Quedlinburg

Naturschutz-Initiative im Harz 50.000 junge Lachse für die Bode: Neues Auswilderungsprojekt startet im Harz

Quedlinburg – Im Rahmen des Wanderfischprogramms Sachsen-Anhalt wurden rund 50.000 junge Lachse in die Bode eingesetzt. Das Projekt soll dem einst ausgestorbenen Atlantischen Lachs die Rückkehr in seinen historischen Lebensraum ermöglichen. Nach mehr als zwei Jahrhunderten gilt die Aktion als bedeutender Schritt für die ökologische Wiederbelebung der Harzflüsse.

Ein großer Schritt für die Artenvielfalt

Das Ziel: Wiederansiedlung des Atlantischen Lachses

Der Atlantische Lachs (Salmo salar) gehört zu den bekanntesten Wanderfischarten Europas. Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein war er ein vertrauter Bewohner der Bode und ihrer Zuflüsse. Doch durch den Bau von Mühlen und Wehren, zunehmende Gewässerverschmutzung und intensive Nutzung verschwand die Art vollständig aus dem Harzgebiet. Mit der aktuellen Maßnahme will das Land Sachsen-Anhalt diesem Verlust entgegenwirken.

„Die Bode bietet sauberes, schnell fließendes Wasser und einen kiesigen Untergrund – ideale Bedingungen für die Wiederansiedlung des Lachses und der Meerforelle“, erklärt ein Sprecher des Instituts für Binnenfischerei (IfB) in Potsdam-Sacrow, das das Projekt wissenschaftlich begleitet. Das Wanderfischprogramm existiert seit 2009 und wird über die Fischereiabgabe des Landes finanziert. Langfristig soll eine selbsttragende Population von rund 500 Laichpaaren entstehen.

50.000 Junglachse – ein Neuanfang im Bodesystem

Zwischen Quedlinburg und Ditfurt setzten Mitarbeiter und Freiwillige in den vergangenen Wochen rund 50.000 halbjährige Junglachse aus. Diese jungen Tiere, im Frühjahr geschlüpft und in Aufzuchtstationen großgezogen, sollen sich in der Bode eingewöhnen, abwandern und später – nach etwa drei bis vier Jahren im Meer – zum Laichen zurückkehren.

Die Aktion gilt als Teil eines langfristigen Plans. Schon 2007 hatte eine umfassende Studie des IfB und des Landesbetriebs für Hochwasserschutz gezeigt, dass das Bode-Selke-System zu den wertvollsten Besatzgewässern des deutschen Elbegebiets gehört. Besonders positiv: rund 30 Hektar geeignete Laich- und Jungfischhabitate bieten günstige Voraussetzungen für die Art.

Historische Bedeutung und ökologische Dimension

Rückkehr nach über 200 Jahren

Der Lachs war im Harz seit über zwei Jahrhunderten verschwunden. Die aktuelle Wiederansiedlung ist daher nicht nur eine ökologische, sondern auch eine symbolische Maßnahme: Sie steht für den Versuch, verloren gegangene Naturzusammenhänge wiederherzustellen. Ein Mitglied des Angelvereins Quedlinburg, das beim Aussetzen der Junglachse half, formulierte es treffend: „Wir schreiben hier ein kleines Stück Geschichte.“

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Ein komplexes Flusssystem mit Herausforderungen

Die Bode entspringt im Hochharz und fließt über zahlreiche Abschnitte bis in die Saale. Auf diesem Weg durchquert sie verschiedene geologische und menschlich genutzte Räume. Das macht die Wiederansiedlung komplex: Wanderhindernisse wie Wehre, Querbauwerke und kleine Wasserkraftanlagen erschweren die Rückkehr der Fische zu ihren Laichplätzen.

Die Interessengemeinschaft Bode-Lachs e.V. betont: „Die Flüsse in Sachsen-Anhalt befinden sich in einem schlechten ökologischen Zustand. Kleinwasserkraftanlagen behindern die Durchgängigkeit und damit die natürliche Wanderung der Fische.“ Solche Aussagen verdeutlichen, dass der Erfolg des Projekts auch von strukturellen Verbesserungen abhängt – etwa dem Rückbau von Wehranlagen oder dem Bau von Fischaufstiegsanlagen.

Herausforderungen auf dem Weg zur selbsttragenden Population

Warum verschwand der Lachs einst aus der Bode?

Die historische Ursachenanalyse zeigt ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Flussverbauung, Wasserverschmutzung durch frühe Industrieanlagen und die Regulierung der Gewässer führten dazu, dass der Lachs seine Laichplätze nicht mehr erreichen konnte. In den oberen Abschnitten der Bode – etwa bei Altenbrak oder Treseburg – war die Bestandsdichte von Fischen laut Berichten von Anglern bereits im frühen 20. Jahrhundert stark rückläufig.

Moderne Bedrohungen und Umweltfaktoren

Aktuelle Beobachtungen aus Angel- und Naturforen weisen darauf hin, dass neben der Gewässerstruktur auch andere Faktoren den Erfolg beeinflussen könnten. Nutzer berichten von Verletzungen bei Jungfischen, mutmaßlich verursacht durch Kormorane oder andere Prädatoren. Außerdem spielen steigende Wassertemperaturen eine Rolle: Sie können den Sauerstoffgehalt senken und damit die Überlebenschancen der empfindlichen Jungfische mindern.

Fragen aus der Bevölkerung: Wie steht es um die Erfolgschancen?

