
Goslar/Seesen. Im Harz kam es bei einem AfD-Bürgerdialog zu einem Eklat, der bundesweit für Aufmerksamkeit sorgte. Statt sachlichem Austausch bestimmten Beleidigungen, persönliche Angriffe und Drohungen den Abend. Vor laufender Kamera zerlegte sich der Kreisverband Goslar öffentlich, begleitet von Protesten vor dem Veranstaltungsort.
Ein Bürgerdialog im Harz, der zum Showdown wurde
Das Jacobson-Haus als Bühne
Im Jacobson-Haus in Seesen, einer traditionsreichen Einrichtung im Harz, sollte ein Bürgerdialog stattfinden. Ziel war es, die AfD für Bürgerinnen und Bürger greifbarer zu machen. Doch schon in den ersten Minuten zeigte sich: Hier ging es nicht um politische Inhalte, sondern um interne Machtkämpfe. Besonders brisant: Zur gleichen Zeit fanden dort die Jüdischen Kulturtage statt, was bereits im Vorfeld Kritik an der Wahl des Veranstaltungsortes hervorgerufen hatte.
Die Eskalation in Echtzeit
Die Veranstaltung wurde von einem AfD-nahen Influencer live gestreamt. Damit war jedes Wort, jede Geste und jede Eskalation sofort für alle sichtbar. Nach wenigen Minuten kam es zu Unterbrechungen, als der Kreisvorsitzende Main Müller Vorwürfe gegen Teile seines Vorstands erhob. Er sprach von gefälschten E-Mails und manipulierten Sprachnachrichten, die ihn diskreditieren sollten. Kurz darauf wurde ihm das Mikrofon abgedreht – eine Maßnahme, die das Chaos nur noch verstärkte.
Ein Kreisverband im offenen Machtkampf
Die Hauptakteure
Der Vorsitzende Main Müller stand im Zentrum der Auseinandersetzungen. Mehrere Vorstandsmitglieder hatten das Vertrauen in ihn verloren und ein Schiedsverfahren beantragt. Müller wiederum warf seinen Gegnern gezielte Untergrabung vor. An seiner Seite stand zeitweise der Bundestagsabgeordnete Micha Fehre, Mitglied des Landesvorstands Niedersachsen. Er versuchte zu schlichten und eröffnete die Veranstaltung mit den Worten, der Kreisverband habe „ein Problem“. Doch auch seine Autorität reichte nicht aus, um die Lage zu beruhigen.
Die Eskalation auf offener Bühne
Der wohl prägnanteste Moment des Abends war, als der Landtagsabgeordnete Omid Najafi zu Müller sagte: „Halt du die Fresse.“ Mitten im Saal, vor Publikum und Kamera, fiel diese Beleidigung, gefolgt von der Aufforderung, die Auseinandersetzung „vor der Tür“ fortzuführen. Augenzeugen berichten, dass einige Teilnehmer den Saal verlassen wollten, um Konflikte außerhalb zu klären. Zwischenrufe aus dem Publikum verschärften die Situation weiter.
Öffentliche Wahrnehmung und Proteste im Harz
Ein Verhältnis von 450 zu 80
Während drinnen rund 80 Menschen der AfD-Veranstaltung beiwohnten, demonstrierten draußen etwa 450 Personen gegen das Format. Unter dem Motto „Seesen gegen Rechtsextremismus“ wurden Reden gehalten, Musik gespielt und Transparente gezeigt. Dieses klare Missverhältnis verdeutlichte die Stimmungslage im Harz: Die AfD steht hier nicht nur im Fokus, sondern auch massiv in der Kritik.
Friedliche Protestkultur
Trotz der aufgeheizten Stimmung verliefen die Proteste insgesamt friedlich. Die Polizei meldete keine größeren Zwischenfälle. Für viele Beobachter wurde deutlich, dass die Zivilgesellschaft im Harz stark und organisiert ist. Während die AfD sich im Saal zerstritt, setzten die Bürger draußen ein klares Signal der Ablehnung.
Die Rolle der sozialen Medien
Facebook und YouTube als Verstärker
Auf Facebook wurden längere Mitschnitte veröffentlicht, die das Ausmaß der Eskalation dokumentieren. Nutzer kommentierten mit Spott und Erschütterung. In den Kommentaren hieß es, die AfD habe sich selbst „zerlegt“. Auch auf YouTube tauchten vollständige Livestreams auf, die minutiös nachvollziehbar machten, wann und wie die Stimmung kippte. Zwischenrufe, Applaus und Buhrufe sind dort klar zu hören und verstärken den Eindruck einer chaotischen Veranstaltung.
