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Was du über die Rainbow-Familie im Harz wissen solltest

Mitten im Landschaftsschutzgebiet des Harzes traf sich im Sommer 2024 eine internationale Bewegung, die für viele als Symbol für Frieden, Spiritualität und naturnahes Leben gilt – für andere jedoch als eine Belastung für Umwelt, Behörden und Anwohner: die Rainbow Family of Living Light. Ihr Gathering im Oberharz löste intensive Diskussionen aus, die bis heute nachwirken. Der vorliegende Artikel beleuchtet die wichtigsten Hintergründe, Perspektiven und Kontroversen – von Selbstverständnis über Umweltschäden bis hin zur Kritik indigener Gruppen und Behördenresonanz.

Was ist die Rainbow Family?

Die Rainbow Family, gegründet in den 1970er Jahren in den USA, versteht sich als eine weltweite spirituelle Gemeinschaft ohne formale Hierarchie, Organisation oder festen Anführer. Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Ihr Selbstbild basiert auf Pazifismus, Nachhaltigkeit, freier Liebe und universeller Brüderlichkeit. Gatherings – große, internationale Treffen – finden jährlich an wechselnden Orten weltweit statt. Besonders bedeutend ist das jeweilige Sommer- oder Vollmond-Gathering.

Rituelle Tänze, Meditationen, gemeinsames Kochen, Nacktbaden, Musik und Feuerzeremonien prägen das Bild der Camps. Alkohol ist meist unerwünscht, ebenso wie digitale Kommunikation. Stattdessen sollen Menschen im Einklang mit der Natur leben – temporär abgekoppelt vom System westlicher Konsumgesellschaft.

Das Gathering im Harz: Verlauf und Zahlen

Nach einem gescheiterten Aufbau im niedersächsischen Solling zog die Rainbow-Familie im August 2024 in das Landschaftsschutzgebiet bei Clausthal-Zellerfeld weiter. Laut Behörden hielten sich dort bis zu 2.000 Menschen aus über 60 Ländern auf. Ein Großteil der Teilnehmenden errichtete Zelte, Kochstationen, Lehmöfen und Latrinen – ohne offizielle Genehmigung.

Die Behörden – allen voran der Landkreis Goslar – stuften das Camp als illegal ein. Es gab keine Anmeldung, keine sanitären Anlagen im klassischen Sinne und keine Brandabsicherung. Das Gelände, auf dem das Gathering stattfand, war besonders schützenswert und schwer zugänglich. Dennoch entschied sich die Polizei gegen eine gewaltsame Räumung – aus Kostengründen und wegen der Topographie des Waldes.

Maßnahmen der Behörden

  • 70 Zelte wurden beschlagnahmt
  • Etwa 97 Fahrzeuge wurden abgeschleppt
  • Über 110 Bußgeldverfahren wurden eingeleitet (zwischen 300 und 5.000 Euro)
  • Polizeieinsatz mit 730 Kräften verursachte Kosten in Höhe von ca. 358.000 Euro

Das Gathering wurde offiziell am 3. September 2024 für beendet erklärt. Viele Teilnehmende reisten zuvor freiwillig ab.

Umweltbelastung und Kritik

Die Auswirkungen des Camps auf das Ökosystem des Harzes waren erheblich. Der Boden wurde verdichtet, Moosflächen zerstört und junge Bäume beschädigt. Die wohl größte Kontroverse jedoch betraf die improvisierten Toilettensysteme.

Hygieneproblematik im Überblick

FaktorWert
Teilnehmerzahl (geschätzt)1.500–2.000
Camp-Dauer~20 Tage
Gesamte Fäkalienmenge (geschätzt)ca. 5.000 kg
Nitratbelastung im Bodenerhöht, laut Forstbehörde

Hinzu kamen Berichte über verunreinigte Wasserquellen, Schäden durch das Graben von sogenannten „Shit Pits“ (offenen Latrinenlöchern) sowie zurückgelassenen Müll. Trotz einiger Versuche zur Reinigung durch Rainbow-Mitglieder kritisierten Umweltverbände und Behörden die langfristige Belastung des Bodens massiv.

