Wernigerode, 29. Mai 2025, 08:00 Uhr
Der Harz ist eines der beliebtesten Wandergebiete Deutschlands. Mit dem Brocken als höchstem Gipfel Norddeutschlands und zahlreichen touristisch gut erschlossenen Wegen zieht er jährlich Hunderttausende Besucher an. Doch wer meint, den Harz bereits in- und auswendig zu kennen, irrt oft. Abseits der bekannten Brockenpfade, des Hexentanzplatzes und der Rappbodetalsperre gibt es eine Vielzahl an nahezu unberührten und weniger frequentierten Wanderwegen, die selbst Einheimischen kaum bekannt sind. Sie bieten nicht nur Ruhe, sondern auch außergewöhnliche Naturerlebnisse – von moosüberwachsenen Felsformationen bis hin zu periodisch verschwindenden Seen.
Die stille Seite des Harzes
Viele Wanderer berichten, dass sie auf den bekannten Routen häufig nicht zur Ruhe kommen: Menschenmengen, Selfie-Spots, Fahrradtouristen und Busgruppen prägen das Bild. Die hier vorgestellten Geheimtipps hingegen bieten eine fast meditative Wandererfahrung. Sie führen durch dichte Wälder, vorbei an stillen Seen, über verwitterte Klippen und durch urtümliche Täler – perfekt für alle, die sich mit der Natur verbunden fühlen möchten.
Jermersteinklippen – das stille Panorama bei Braunlage
Die Jermersteinklippen nahe Braunlage liegen eingebettet im Nationalpark Harz. Die teils moosbedeckten Felsformationen strahlen eine archaische Ruhe aus. Besonders eindrucksvoll ist der Ausblick auf die umliegenden Höhen wie Achtermann, Brocken und Wurmberg. Frühmorgens oder bei leichtem Nebel bietet sich ein fast mystisches Panorama. Der Weg ist einfach zu erreichen und dennoch erstaunlich wenig frequentiert.
Ilsetal und Ilsefälle – das Wasser rauscht im Rhythmus des Waldes
Das Ilsetal südlich des Brockens bietet eine der romantischsten Routen im Harz. Die Ilsefälle, die sich über kleine Felsstufen ergießen, begleiten Wanderer auf dem Weg zur Plessenburg. Gerade im Herbst, wenn sich das Laub in Gold- und Rottönen färbt, wirkt die Szenerie wie aus einem Gemälde. Die Strecke ist abwechslungsreich, bietet moderate Steigungen und viele Gelegenheiten für eine Rast inmitten der Natur.
Die wilde Schönheit der Teufelsmauer
Zwischen Ballenstedt und Blankenburg ragt die Teufelsmauer auf – eine bizarre Felsformation mit verwitterten, markanten Spitzen. Besonders das “Hamburger Wappen”, eine dreizackige Felsformation, zieht Geologie-Interessierte wie Naturfreunde gleichermaßen in ihren Bann. Auf gut ausgebauten Pfaden lässt sich die Mauer umrunden, wobei zahlreiche Aussichtspunkte immer wieder zum Verweilen einladen.
Geheime Wanderwege mit Charakter
Jeder der hier vorgestellten Wege besitzt einen ganz eigenen Charakter. Manche führen zu historischen Stätten, andere wiederum zu naturkundlichen Besonderheiten. Sie lassen sich ideal in ein verlängertes Wanderwochenende integrieren oder auch einzeln als Tagesausflug unternehmen.
Der Liebesbankweg in Hahnenklee – Romantik auf Schritt und Tritt
Rund um den Bocksberg schlängelt sich der Liebesbankweg, ein liebevoll gestalteter Themenweg, der ideal für Paare, Familien und Spaziergänger ist. Auf etwa sieben Kilometern laden künstlerisch gestaltete Bänke, Gedichte und Aussichtspunkte zum Verweilen ein. Besonders im Frühling und Sommer entfaltet dieser Weg sein volles Flair – wenn die Blüten blühen und der Bocksberg im Sonnenlicht glänzt.
Oderteich-Rundweg – Stille Wasser sind tief
Der historische Oderteich, einer der ältesten Stauseen Deutschlands, ist von einem einfachen Rundweg umgeben. Das klare, dunkle Wasser, die moorigen Uferzonen und die dichten Wälder verleihen der Strecke eine fast skandinavische Atmosphäre. Dieser Weg ist ideal für jene, die die Ruhe suchen und dabei Naturgeschichte atmen möchten – denn der Teich wurde bereits im 18. Jahrhundert zur Energiegewinnung für den Bergbau gebaut.
