
Clausthal-Zellerfeld – Der Harz könnte bald zum Schauplatz einer wegweisenden Energietechnologie werden. Alte Bergbau-Hohlräume, die über Jahrhunderte für den Erzabbau genutzt wurden, sollen nun als unterirdische Pumpspeicher-Kraftwerke dienen. Die Vision: saubere Energie speichern, Hochwasser regulieren und die Region zu einem Vorreiter nachhaltiger Infrastruktur machen.
Vom Bergbau zur Energiewende – eine Region erfindet sich neu
Der Harz ist seit Jahrhunderten geprägt von einer intensiven Bergbaugeschichte. Über Generationen hinweg haben Schächte, Stollen und Kavernen die Landschaft geformt und das Leben der Menschen bestimmt. Heute stehen viele dieser Hohlräume leer, manche drohen zu verfallen. Doch wo einst Erz gefördert wurde, könnte künftig Energie gespeichert werden. Wissenschaftler, Ingenieure und regionale Initiativen prüfen derzeit die Machbarkeit, die Bergbau-Infrastruktur in moderne Pumpspeicher-Kraftwerke umzuwandeln. Das könnte die Energiewende in Deutschland entscheidend voranbringen.
Wie funktionieren Pumpspeicherkraftwerke unter Tage?
Pumpspeicherkraftwerke sind seit Jahrzehnten bewährte Speicher für überschüssige Energie. Bei Stromüberschuss wird Wasser in ein höher gelegenes Becken gepumpt. Steigt später der Bedarf, fließt das Wasser durch Turbinen zurück in ein tieferes Reservoir und erzeugt dabei Strom. In einem unterirdischen Szenario im Harz würden ehemalige Bergbau-Hohlräume als Speicher dienen, während nahegelegene Talsperren als Oberbecken genutzt werden könnten. Die Technik ist erprobt, der Einsatz in stillgelegten Bergwerken jedoch ein Novum in Deutschland.
Potenzielle Standorte im Harz
Untersuchungen der Technischen Universität Clausthal und anderer Forschungseinrichtungen zeigen, dass es im Harz zahlreiche geeignete Schächte gibt. Insgesamt wurden über 100 mögliche Hohlräume identifiziert, von denen rund ein Dutzend näher betrachtet wird. Besonders das ehemalige Bergwerk Bad Grund wird oft als Beispiel genannt. Dort könnten bis zu 300 Megawatt Leistung realisiert werden – genug, um mehrere Hunderttausend Haushalte zeitweise mit Strom zu versorgen.
Welche Vorteile bieten Pumpspeicher im Harz?
- Energiespeicherung: Ausgleich von Schwankungen aus Wind- und Solarstrom.
- Netzstabilität: Beitrag zur Frequenzhaltung und Schwarzstartfähigkeit.
- Wasserwirtschaft: Regulierung von Hoch- und Niedrigwasser in der Region.
- Regionale Wertschöpfung: Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen.
Ein Experte vom Fraunhofer-Institut betonte in einem Vortrag: „Unterirdische Speicher können innerhalb weniger Sekunden reagieren und sind damit ein Schlüssel für die Versorgungssicherheit im künftigen Energiesystem.“
Herausforderungen und Kosten
Warum sind unterirdische Pumpspeicher teurer?
Ein zentrales Problem ist die Wirtschaftlichkeit. Studien zeigen, dass ein unterirdisches Pumpspeicherwerk im Harz etwa doppelt so teuer wäre wie ein oberirdisches. Gründe sind die komplizierte Erschließung, notwendige Sanierungsarbeiten an alten Schächten, geotechnische Sicherungen und die aufwendige Installation von Maschinen unter Tage. Investoren zögern daher, obwohl die Technologie als zukunftsweisend gilt.
Rechtliche Unsicherheiten
Hinzu kommt, dass der rechtliche Rahmen bislang nicht eindeutig geregelt ist. Wasserrecht, Bergrecht und Umweltrecht greifen ineinander, klare Vorgaben fehlen. Das erschwert Genehmigungsverfahren. Auch Fragen des Eigentums an alten Bergwerken und Schächten müssen geklärt werden, bevor Bauarbeiten beginnen können.
Geotechnische Risiken
Der Harz bietet stabile Gesteinsformationen, doch nicht jeder Schacht ist geeignet. Einige sind teilweise verfüllt, andere instabil oder nicht mehr zugänglich. Experten aus der Community berichten von verfallenen Stollen und Wasserzutritten, die eine Nutzung erschweren könnten. Solche Faktoren beeinflussen die Kosten erheblich und entscheiden darüber, welche Standorte tatsächlich genutzt werden können.