Viele Menschen fragen sich: „Kann bereits auf Eigenvermehrung der Lachse in der Bode gesetzt werden?“ – Aktuell noch nicht. Das Wanderfischprogramm definiert eine selbsttragende Population als etwa 500 Laichpaare. Bis dahin müssen noch mehrere Generationen erfolgreich abwandern und zurückkehren. Erst dann wäre die Wiederansiedlung dauerhaft gesichert.

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Eine weitere häufige Frage lautet: „Welche Hindernisse bestehen trotz der Besatzmaßnahmen?“ – Hauptprobleme sind die unzureichende Durchgängigkeit der Gewässer und Nutzungskonflikte durch Kleinwasserkraftanlagen. Diese Hindernisse unterbrechen die natürliche Wanderroute zwischen Bode, Saale, Elbe und Nordsee.

Die wissenschaftliche Grundlage des Projekts

Das Wanderfischprogramm Sachsen-Anhalt

Das Wanderfischprogramm wurde 2009 ins Leben gerufen und verfolgt das Ziel, Wanderfischarten wie den Atlantischen Lachs, die Meerforelle und das Flussneunauge wieder in die Flusssysteme der Elbe zurückzubringen. Grundlage war eine 2007 begonnene Studie zur fischökologischen Eignung sachsen-anhaltischer Gewässer. Die Bode, die Selke und die Nuthe wurden dabei als besonders geeignet eingestuft.

Der Fokus liegt auf drei Hauptzielen:

  • Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit der Fließgewässer,
  • Wiederansiedlung historisch vorkommender Wanderfischarten,
  • Förderung der Umweltbildung und der Akzeptanz solcher Maßnahmen in der Bevölkerung.

Finanzierung und Organisation

Finanziert wird das Programm über die Fischereiabgabe des Landes Sachsen-Anhalt. Die organisatorische Leitung liegt beim Institut für Binnenfischerei e.V., unterstützt von regionalen Angelverbänden und Umweltorganisationen. Auch Bürgerbeteiligung spielt eine wichtige Rolle – viele der Aussetzungsaktionen werden mit Freiwilligen durchgeführt.

Statistische Eckdaten zur Wiederansiedlung

Jahr Ausgesetzte Junglachse Ort/Region
2021 20.000 Nuthe bei Zerbst
2023 35.000 Jeetze / Altmark
2025 50.000 Bode / Harz

Diese Zahlen verdeutlichen den wachsenden Umfang der Wiederansiedlungsbemühungen. Besonders der Sprung von 20.000 auf 50.000 Junglachse innerhalb weniger Jahre zeigt, dass das Land Sachsen-Anhalt zunehmend in den Erhalt der Biodiversität investiert.

Ökologische und gesellschaftliche Bedeutung

Der Lachs als Indikator für gesunde Flüsse

In ökologischer Hinsicht gilt der Atlantische Lachs als sogenannte Indikatorart: Sein Vorkommen weist auf saubere, strukturreiche und gut vernetzte Gewässer hin. Gelingt die Rückkehr des Lachses, profitieren zahlreiche andere Arten – darunter Insekten, Amphibien und Vögel – von denselben Lebensraumbedingungen.

Engagement der Bevölkerung

In sozialen Netzwerken und Angel-Foren zeigt sich reges Interesse. Viele Nutzer loben die Initiative, andere äußern Skepsis. „Die Idee ist großartig, aber ohne mehr Durchgängigkeit bleibt der Erfolg aus“, schreibt ein Angler aus Quedlinburg. Solche Stimmen verdeutlichen den Bedarf an langfristiger Unterstützung durch Politik, Wirtschaft und Bevölkerung.

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Antwort auf eine häufige Frage: Wofür wurden die 50.000 Junglachse eingesetzt?

Sie dienen nicht der Fischerei, sondern dem Aufbau einer reproduktionsfähigen Wildpopulation. Erst wenn diese sich über mehrere Generationen stabilisiert, könnte über eine kontrollierte Nutzung – etwa für Bildungsprojekte oder ökologische Führungen – nachgedacht werden.

Langfristige Perspektiven

Das Projekt hat nicht nur ökologische, sondern auch regionale Bedeutung. Der Harz könnte sich in Zukunft als Modellregion für ökologische Gewässerentwicklung etablieren. Projekte wie die Bode-Auswilderung sind eng mit Tourismus, Umweltbildung und nachhaltiger Regionalentwicklung verbunden.

Wie geht es weiter?

In den kommenden Jahren sollen Monitoringprogramme Aufschluss über die Überlebensrate und Wanderbewegung der Junglachse geben. Parallel dazu wird an der Verbesserung der Gewässerstruktur gearbeitet – unter anderem durch Rückbau von Querbauwerken und die Anlage natürlicher Auenbereiche.

Rückkehr des Lachses – ein Symbol für Hoffnung

Die Rückkehr des Lachses in die Bode ist mehr als eine biologische Maßnahme: Sie steht für den Willen, historische Fehler zu korrigieren und Flusssysteme in ihren natürlichen Zustand zurückzuführen. Selbst wenn es Jahre dauern wird, bis wieder Laichfische in die Bode zurückkehren, ist der symbolische Wert des Projekts immens. Der Anblick junger Lachse im klaren Wasser des Harzes zeigt, dass selbst jahrhundertealte Verluste nicht endgültig sein müssen – vorausgesetzt, der Mensch gibt der Natur eine echte Chance.

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Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.