Kulturelle und spirituelle Aspekte

Aus Sicht vieler Teilnehmender war das Gathering eine spirituelle Auszeit: Nackt im Fluss baden, gemeinsam singen, tanzen, kochen und diskutieren. Ein Teilnehmer sagte:

„Wir Rainbows leben im Einklang mit der Natur – Beruf, Religionszugehörigkeit, Hautfarbe, das spielt hier alles keine Rolle.“

Das Zusammensein soll frei von Zwängen und Konsum funktionieren. Eine tragende Rolle spielen dabei sogenannte „Vocalizer“ (Kommunikationsverantwortliche) und „Scouts“ (Erkunder geeigneter Orte). Die Regeln der Gemeinschaft werden mündlich überliefert – es gibt kein zentrales Dokument oder eine Website. Geld spielt während der Gathering-Zeit keine Rolle, Spenden hingegen schon.

Kritik indigener Gruppen und internationale Aspekte

Ein bislang wenig beachteter Aspekt: Mehrere indigene Stämme aus den USA und Kanada haben wiederholt Kritik an der Rainbow-Bewegung geäußert. Der Grund: spirituelle Rituale wie das gemeinsame Gebet oder der „Opening Circle“ basieren zum Teil auf frei interpretierten indigenen Praktiken – oft ohne Kontakt zu den ursprünglichen Kulturen.

Insbesondere die Nutzung sogenannter Hopi-Prophezeiungen, laut derer eine neue Menschheit aus allen Farben entstehen solle, gilt in wissenschaftlichen Kreisen als „fakelore“ – ein künstlich erschaffenes Mythengebilde.

Auch weltweit gab es bereits Gathering-bedingte Krisen:

  • USA 1987: Shigellosen-Ausbruch
  • Europa 2017: Typhus-Fälle
  • Thailand & Brasilien: Zusammenstöße mit Polizei wegen Naturschutzverletzungen

Selbstorganisierte Gesundheitsversorgung

Im Harz sowie bei internationalen Treffen ist ein Kollektiv namens C.A.L.M. (Center for Alternative Living Medicine) für die medizinische Versorgung zuständig. Dort arbeiten Ärztinnen und Therapeuten ehrenamtlich. Zum Einsatz kommen sowohl klassische Schulmedizin als auch alternative Verfahren wie Heilpflanzen, Reiki oder Meditation. Das Kollektiv betreibt auch einfache Wasserfiltersysteme und improvisierte Krankenlager.

Konfliktlinien mit Behörden

Das Verhältnis zwischen der Rainbow Family und der lokalen Verwaltung war angespannt. Behörden beklagten mangelnde Kooperationsbereitschaft, nicht erreichbare Verantwortliche und die Unmöglichkeit, Ansprechpartner festzulegen. Teilnehmende wiederum fühlten sich von Behörden pauschal kriminalisiert.

Ein besonders brisanter Vorfall: In Goslar brachen Unbekannte in ein sichergestelltes Lager ein, um konfisziertes Camp-Equipment zu stehlen – darunter Zelte und Werkzeuge. Die Polizei ermittelt, ein Zusammenhang mit Rainbow-Anhängern gilt als wahrscheinlich.

Fazit: Friedensbewegung mit Schattenseiten

Die Rainbow-Familie im Harz hat erneut gezeigt, wie schwer sich alternative Lebensentwürfe mit bestehenden Gesetzen und Umweltvorschriften vereinen lassen. Auf der einen Seite stehen Menschen, die in Harmonie mit der Natur leben wollen. Auf der anderen Seite stehen Behörden, die mit rechtlicher Klarheit, Umweltgesetzen und Sicherheitspflichten agieren müssen.

Dass das Gathering 2024 dennoch ohne größere Eskalation beendet wurde, lag vor allem an einer Kombination aus Dialog, freiwilliger Abreise und Zurückhaltung der Polizei. Doch die Spuren im Wald bleiben – ebenso wie die Frage, ob solche Veranstaltungen in schutzwürdigen Landschaften dauerhaft tragbar sind.

Ausblick

Die Diskussion über den Umgang mit der Rainbow-Bewegung dürfte weitergehen. Stimmen aus der Politik fordern strengere Auflagen für Großgruppen im Wald und einen klareren rechtlichen Rahmen. Auch indigene Vertreter drängen auf mehr Respekt gegenüber kulturellem Erbe.

Ob die Rainbow-Familie bereit ist, sich anzupassen – oder ob sie weiterhin bewusst auf Reibung mit der bestehenden Ordnung setzt – bleibt offen. Sicher ist: Der nächste Gathering-Ort wird bereits gesucht. Und mit ihm beginnt die Debatte von Neuem.

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.
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