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Gesundheitsversorgung im Wandel Harzer Krankenhäuser in Gefahr: Landrat warnt vor Folgen geplanter Sparmaßnahmen

Halberstadt. Die Krankenhäuser im Harz stehen vor einer der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Geplante Sparmaßnahmen der Bundesregierung bedrohen die wirtschaftliche Stabilität der Kliniken, während Landrat Thomas Balcerowski vor einem massiven Versorgungsrisiko für die Region warnt. Fachkräftemangel, steigende Betriebskosten und politische Unsicherheiten verschärfen die Lage zusätzlich – und bringen die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum ins Wanken.

Ein ländlicher Raum unter Druck

Der Harz gilt als eine der landschaftlich schönsten Regionen Deutschlands – doch hinter der idyllischen Fassade kämpft das Gesundheitssystem ums Überleben. Die geplanten Kürzungen der Fallpauschalen, mit denen Krankenhäuser ihre Leistungen abrechnen, treffen besonders kleinere und mittelgroße Häuser. Sie erwirtschaften ohnehin geringe Margen und sind stark auf öffentliche Zuschüsse angewiesen. Der Landrat des Landkreises Harz, Thomas Balcerowski (CDU), sieht hier akuten Handlungsbedarf. Er warnt: „Wenn jetzt weiter gespart wird, gefährden wir die medizinische Grundversorgung der Menschen im Harz.“

Die aktuelle Lage der Kliniken im Harz

Das Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben, mit Standorten in Quedlinburg, Wernigerode und Blankenburg, ist das größte Krankenhaus der Region. Trotz intensiver Sparbemühungen schloss das Klinikum das Geschäftsjahr 2024 mit einem Defizit von fünf Millionen Euro ab – bei einem Jahresumsatz von rund 200 Millionen Euro. Grund dafür sind gestiegene Energiepreise, höhere Personalkosten und eine Anpassung der Basisfallwerte, die nicht ausreichen, um die inflationsbedingten Mehrkosten zu decken. Für das Jahr 2026 wird eine Steigerung des Landesbasisfallwertes von nur 2,98 % erwartet – statt der benötigten 5,17 %. Das entspricht einem Verlust von rund drei Millionen Euro pro Jahr.

Warum warnt der Landrat im Harz vor der Schließung von Kliniken?

Die Sorge des Landrats ist nicht unbegründet. Mit den sinkenden Vergütungssätzen geraten die Kliniken in eine finanzielle Abwärtsspirale. Fehlen Mittel für Investitionen, leidet die Qualität der Ausstattung – und damit langfristig auch das Vertrauen der Patienten. Schon jetzt ist die Region durch eine schwierige Topografie und lange Wege geprägt. Ein Kliniksterben würde diese Situation verschärfen. Besonders in Notfällen könnten Patienten künftig deutlich längere Fahrzeiten in Kauf nehmen müssen.

Finanzielle Schieflage und strukturelle Probleme

Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) beläuft sich das monatliche Defizit deutscher Krankenhäuser derzeit auf rund 220 Millionen Euro. Besonders betroffen sind ländliche Regionen wie der Harz, wo die Patientenzahlen geringer und die Fixkosten pro Bett höher sind. Gleichzeitig ist der Investitionsstau enorm: Viele Gebäude stammen aus den 1970er- und 1980er-Jahren und bedürfen einer umfassenden Sanierung. Doch dafür fehlen die Mittel.

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Welche Folgen haben Sparmaßnahmen für die Notfallversorgung im Harzraum?

Die Notfallversorgung ist ein zentraler Punkt in der Diskussion. Nur etwa 40 % der Harzer Bevölkerung erreichen derzeit innerhalb von 20 Minuten ein Krankenhaus. Das geplante Zentralklinikum bei Blankenburg könnte diesen Anteil auf 70 % erhöhen – doch die Umsetzung hängt an Fördergeldern und politischen Entscheidungen. Ohne finanzielle Unterstützung droht nicht nur eine Überlastung der bestehenden Standorte, sondern auch eine ernsthafte Gefährdung der Versorgungssicherheit.