Erfahrungen aus dem In- und Ausland
Internationale Pilotprojekte
Auch im Ausland gibt es Überlegungen, Bergwerke für Energiespeicher zu nutzen. In China wurde in einem Kupferbergwerk die Machbarkeit untersucht, während in Europa Standorte im Siegerland oder Erzgebirge diskutiert werden. Diese internationalen Beispiele zeigen, dass die Idee technisch umsetzbar ist, auch wenn sie oft mit hohen Investitionshürden verbunden bleibt.
Vergleich mit klassischen Pumpspeichern
Kriterium | Oberirdisch | Unterirdisch (Harz) |
---|---|---|
Investitionskosten | Mittel bis hoch | Sehr hoch |
Genehmigungen | Klar geregelt | Noch unklar |
Ökologische Eingriffe | Neue Becken notwendig | Bestehende Hohlräume nutzbar |
Netzdienlichkeit | Sehr gut | Sehr gut |
Fragen, die viele Nutzer beschäftigen
Welche Bergwerke im Harz kommen infrage?
Vor allem ehemalige Erzbergwerke mit stabiler Struktur, wie in Bad Grund, gelten als realistische Kandidaten. Salz- oder Kohlebergwerke sind meist ungeeignet.
Wie hoch könnten die Kosten ausfallen?
Die Kosten für ein unterirdisches Pumpspeicherwerk im Harz liegen Schätzungen zufolge bei einem Vielfachen vergleichbarer oberirdischer Anlagen. Exakte Zahlen hängen von Standort, Größe und geologischen Bedingungen ab.
Welche Umweltauswirkungen sind zu erwarten?
Mögliche Risiken sind Veränderungen im Grundwasser, Belastungen des Gesteins durch Druckschwankungen sowie Eingriffe in geschützte Bereiche. Gleichzeitig könnten durch intelligente Nutzung auch positive Effekte entstehen, etwa Hochwasserschutz oder Trinkwasserversorgung.
Wie schnell könnte ein solches Projekt umgesetzt werden?
Experten gehen davon aus, dass allein die Machbarkeitsstudien mehrere Jahre dauern werden. Mit Genehmigungen, Planungen und Bau könnten bis zur Inbetriebnahme 10 bis 15 Jahre vergehen.
Regionale Bedeutung für den Harz
Mehrfachnutzen im Fokus
Besonders spannend ist die Idee, dass ein unterirdisches Pumpspeicherkraftwerk im Harz nicht nur Energie speichern, sondern auch die Wasserversorgung der Region unterstützen könnte. In Zeiten von Dürre und Starkregen gewinnt diese Doppelnutzung an Bedeutung. Landesinstitutionen wie die NBank fördern daher die Forschung an solchen Projekten.
Akzeptanz in der Bevölkerung
In den Harzer Gemeinden herrscht vorsichtige Aufbruchsstimmung. Viele sehen in den Projekten eine Chance für neue Arbeitsplätze und nachhaltige Perspektiven. Gleichzeitig bestehen Sorgen vor Eingriffen in die Natur oder steigenden Kosten. Transparente Kommunikation und frühe Bürgerbeteiligung werden daher als entscheidend angesehen.
Stimmen aus der Region
Ein lokaler Bergbauhistoriker beschreibt es so: „Die Schächte des Harzes haben über Jahrhunderte Wohlstand gebracht. Vielleicht können sie nun wieder eine Rolle spielen – diesmal für eine klimafreundliche Zukunft.“
Technische Visionen
Experten entwerfen Szenarien, in denen mehrere Pumpspeicherwerke im Harz gemeinsam arbeiten. Vier Standorte könnten nach einer Studie realisiert werden. Sie würden nicht nur Strom speichern, sondern auch die Wasserwirtschaft in der Region revolutionieren.
Fazit: Harzer Bergwerke als Chance für eine klimafreundliche Zukunft
Der Harz steht an einem spannenden Wendepunkt. Alte Bergwerke, die lange Zeit als Relikte einer vergangenen Industrie galten, könnten zu Bausteinen einer nachhaltigen Energieversorgung werden. Die Idee, Pumpspeicherkraftwerke unter Tage zu betreiben, verbindet Tradition und Zukunft auf einzigartige Weise. Doch bis aus der Vision Realität wird, sind noch viele Hürden zu nehmen: hohe Investitionskosten, rechtliche Unsicherheiten, technische Herausforderungen und Fragen der Akzeptanz. Gelingt es jedoch, diese Hindernisse zu überwinden, könnte der Harz Vorreiter für eine neue Generation von Energiespeichern werden – und damit nicht nur die eigene Region, sondern auch die Energiewende in Deutschland entscheidend voranbringen.