor allem öffentliche Förderprogramme. Der Bund und das Land Sachsen-Anhalt investieren über die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt bis 2030 rund 200 Millionen Euro in insgesamt elf Schlösser, Burgen und Gärten. Auch Schloss Blankenburg profitierte von mehreren Millionen an Fördergeldern, etwa durch das EU-Programm EFRE, private Stiftungen oder die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.
„Ohne diese Kombination aus öffentlicher Hand, gemeinnützigen Trägern und bürgerschaftlichem Engagement wäre der Erhalt vieler Bauwerke heute kaum möglich.“
Tourismus und Bildung: Nutzung als Mehrwert
Viele Schlösser erfüllen heute mehrere Funktionen zugleich: Sie sind touristische Anziehungspunkte, Bildungsorte und kulturelle Plattformen. Das Schloss Falkenstein beispielsweise lockt mit einem Burgmuseum, einer Falknerei und Ritterveranstaltungen jährlich Tausende Besucher an. In Blankenburg verbinden sich Hochzeiten, Konzerte und Nachhaltigkeitsveranstaltungen wie die Future Forest Initiative zu einem modernen Nutzungskonzept.
Auch digital wird investiert: Virtuelle 3D-Modelle von Ruinen wie Burg Scharzfels oder digitale Besucherführungen entlang der Wasserläufe des Oberharzer Wasserregals ergänzen klassische Ausstellungen und erhöhen die Zugänglichkeit für ein breites Publikum.
Neue Herausforderungen: Klimaschutz, Sicherheit, Koordination
Die Pflege historischer Bauten bringt neue Herausforderungen mit sich. So stehen viele Schlösser vor Problemen wie Erdrutschgefahr, Felsinstabilität oder mangelnder Barrierefreiheit. Schloss Herzberg etwa wird aktuell mit einem Aufwand von über 20 Millionen Euro generalsaniert – inklusive Brandschutz, Aufzügen und statischer Sicherung.
Auch der Klimawandel fordert ein Umdenken: Die UNESCO hebt die Bedeutung klimagerechter Sanierung und Verwaltung hervor. Im Harz bedeutet das konkret: Nachhaltige Baustoffe, Energieeffizienz und umweltpädagogische Begleitprogramme in den Schlössern. Besonders das Oberharzer Wasserregal, als Teil des UNESCO-Welterbes, wird als ökologischer und kultureller Modellfall behandelt.
Biodiversität und Wassertechnik als Kulturerbe
Die mittelalterlichen Teich- und Kanalsysteme im Harz sind nicht nur Zeugnisse der Technikgeschichte, sondern inzwischen auch ökologisch bedeutsam. Die Stauteiche und Wasserläufe des Oberharzer Wasserregals dienen als Biotope für seltene Pflanzen- und Tierarten wie Flusskrebse oder Korallenweiden. Damit tragen die historischen Anlagen aktiv zum Artenschutz bei – ein Aspekt, der in vielen klassischen Denkmaldebatten bislang zu wenig Beachtung fand.
Vergessenes Erbe: Verschwundene Burgen im Fokus
Neben den bekannten Schlossanlagen gibt es auch Orte wie die Burg Hasserode, von der heute keine sichtbaren Reste mehr existieren. Und doch: Lokale Historiker und Spezialarchive erforschen auch diese verlorenen Bauwerke mithilfe von Archivalien und digitalen Rekonstruktionen. Damit wird auch das „unsichtbare“ Erbe des Harzes Teil der kollektiven Erinnerung.
Fehlende Koordination: UNESCO mahnt gemeinsames Management an
Die UNESCO fordert angesichts der Zersplitterung in Einzelinitiativen ein übergeordnetes, integriertes Management für das Welterbe im Harz. Bisher agieren Städte, Stiftungen, Ehrenamtliche und Behörden oft nebeneinander statt miteinander. Ein regionales Gremium oder eine zentrale Koordinationsstelle könnte Synergien schaffen, Prioritäten setzen und internationale Förderungen bündeln.
Schlösser als öffentliches Kulturerbe mit Zukunft
Die Eigentümerfrage der Harzer Schlösser zeigt: Der Adel hat seine Macht über diese historischen Bauwerke längst verloren – dafür sind es heute Gemeinden, Stiftungen und engagierte Bürger, die das kulturelle Erbe lebendig halten. Dank erheblicher öffentlicher Förderung, innovativer Nutzungskonzepte und wachsender Bedeutung für Bildung, Ökologie und Tourismus stehen die Schlösser im Harz exemplarisch für einen neuen Umgang mit historischen Monumenten.
Doch der Weg bleibt anspruchsvoll: Nur mit langfristiger Finanzierung, übergreifender Planung und gesellschaftlicher Teilhabe kann dieses kulturelle Erbe für kommende Generationen gesichert werden. Der Harz zeigt, wie das gelingen kann – und welche Kraft regionale Identität entfalten kann, wenn sie auf festen Fundamenten ruht.