Diskussionen auf Reddit
In Foren wie Reddit wurde das Geschehen intensiv diskutiert. Nutzer hoben hervor, dass die Beteiligten ausdrücklich wollten, dass die Kameras weiterliefen. Für viele ein Zeichen fehlender Hemmung und politischer Selbstkontrolle. Einige Kommentatoren äußerten die Sorge, dass solche Bilder der Demokratie insgesamt schadeten, während andere zynisch anmerkten, dass Skandale nicht unbedingt zu Stimmverlusten führten.
Häufige Fragen zum Eklat in Goslar
Wer rief „Halt du die Fresse“ beim AfD-Bürgerdialog?
Diese Worte stammten von Omid Najafi, Landtagsabgeordneter der AfD, der sie direkt an Main Müller richtete. Sie gelten inzwischen als Symbol für den gesamten Abend.
Was war der Auslöser für die Eskalation?
Der Streit hatte seinen Ursprung in einem internen Machtkampf des Kreisverbands Goslar. Teile des Vorstands hatten das Vertrauen in Müller verloren und ein Schiedsverfahren beantragt.
Wie viele Menschen nahmen an der Veranstaltung und am Protest teil?
Im Saal waren rund 80 Teilnehmer, während vor dem Gebäude rund 450 Menschen gegen die Veranstaltung demonstrierten.
Wurde der Bürgerdialog gefilmt?
Ja, ein YouTuber übertrug die gesamte Veranstaltung live. Dadurch wurde die Eskalation sofort öffentlich und konnte nicht mehr relativiert werden.
Welche Stellungnahmen gab es von der AfD-Spitze?
Der Landesverband Niedersachsen wurde eingeschaltet. Micha Fehre machte deutlich, dass demokratische Abläufe im Kreisverband Goslar nicht eingehalten würden.
Warum war die Wahl des Jacobson-Hauses umstritten?
Parallel fanden dort die Jüdischen Kulturtage statt. Stefan Bungert, Vorsitzender der Jacobson-Stiftung, äußerte zuvor Kritik, dass die AfD ihre Veranstaltung in diesem Rahmen abhielt.
Analyse: Folgen für die AfD im Harz
Vertrauensverlust im Kreisverband
Der Kreisverband Goslar ist durch den Vorfall tief gespalten. Wenn interne Konflikte nicht mehr im Hintergrund, sondern vor laufender Kamera ausgetragen werden, leidet die Glaubwürdigkeit. Bürgerdialoge, die zu offenen Machtkämpfen verkommen, stärken nicht das Vertrauen in politische Arbeit.
Signalwirkung über den Harz hinaus
Die Ereignisse von Goslar sind nicht nur ein lokales Phänomen. Sie stehen exemplarisch für interne Probleme der AfD in verschiedenen Regionen. Der Harz wurde hier zur Bühne, die bundesweit Beachtung fand. Beobachter sehen in diesem Vorfall ein Sinnbild für eine Partei, die nach außen Geschlossenheit propagiert, intern aber um Führung und Strukturen ringt.
Die Stärke der Zivilgesellschaft im Harz
Besonders hervorzuheben ist die große Beteiligung am Gegenprotest. Mit 450 Menschen war er deutlich stärker besetzt als die eigentliche Veranstaltung. Das zeigt, dass der Harz nicht nur von parteiinternen Konflikten geprägt ist, sondern auch von einer lebendigen Zivilgesellschaft, die sich aktiv positioniert.
Die Rolle der Medien
Ohne Livestreams und Social-Media-Verbreitung wäre der Eklat vermutlich regional geblieben. Doch durch die unmittelbare Öffentlichkeit wurde er zu einem bundesweiten Thema. Gerade im Harz zeigt sich, wie moderne Medien politische Prozesse verändern: Sie schaffen Transparenz, aber auch Zuspitzung und dauerhafte Sichtbarkeit von Konflikten.
Fazit: Der Harz als Brennglas politischer Konflikte
Der Bürgerdialog der AfD in Goslar hat gezeigt, wie sehr interne Konflikte eine Partei belasten können. Im Harz wurde dies besonders sichtbar: Statt Bürgernähe erlebte die Öffentlichkeit einen Schlagabtausch voller Beleidigungen und Drohungen. Der massive Gegenprotest unterstrich zudem, dass die Partei hier auf starken Widerstand trifft. Die Kombination aus Livestream, öffentlicher Eskalation und kritischer Begleitung durch die Zivilgesellschaft macht den Vorfall zu einem Lehrstück über die politische Kultur im Harz. Für die AfD bedeutet dies einen Imageschaden, der über die Region hinausreicht – für den Harz zeigt es die Stärke einer aktiven und wachsamen Gesellschaft.