Der Streit um das Zentralklinikum

Das Projekt eines Zentralklinikums bei Blankenburg wird kontrovers diskutiert. Landrat Balcerowski nennt es eine „historische Chance“ für die Region. Es soll modern, effizient und zentral gelegen sein – und die medizinische Versorgung im Harz langfristig sichern. Kritiker hingegen befürchten den Verlust wohnortnaher Versorgung und längere Wege für Patienten. Besonders ältere Menschen und Familien ohne Auto sehen die Pläne skeptisch. Dennoch: Laut Landrat könne das Zentralklinikum helfen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen, indem Kompetenzen gebündelt und moderne Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Der Harz im Wandel: Strukturelle Reformen und ihre Risiken

Die geplante Krankenhausstrukturreform des Bundes zielt auf eine höhere Qualität und Spezialisierung der Kliniken. Doch sie birgt Risiken für ländliche Räume. Während Ballungszentren profitieren, verlieren dünn besiedelte Regionen wie der Harz an Versorgungskapazität. Die Reform sieht vor, dass Kliniken künftig nach Leistungsgruppen eingeteilt werden – kleinere Häuser mit geringerer Auslastung könnten dadurch weniger Vergütung erhalten.

Wie beeinflusst die geplante Klinikstruktur-Reform die Finanzierung im Harz?

Für den Harz bedeutet das: Nur Häuser, die ein breites medizinisches Spektrum anbieten und bestimmte Qualitätskriterien erfüllen, werden weiterhin vollständig finanziert. Kleinere Kliniken, die sich auf Grundversorgung oder Spezialdisziplinen konzentrieren, laufen Gefahr, in den Hintergrund zu geraten. Diese Ungleichbehandlung verschärft den Druck auf die ohnehin belasteten Standorte in Wernigerode und Quedlinburg.

Infrastruktur und Erreichbarkeit – ein unterschätztes Problem

Ein weiteres Problem ist die Infrastruktur. Der Harz ist ein Mittelgebirge mit teilweise schwer zugänglichen Straßenverbindungen. Besonders im Winter verlängern Schnee und Glätte die Anfahrtszeiten. Der Verlust eines Klinikstandorts würde für viele Gemeinden bedeuten, dass sie mehr als eine halbe Stunde bis zur nächsten Notaufnahme benötigen – ein gravierendes Risiko bei Herzinfarkten, Schlaganfällen oder schweren Unfällen.

Die Stimmen aus der Praxis: Ärzte und Pflege im Ausnahmezustand

Auch in den sozialen Medien melden sich zunehmend Beschäftigte des Harzklinikums zu Wort. Auf den offiziellen Kanälen wird um Pflegekräfte geworben, es werden Fortbildungen und Karrieretage vorgestellt. Diese Bemühungen zeigen, dass das Klinikum versucht, dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Dennoch berichten Mitarbeitende von wachsender Arbeitsbelastung und Unsicherheit über die Zukunft. In Foren wie dem ATA-Forum tauschen sich Pflegekräfte über Arbeitsbedingungen und die Größe der Einrichtung aus. Viele sehen die wirtschaftlichen Einschnitte mit Sorge, weil sie eine Verschlechterung der Patientenversorgung befürchten.

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Inwiefern wirken sich Personal- und Fachkräftemangel auf Kliniken im Harz aus?

Der Fachkräftemangel ist längst ein strukturelles Problem. Schon jetzt sind in mehreren Abteilungen offene Stellen unbesetzt. Wenn die Kliniken zusätzlich sparen müssen, könnten weitere Arbeitskräfte verloren gehen. Das wiederum führt zu höherer Belastung der verbleibenden Mitarbeiter – ein Teufelskreis, der die Situation weiter verschärft. Die Folge: längere Wartezeiten, geschlossene Stationen, sinkende Motivation.

