
Halberstadt. Im Landkreis Harz ist erstmals ein Fall der hochpathogenen Vogelgrippe nachgewiesen worden. Ein verendeter Kranich aus der Gemarkung Gernrode wurde positiv auf das Virus H5N1 getestet. Die Behörden reagierten umgehend mit Maßnahmen, um eine Ausbreitung der Tierseuche zu verhindern und die Geflügelbestände zu schützen.
Bestätigter Vogelgrippe-Fall bei Wildvogel im Harz
Der Fund eines toten Kranichs löst Alarm aus
Der Landkreis Harz steht seit Ende Oktober im Zentrum einer besorgniserregenden Entwicklung: In der Gemarkung Gernrode wurde ein toter Kranich gefunden, bei dem das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt eine Infektion mit der Vogelgrippe bestätigte. Damit ist der erste offizielle Fall im Harz belegt – ein Ereignis, das auch für Geflügelhalter und Naturschützer weitreichende Folgen hat.
Das Referenzlabor des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) bestätigte den Erreger des Subtyps H5N1, der bereits seit Monaten in mehreren Regionen Deutschlands kursiert. Der Landkreis Harz leitete daraufhin Sofortmaßnahmen ein, um eine Übertragung auf Hausgeflügel zu verhindern.
Landkreis erlässt Stallpflicht und Sicherheitsvorkehrungen
In enger Abstimmung mit dem Veterinäramt wurde eine sofortige Stallpflicht für Geflügel im gesamten Landkreis Harz angeordnet. Dies betrifft sowohl gewerbliche als auch private Halter. Veranstaltungen wie Geflügelmärkte, Ausstellungen oder Tierschauen wurden untersagt. Zudem appellieren die Behörden an Spaziergänger und Tierfreunde, tote Wildvögel nicht anzufassen und umgehend den Fund an die zuständige Behörde zu melden.
Diese Maßnahmen gelten im Überblick:
- Stallpflicht für Hühner, Gänse, Enten und Laufvögel im gesamten Landkreis Harz
- Verbot von Geflügelmärkten und Ausstellungen
- Hygieneschleusen für Betriebe mit Nutzgeflügel
- Meldepflicht bei Totfunden von Wildvögeln
- Information der Bevölkerung über Risiken und Schutzmaßnahmen
Warum gerade der Harz betroffen ist
Kraniche als Überträger des Virus
Der Harz liegt entlang einer der bedeutendsten Zugrouten europäischer Kraniche. Diese Vögel sammeln sich im Herbst auf ihren Rastplätzen, etwa am Stausee Kelbra, wo sie in großen Schwärmen verweilen. Genau diese dichte Konzentration vieler Tiere begünstigt die Übertragung von Krankheitserregern wie der Vogelgrippe.
Biologen sprechen von einer „Hotspot-Situation“. Die Kombination aus hoher Tierdichte, Stress durch den Vogelzug und milderen Temperaturen schafft ideale Bedingungen für die Verbreitung des Virus. „Wir haben so etwas in dieser Dimension in Deutschland noch nicht erlebt“, betonte ein Biologe aus Brandenburg. In manchen Regionen, etwa in Linum, wurden bereits über 1.000 tote Kraniche gezählt.
Wie wahrscheinlich ist eine Ausbreitung im Harz?
Nach Einschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts ist eine Ausbreitung in der Region sehr wahrscheinlich. Der Harz ist aufgrund seiner Lage an der Grenze zu Thüringen und Sachsen-Anhalt besonders gefährdet. Von dort wurden ebenfalls zahlreiche Fälle gemeldet. Die lokalen Behörden stehen im ständigen Kontakt mit den Nachbarkreisen, um mögliche Infektionsketten frühzeitig zu erkennen.
Gefahr für Mensch und Tier
Wie gefährlich ist das Virus für den Menschen?
Obwohl das Virus H5N1 als hochpathogen für Vögel gilt, bleibt das Risiko für den Menschen nach Einschätzung der Gesundheitsbehörden gering. Nur Personen, die direkten Kontakt zu infizierten oder toten Vögeln haben – etwa Tierärzte, Landwirte oder Mitarbeiter in Geflügelbetrieben – sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Für die allgemeine Bevölkerung besteht keine Gefahr, solange einfache Hygieneregeln eingehalten werden.
Der Verzehr von Geflügel oder Eiern aus kontrollierten Betrieben ist laut Experten weiterhin unbedenklich, sofern diese Produkte gründlich durcherhitzt werden. Eine Übertragung über Nahrungsmittel ist bislang nicht belegt.
Warum sind besonders Kraniche betroffen?
Kraniche gelten als besonders anfällig, weil sie in großen Gruppen auf engem Raum leben und während des Vogelzugs geschwächt sind. Diese sozialen Strukturen begünstigen die schnelle Weitergabe von Viren. Im Herbst und Winter steigt das Risiko zusätzlich, da sich viele Vogelarten auf den Rastplätzen des Harzes konzentrieren. Zudem herrscht in dieser Jahreszeit eine höhere Virusüberlebensfähigkeit in der Umwelt, was den Erreger stabil hält.
