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Harz | Elektrobagger in der Altstadt: Wie Wernigerode beim Bauen neue Wege geht

Wernigerode, 11. Juni 2025, 06:00 Uhr

Bild beispielhaft

Die Altstadt von Wernigerode ist für ihre malerischen Fachwerkhäuser, engen Gassen und sensiblen historischen Bauwerke bekannt. Doch aktuell tut sich hier etwas ganz Besonderes – und zwar auf einer Baustelle. Im Auftrag der Stadtwerke Wernigerode führt die Firma Rohrleitungsbau Scheffer GmbH Bauarbeiten mit einem Elektrobagger durch. Dieses Projekt steht exemplarisch für einen wachsenden Wandel im Bauwesen: weg von Diesel, hin zu nachhaltiger und emissionsfreier Technik – besonders in sensiblen innerstädtischen Lagen.

Ein Bauprojekt mit Signalwirkung

Die Baustelle befindet sich in der Hinterstraße, mitten in der dicht bebauten Altstadt. Die Besonderheit: Statt eines klassischen Dieselbaggers kommt ein vollelektrischer Bagger zum Einsatz. Die Entscheidung fiel nicht zufällig. In engen Altstadtgassen sind herkömmliche Baumaschinen nicht nur laut und emissionsintensiv – sie gefährden auch durch Vibrationen die historische Bausubstanz. Der Elektrobagger hingegen arbeitet leise, emissionsfrei und vibrationsarm.

Die Firma Scheffer als Vorreiter

Rohrleitungsbau Scheffer GmbH mit Sitz in Blankenburg gilt als regionaler Vorreiter im Bereich nachhaltiges Bauen. Seit über 40 Jahren ist das Unternehmen in den Bereichen Tief-, Hoch- und Rohrleitungsbau tätig und setzt zunehmend auf innovative Technologien. Der Einsatz des Elektrobaggers in Wernigerode zeigt, wie moderne Technik in Einklang mit traditioneller Bausubstanz gebracht werden kann.

Vorteile für Mensch, Stadt und Klima

Der Umstieg auf den Elektrobagger bringt zahlreiche Vorteile mit sich – sowohl für die Stadt, als auch für die Bewohnerinnen und Bewohner. Die wichtigsten Pluspunkte im Überblick:

  • Emissionsfreiheit: Keine CO₂- oder NOₓ-Emissionen direkt vor Ort.
  • Geringe Geräuschentwicklung: Arbeiten sind deutlich leiser – ein Plus in Wohngebieten.
  • Schonung der Altstadtstruktur: Reduzierte Vibrationen schützen denkmalgeschützte Gebäude.
  • Effizienz im Betrieb: Der Stromverbrauch liegt deutlich unter dem eines vergleichbaren Dieselbaggers.
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Auch die Bediener selbst profitieren: Der Bagger arbeitet fast vibrationsfrei, erzeugt kaum Abwärme und bietet eine angenehmere Arbeitsumgebung.

Einordnung in nationale und internationale Entwicklungen

Was in Wernigerode passiert, ist Teil einer internationalen Bewegung. Städte wie Oslo, Kopenhagen, Amsterdam und Helsinki fördern bereits aktiv emissionsfreie Baustellen (Zero-Emission Construction Sites – ZECs). In Oslo wurde bereits 2019 eine komplette Baustelle mit elektrischen Maschinen betrieben – mit beeindruckenden Ergebnissen: Der Dieselverbrauch sank um 35.000 Liter, CO₂-Emissionen wurden um über 90 Tonnen reduziert.

Auch Deutschland zieht nach. In Berlin, Hamburg, München und Aachen wurden bereits Pilotprojekte gestartet. Unterstützt werden diese durch Förderprogramme von KfW, BAFA oder der BG BAU. Zuschüsse von bis zu 40 Prozent für elektrische Baumaschinen und Ladeinfrastruktur sollen den Umstieg erleichtern.