Politik und Verbände schlagen Alarm

Der Deutsche Landkreistag hat sich deutlich gegen die Sparmaßnahmen ausgesprochen. Präsident Reinhard Sager warnte: „Wenn Kliniken jetzt eine Milliardensumme verlieren, treibt das nur den kalten Strukturwandel voran und gefährdet die Existenz selbst versorgungsrelevanter Häuser.“ Der Verband fordert daher eine Reform, die die Besonderheiten des ländlichen Raums stärker berücksichtigt. Andernfalls droht laut Experten ein unkontrolliertes Kliniksterben.

Gibt es rechtliche oder politische Möglichkeiten, wie Kliniken gegen Kürzungen vorgehen können?

Einige Landkreise prüfen bereits juristische Schritte gegen den Bund. Der Landkreistag selbst ermuntert Krankenhäuser dazu, Klagen einzureichen, falls die geplanten Kürzungen gegen bestehende Versorgungsverpflichtungen verstoßen. Zugleich setzen viele Kommunen auf den Dialog mit den Ländern, um Übergangslösungen zu schaffen und Fördermittel zu sichern.

Historische Entwicklung: Vom dichten Kliniknetz zur strukturellen Ausdünnung

Die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland ist seit 1991 von rund 2.400 auf etwa 1.900 im Jahr 2022 gesunken. Besonders betroffen sind kleine und mittelgroße Häuser im ländlichen Raum. Im Harz ist diese Entwicklung deutlich spürbar. Seit den 2000er-Jahren wurden mehrere Standorte geschlossen oder zusammengelegt. Die Folge: längere Wege für Patienten, weniger Betten und steigende Arbeitsbelastung für das verbliebene Personal.

Welche Rolle spielt der Standort eines Zentralklinikums im Harz für die Zukunft?

Das Zentralklinikum könnte langfristig eine Lösung bieten – vorausgesetzt, die Finanzierung steht. Es wäre moderner, effizienter und besser ausgestattet als viele bestehende Häuser. Dennoch ist es kein Allheilmittel. Entscheidend wird sein, ob die Versorgung zwischen den Standorten sinnvoll aufgeteilt wird und ob Patienten auch künftig wohnortnah Zugang zu medizinischer Hilfe behalten.

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Patientensicht: Zwischen Hoffnung und Sorge

In Online-Diskussionen äußern sich viele Bürger mit gemischten Gefühlen. Einige begrüßen die Pläne zur Zentralisierung, weil sie sich modernere Behandlungsmöglichkeiten erhoffen. Andere fürchten, dass der Verlust wohnortnaher Kliniken ältere oder ärmere Menschen benachteiligt. Diese Ambivalenz zeigt, dass die Gesundheitspolitik im Harz nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale Dimension hat.

Der Blick in die Zukunft: Wie kann der Harz seine Gesundheitsversorgung sichern?

Um die Versorgung langfristig zu stabilisieren, braucht es mehr als kurzfristige Hilfsprogramme. Experten fordern eine Kombination aus gezielter Regionalförderung, besseren Arbeitsbedingungen und einer Digitalisierungsoffensive. Telemedizinische Angebote könnten helfen, Versorgungslücken zu schließen. Auch mobile Ärzteteams und spezialisierte Versorgungszentren sind denkbare Lösungen. Der Schlüssel liegt in einer nachhaltigen, regional verankerten Strategie, die die Besonderheiten des Harz berücksichtigt.

Fazit: Zwischen Bergidylle und Existenzkampf – der Harz braucht politische Weitsicht

Die Lage im Harz zeigt beispielhaft, wie fragile die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum geworden ist. Während die Bundesregierung auf Effizienz und Kostensenkung setzt, stehen Regionen wie der Harz vor der Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Landrat Thomas Balcerowski hat mit seinen Warnungen ein wichtiges Signal gesetzt: Ohne gezielte Unterstützung droht der Rückzug der Daseinsvorsorge aus der Fläche. Die Menschen im Harz brauchen keine weiteren Kürzungen – sie brauchen Planungssicherheit, moderne Strukturen und politische Entscheidungen, die die Realität im ländlichen Raum ernst nehmen. Denn nur so bleibt die medizinische Versorgung im Herzen des Harzes auch in Zukunft gesichert.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.