Wilde Runde zum Bodekessel – Wasserfall inklusive
Der Weg zum Bodekessel nahe Thale ist anspruchsvoller, belohnt Wanderer aber mit einer urwüchsigen Landschaft, schattigen Pfaden und einem wilden Wasserfall. Der Aufstieg über Serpentinen führt zum Hexentanzplatz, von dem aus sich ein fantastischer Ausblick auf das Bodetal ergibt. Besonders schön: die Rast an der traditionsreichen Königsruhe, einer kleinen Gaststätte im Tal.
Unbekannte Schätze aus der Tiefe der Recherche
In einer vertieften Analyse wurden weitere Orte identifiziert, die bisher kaum in klassischen Wanderführern erwähnt werden. Sie zeichnen sich durch geologische Besonderheiten, seltene Flora oder geschichtliche Hintergründe aus.
Schnarcherklippen – das magnetische Wunder
Die Schnarcherklippen bei Schierke sind zwei markante Granitfelsen, die für ihre magnetischen Eigenschaften bekannt sind: Kompassnadeln können hier deutlich abweichen. Der Weg dorthin ist kurz, aber eindrucksvoll, und führt durch alten Mischwald mit Blick auf das Tal von Schierke. Ein echter Geheimtipp für alle, die sich für geophysikalische Kuriositäten interessieren.
Der Bauerngraben – ein See, der verschwindet
Zwischen Roßla und Breitungen im Südharz liegt ein Naturphänomen: der Bauerngraben, auch „Hungersee“ genannt. Dieser intermittierende See verschwindet regelmäßig aufgrund unterirdischer Entwässerung und taucht nach Starkregen wieder auf. Ein Rundweg erschließt die Umgebung und erlaubt es, diesen ungewöhnlichen Wandel hautnah zu erleben.
Böser Kleef bei Altenbrak – Felsen mit Aussicht
Über dem Bodetal thront der Granitfelsen Böser Kleef. Der Weg dorthin ist weniger bekannt, aber gut ausgeschildert. Von der Schutzhütte am Aussichtspunkt aus öffnet sich ein weiter Blick über das Tal und die umliegenden Höhenzüge. Der Ort bietet sich besonders für stille Momente an – weit weg vom Massentourismus.
Wurmbergplateau – Kultstätte und Ausblick
Auf dem Plateau des Wurmbergs bei Braunlage befinden sich historische Steinsetzungen, die einst als heidnische Kultstätte gedient haben könnten. Heute ist der Ort ein perfekter Ausgangspunkt für natur- und kulturhistorische Wanderungen. Die Wege sind leicht begehbar, die Atmosphäre auf dem Plateau von besonderer Energie.
Hohnekamm mit Leistenklippe – das Tor zur Fantasie
Die Leistenklippe am Hohnekamm, erreichbar von Drei Annen Hohne, bietet eine spektakuläre Szenerie: bizarre Felsformationen, windzerzauste Bäume und ein ständiger Wechsel von Licht und Schatten. Die Aussicht reicht bis zum Brocken – ideal für stimmungsvolle Wanderungen im Abendlicht.
Praktische Tipps für Wanderfreunde
Damit Ihre Wanderung zu einem sicheren und erholsamen Erlebnis wird, sollten Sie folgende Punkte beachten:
- Planung: Informieren Sie sich vorab über die Länge, Höhenmeter und Beschaffenheit der Route.
- Wetter: Der Harz ist bekannt für Wetterumschwünge – Regenkleidung und wetterfeste Schuhe sind Pflicht.
- Ausrüstung: Tagesrucksack, ausreichend Wasser (mind. 2 Liter), Kartenmaterial oder GPS-Gerät sowie ein kleiner Snack sollten nicht fehlen.
- Respekt vor der Natur: Bleiben Sie auf den Wegen, vermeiden Sie Lärm und nehmen Sie Ihren Müll mit zurück.
Fazit: Neue Wege im alten Mittelgebirge
Der Harz hat mehr zu bieten als nur den Brocken. Wer sich auf unbekannte Pfade wagt, wird mit Einsamkeit, ursprünglicher Natur und authentischen Erlebnissen belohnt. Die hier vorgestellten Wanderungen zeigen, wie vielfältig die Landschaften des Harzes sind – und wie viele Geschichten sie erzählen. Ob Fels, Wasser, Wald oder Kultstätte: Jeder Weg öffnet ein neues Kapitel dieses alten Mittelgebirges. Wer bereit ist, abseits zu gehen, wird entdecken, dass der wahre Reichtum des Harzes nicht im Zentrum liegt, sondern an seinen stillen Rändern.