
Quedlinburg, 2. Juni 2025, 09:00 Uhr (CCS)
Bild exemplarisch
Der leerstehende ehemalige Praktiker-Baumarkt am Neinstedter Feldweg in Quedlinburg erhält eine neue Zukunft. Mit umfassenden Sanierungs- und Umbaumaßnahmen wird das Gebäude derzeit auf die Eröffnung einer neuen Filiale des Renovierungs-Discounters tedox vorbereitet. Dieser Schritt bringt nicht nur eine neue Einzelhandelsadresse in den Landkreis Harz, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die Herausforderungen und Chancen im Umgang mit aufgegebenen Handelsimmobilien in Mittelzentren.
Revitalisierung statt Leerstand – ein bekanntes Muster
Seit der Insolvenz der Praktiker AG im Jahr 2013 stehen viele ehemalige Filialen deutschlandweit leer oder wurden nur sporadisch weitergenutzt. Die großflächigen Baumarkt-Gebäude, oft in Randlagen oder Gewerbegebieten angesiedelt, stellen Städte und Eigentümer vor planerische und wirtschaftliche Herausforderungen. In Quedlinburg hat sich nun ein Szenario realisiert, das vielerorts Schule machen könnte: Investitionen in Bestandsimmobilien, um neue Handelskonzepte zu etablieren.
Der Standort: Potenzial in der Peripherie
Das Grundstück am Neinstedter Feldweg ist verkehrsgünstig gelegen und besitzt eine großzügige Verkaufsfläche mit ausreichend Parkplätzen. Für tedox bietet sich hier eine attraktive Möglichkeit, erstmals im Landkreis Harz Fuß zu fassen. Die Region gewinnt damit einen weiteren Akteur im Segment preisgünstiger Wohn- und Renovierungsartikel, was auch den regionalen Wettbewerb beleben dürfte.
Umbau mit klarer Zielsetzung
Bereits von außen ist der Wandel sichtbar: Die vormals graue Fassade des Gebäudes zeigt sich in frischem Weiß und Gelb – den Farben von tedox. Im Inneren wurden neue Bodenbeläge verlegt und die Verkaufsfläche wird an die Bedürfnisse des neuen Mieters angepasst. Die Fertigstellung der Umbauarbeiten ist für den Spätsommer vorgesehen, die offizielle Eröffnung wurde auf den 17. September 2025 terminiert.
Tedox: Vom Restpostenmarkt zum Renovierungs-Discounter
Tedox wurde in den 1970er Jahren gegründet und hat sich vom klassischen Teppich- und Bodenbelagsanbieter zu einem breit aufgestellten Discounter für Renovierungsbedarf entwickelt. Das Sortiment umfasst Farben, Tapeten, Heimtextilien, Möbel, Dekoration sowie Haushaltswaren – zu günstigen Preisen. Der neue Standort in Quedlinburg erweitert das Filialnetz, das deutschlandweit über 120 Standorte zählt.
Marktdynamik und Wettbewerb vor Ort
Mit der Ansiedlung von tedox verstärkt sich der Wettbewerb im Heimwerker- und Renovierungssegment im Landkreis Harz. Bereits bestehende Anbieter wie Hagebaumarkt oder Hellweg bedienen Teile des Bedarfs, doch tedox positioniert sich bewusst als günstige Alternative, die vor allem preisbewusste Kunden anspricht.
Diese Entwicklung könnte Auswirkungen auf lokale Marktanteile und Kaufkraftbindung haben. Gleichzeitig profitieren Verbraucher von mehr Auswahl und besseren Preisstrukturen – ein klassischer Effekt funktionierenden Wettbewerbs.
Mehr als nur Handel: Auswirkungen auf Stadtbild und Wirtschaft
Die Wiederbelebung des leerstehenden Gebäudes ist nicht nur aus Sicht des Handels von Bedeutung. Auch städtebaulich und wirtschaftlich ergeben sich positive Effekte:
- Stärkung des Gewerbestandorts: Durch die neue Nutzung wird der Standort am Neinstedter Feldweg als Gewerbezone aufgewertet.
- Reduktion von Leerstand: Ein markantes, lange ungenutztes Gebäude wird sinnvoll verwertet und trägt zur optischen Aufwertung des Umfelds bei.
- Neue Arbeitsplätze: Zwar wurden noch keine konkreten Zahlen genannt, doch erfahrungsgemäß entstehen bei Eröffnungen dieser Größenordnung zwischen 20 und 40 neue Jobs im Verkauf, der Logistik und in der Verwaltung.