Technik auf dem Prüfstand: Leistungsfähig, aber mit Grenzen

Der in Wernigerode eingesetzte Elektrobagger ist technisch mit einem klassischen Dieselmodell vergleichbar. Die Batteriekapazität reicht für einen Arbeitstag bei typischen Einsatzbedingungen. Dennoch gibt es Einschränkungen:

„Wo die Bagger meistens zum Einsatz kommen, gibt es meist keinen Strom … sechs Stunden Betriebszeit sind da oft zu kurz“

Diese Aussage verdeutlicht ein grundsätzliches Problem: In ländlichen oder temporären Baustellen fehlt häufig die Ladeinfrastruktur. Zudem ist Schnellladen nur mit Hochleistungsladern möglich, die wiederum Stromnetze stark beanspruchen. In Städten wie Wernigerode, wo die Baustelle ans Stromnetz angeschlossen werden kann, ist der Einsatz jedoch problemlos möglich.

Wirtschaftliche Betrachtung: Anfangsinvestition versus Betriebskosten

Ein zentrales Argument gegen den Elektrobagger ist der höhere Anschaffungspreis. Aktuelle Modelle kosten rund 30 bis 90 Prozent mehr als vergleichbare Dieselbagger. Langfristig amortisiert sich die Investition jedoch durch:

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Kostenfaktor Dieselbagger Elektrobagger
Jährliche Energiekosten ~6.500 USD ~3.350 USD
Wartungskosten Höher (Filter, Öl, Motor) Geringer (weniger bewegliche Teile)
Anschaffung Standardpreis 30–90 % teurer

Diese Zahlen zeigen: Besonders bei langfristigem Einsatz und unter Berücksichtigung von Fördermitteln kann der Elektrobagger wirtschaftlich sogar günstiger sein als der konventionelle Dieselbagger.

Retrofitting: Eine Brücke in die Zukunft

Ein interessanter Aspekt ist die Möglichkeit, bestehende Dieselbagger auf Elektrobetrieb umzurüsten. In Norwegen und den Niederlanden wird dies bereits erfolgreich praktiziert. Nachrüstsätze, Batteriesysteme und Kabelanbindungen machen es möglich, alte Maschinen weiter zu nutzen – jedoch ohne Emissionen. Dies könnte besonders für mittelständische Betriebe in Deutschland ein attraktiver Weg sein, am Wandel teilzuhaben, ohne komplett neu investieren zu müssen.

Stadtbild und Denkmalschutz im Fokus

Für eine Stadt wie Wernigerode ist der Schutz des historischen Stadtbildes essenziell. Die enge Bebauung, alte Pflasterstraßen und denkmalgeschützte Fassaden reagieren empfindlich auf Baustellenbetrieb. Hier punktet der Elektrobagger nicht nur ökologisch, sondern auch kulturell:

  • Weniger Erschütterungen schonen Fundamente und Fassaden.
  • Kein Abgasgeruch in engen Gassen oder bei offenen Fenstern.
  • Geringere Lärmbelastung während der Bauzeit.

Die Baustelle in der Hinterstraße ist daher ein gelungenes Beispiel für moderne Technik im Einklang mit dem kulturellen Erbe einer Stadt.

Wernigerode als Modell für die Region

Der Einsatz eines Elektrobaggers in Wernigerodes Altstadt ist weit mehr als eine technische Spielerei. Es ist ein konkreter Beitrag zum Umweltschutz, zur Lärmvermeidung und zum Erhalt historischer Strukturen – und damit ein Modellprojekt für viele weitere Städte im Harz und darüber hinaus.

Zwar sind nicht alle Herausforderungen gelöst: Ladeinfrastruktur, Akku-Kapazitäten und Anschaffungskosten bleiben Themen, die es in den kommenden Jahren zu verbessern gilt. Doch das Beispiel Wernigerode zeigt, dass der Wandel möglich ist – wenn Innovation, politische Förderung und regionale Initiative zusammenkommen.

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Die Firma Scheffer beweist damit nicht nur Pioniergeist, sondern setzt ein Zeichen für zukunftsfähiges Bauen im Harz. Weitere Projekte dieser Art könnten folgen – und aus der vermeintlich kleinen Baustelle in einer Harzer Altstadt ein starkes Signal für nachhaltiges Bauen in ganz Deutschland werden.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.