Wie reagieren Geflügelhalter im Harz?
Viele Geflügelhalter im Harz zeigen sich besorgt. Während große Betriebe die Aufstallung relativ problemlos umsetzen können, stoßen kleinere Hobbyhalter an Grenzen. Einige von ihnen empfinden die Schutzmaßnahmen als „übertrieben“, andere fordern eine Impfstrategie für Nutzgeflügel. In Foren und sozialen Medien wird darüber diskutiert, warum eine Impfung in der EU bislang nicht erlaubt ist, obwohl sie theoretisch Infektionen verhindern könnte.
Perspektive aus der Praxis
Ein Züchter aus dem Landkreis Peine, der ähnliche Maßnahmen erlebt hat, erklärt: „Wir halten nur ein paar Hühner im Garten. Eine Stallpflicht bedeutet für uns, die Tiere dauerhaft einzusperren – das ist weder artgerecht noch praktikabel.“ Solche Stimmen zeigen, dass Tierseuchenbekämpfung nicht nur eine Frage der Wissenschaft, sondern auch der Akzeptanz ist.
Statistiken und europaweiter Überblick
H5N1 breitet sich europaweit aus
Nach Daten des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) wurden zwischen März und Juni 2025 europaweit 365 Fälle hochpathogener Vogelgrippe gemeldet. Davon betrafen 167 Nutzgeflügelbestände und 198 Wildvögel. Besonders auffällig ist, dass auch Säugetiere wie Füchse, Otter und Seehunde infiziert wurden – ein Hinweis auf die hohe Anpassungsfähigkeit des Virus.
Die Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) meldete allein im Februar und März 2025 über 350 Ausbrüche weltweit. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die HPAI-Saison (Highly Pathogenic Avian Influenza) weiterhin ein globales Problem bleibt, das Landwirtschaft, Tiergesundheit und Handel beeinträchtigt.
Das Friedrich-Loeffler-Institut warnt vor Dauergefahr
Das FLI stufte das Risiko für Geflügelbestände in Deutschland zuletzt als „hoch“ ein. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Virus in der Wildvogelpopulation mittlerweile endemisch geworden ist. Damit besteht auch für den Harz ein dauerhaftes Risiko, dass es regelmäßig zu Einträgen in Nutzgeflügelbestände kommen kann.
Verhaltenstipps für Spaziergänger und Naturfreunde
Was sollten Besucher im Harz beachten?
Die Kreisverwaltung Harz appelliert eindringlich an Bürgerinnen und Bürger, tote Wildvögel nicht zu berühren. Fundorte sollen umgehend dem Veterinäramt gemeldet werden. Hunde und Katzen sollten in betroffenen Gebieten angeleint bzw. im Haus gehalten werden, um eine mögliche Verschleppung des Virus zu vermeiden.
Empfehlungen im Überblick:
- Keine toten Tiere anfassen oder bewegen
- Kontakt von Haustieren zu Wildvögeln vermeiden
- Wandergebiete mit großen Vogelschwärmen meiden
- Schuhe nach Ausflügen reinigen, um keine Erreger einzuschleppen
Auch Touristen, die in der Region wandern oder fotografieren, sollten sich an diese Vorgaben halten. Der Harz bleibt trotz der aktuellen Lage ein attraktives Ziel, doch Umsicht ist in Zeiten erhöhter Tierseuchengefahr unerlässlich.
Kommunikation und Aufklärung als Schlüssel
Die Behörden setzen verstärkt auf Öffentlichkeitsarbeit. Auf den Internetseiten des Landkreises Harz finden sich Hinweise zum Meldeverfahren und zum Verhalten bei Verdachtsfällen. Schulen und Kindergärten werden informiert, um Kinder für das Thema zu sensibilisieren. Diese frühzeitige Aufklärung soll helfen, unbeabsichtigte Kontakte mit infizierten Tieren zu vermeiden.
Fazit: Der Harz steht vor einer langfristigen Herausforderung
Der bestätigte Vogelgrippe-Fall im Harz markiert den Beginn einer neuen Phase im Umgang mit Tierseuchen. Die Region ist durch ihre geographische Lage, ihre Zugrouten und die hohe Zahl an Wildvögeln besonders gefährdet. Auch wenn die Gefahr für den Menschen gering bleibt, ist die wirtschaftliche und ökologische Bedeutung des Ereignisses erheblich. Die Vogelgrippe betrifft nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch das fragile Gleichgewicht der heimischen Natur.
Langfristig wird entscheidend sein, wie effektiv die Schutzmaßnahmen greifen und ob neue Strategien – etwa Impfprogramme oder verbesserte Frühwarnsysteme – entwickelt werden können. Der Harz wird in den kommenden Monaten zeigen, wie eine Region mit hohem Naturwert auf eine globale Tierseuche reagiert. Wachsamkeit, Vernunft und Kooperation zwischen Behörden, Wissenschaft und Bevölkerung bleiben der Schlüssel, um die Ausbreitung der Vogelgrippe einzudämmen und das ökologische Gleichgewicht zu erhalten.