Logistik und Erreichbarkeit als Standortvorteile
Ein entscheidender Pluspunkt für den neuen Standort liegt in seiner verkehrstechnischen Erreichbarkeit. Die Zufahrt erfolgt direkt von der Bundesstraße, Parkplätze sind zahlreich vorhanden, die Anbindung an das ÖPNV-Netz ist solide. Damit ist der Markt sowohl für Kunden aus Quedlinburg als auch für Besucher aus umliegenden Gemeinden gut zugänglich.
Erwartungen an das Verkehrsaufkommen
Mit der Wiederaufnahme des Betriebs auf dem Gelände ist mit einem moderaten Anstieg des Verkehrsaufkommens zu rechnen – vor allem zu Stoßzeiten. Die Stadtverwaltung beobachtet die Entwicklung, sieht jedoch derzeit keinen Bedarf für verkehrslenkende Maßnahmen. Eine zukünftige Verkehrszählung zur Evaluierung möglicher Anpassungen sei jedoch „nicht ausgeschlossen“.
Langfristige Perspektiven für Handelsimmobilien
Die Transformation des ehemaligen Praktiker-Markts ist exemplarisch für eine Bewegung im Immobiliensektor: weg von Neubauten, hin zur Revitalisierung bestehender Objekte. Dies entspricht nicht nur den Anforderungen nachhaltiger Stadtentwicklung, sondern auch den finanziellen Überlegungen vieler Handelsunternehmen.
Gewerbeimmobilien im Wandel
Experten der Immobilienwirtschaft beobachten bundesweit einen Trend zur Umnutzung von Einzelhandelsimmobilien, insbesondere nach Insolvenzen großer Ketten. Praktiker, real, Schlecker – die Liste leerstehender Märkte war lang. Inzwischen zeigen sich jedoch vermehrt Projekte, in denen diese Flächen erfolgreich neu belegt werden – durch Discounter, Fachmärkte, Pop-up-Konzepte oder sogar durch Umwandlungen in Wohnraum.
Stimmen aus der Region
Die Rückkehr von Handelsbetrieb an den alten Praktiker-Standort wird in Quedlinburg gemischt aufgenommen. Während sich viele Bürger auf das neue Angebot freuen, äußern andere Bedenken bezüglich der Sortimentsüberschneidung mit bestehenden Geschäften.
Ein ortsansässiger Einzelhändler merkt an:
„Natürlich ist Wettbewerb gut. Aber wenn alle nur über den Preis gehen, geraten kleinere Fachgeschäfte zunehmend unter Druck.“
Dem gegenüber steht die Meinung einer Passantin:
„Ich finde es super. Endlich passiert mal was mit der alten Halle. Und wenn man dort günstige Sachen für die Wohnung bekommt, ist das doch für alle gut.“
Nachhaltigkeit: Noch Luft nach oben?
Ein bisher wenig beachteter Aspekt ist die ökologische Dimension der Filialeröffnung. Zwar wurde das Gebäude nicht abgerissen, sondern saniert – was energetisch als sinnvoll gilt. Jedoch ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang tedox auf nachhaltige Maßnahmen beim Betrieb setzt.
Beispiele aus anderen Städten zeigen, dass durch Photovoltaikanlagen, LED-Beleuchtung und Wärmerückgewinnung deutliche Einsparungen im Energieverbrauch möglich sind – ein Thema, das in zukünftigen Planungen durchaus stärkere Berücksichtigung finden könnte.
Fazit: Ein Schritt mit Signalwirkung
Mit der bevorstehenden Eröffnung der tedox-Filiale in Quedlinburg wird nicht nur eine weitere Lücke im lokalen Einzelhandel geschlossen. Es entsteht ein Signalprojekt, das zeigt, wie durch vorausschauende Nutzungskonzepte leerstehende Großflächen reaktiviert und sinnvoll in das wirtschaftliche Gefüge einer Stadt integriert werden können.
Gleichzeitig bleiben Fragen offen: Wie wirkt sich die neue Konkurrenz langfristig auf bestehende Geschäfte aus? Welche Maßnahmen könnten den Betrieb ökologisch nachhaltiger gestalten? Und wie lässt sich das Modell auf andere Städte übertragen?
Klar ist: Der alte Praktiker-Markt ist Geschichte – und ein neues Kapitel für den Standort beginnt.