
Magdeburg, 01.06.2025, 09:00 Uhr (CCS)
In Sachsen-Anhalt ist eine hitzige Debatte über die Preisgestaltung des Landesforstbetriebs entbrannt. Private Forstunternehmen beklagen sich über eine marktverzerrende Preispolitik der öffentlichen Konkurrenz und sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die konstant niedrigen Stundensätze, mit denen der Landesbetrieb forstwirtschaftliche Dienstleistungen anbietet. Doch die Diskussion reicht tiefer – bis hin zur Frage, wie viel wirtschaftlicher Wettbewerb in der öffentlichen Forstwirtschaft zulässig ist.
Konfliktlinie zwischen öffentlicher Effizienz und privater Wirtschaftlichkeit
Seit Jahren berechnet der Landesforstbetrieb Sachsen-Anhalt seine Stundensätze ohne Anpassung an Inflation oder steigende Betriebskosten. Während das Land diesen Schritt mit Kostendeckung und Daseinsvorsorge begründet, werfen private Anbieter der öffentlichen Hand vor, damit den Markt zu unterbieten. Die Stundensätze seien „zu billig“ und ließen keinen Raum für privatwirtschaftliche Anbieter, die kostendeckend oder gar gewinnorientiert arbeiten müssten.
Ein Sprecher eines privaten Forstunternehmens bringt es auf den Punkt: „Wenn der Landesbetrieb mit Preisen am Markt auftritt, die deutlich unter dem liegen, was private Dienstleister kalkulieren können, ist das kein fairer Wettbewerb mehr, sondern eine staatlich subventionierte Verdrängung.“
Privatwirtschaft unter Druck
Die privaten Forstbetriebe in Sachsen-Anhalt übernehmen schätzungsweise rund 80 Prozent des Holzeinschlags. Sie sind damit eine tragende Säule der forstwirtschaftlichen Infrastruktur – besonders in ländlichen Regionen wie dem Harz. Die Unternehmer beklagen jedoch, dass sie zunehmend Aufträge an den Landesbetrieb verlieren. Dabei spiele weniger die Qualität eine Rolle, sondern der Preis.
Viele dieser Unternehmen bestehen aus kleinen und mittleren Betrieben, die unter anderem mit gestiegenen Lohnkosten, höheren Maschinenpreisen und wachsendem bürokratischem Aufwand konfrontiert sind. Der Konkurrenzdruck durch den Landesforstbetrieb verschärft diese Lage zusätzlich. Einige Betriebe berichten bereits von Personalabbau oder dem Rückzug aus bestimmten Regionen.
Landesregierung verteidigt sich
Der zuständige Minister Sven Schulze betonte in einem Interview, dass der Landesforstbetrieb weder Gewinne erzielen dürfe noch subventioniert sei. Vielmehr sei er verpflichtet, kostendeckend zu arbeiten und seine Dienstleistungen auch für kommunale oder private Waldbesitzer anzubieten. Dies geschehe im Rahmen des Bundeswaldgesetzes und sei rechtlich zulässig.
Schulze ergänzte, dass man sich der Problematik bewusst sei, aber auch die Versorgungssicherheit mit forstlichen Dienstleistungen sicherstellen müsse. Der Landesbetrieb sei in vielen strukturschwachen Regionen der einzige Anbieter, der flächendeckend aktiv sei.
Rechtlicher Rahmen: Kostendeckung versus Wettbewerb
Der rechtliche Hintergrund der Debatte liegt im Bundeswaldgesetz (§46). Dieses erlaubt staatlichen Forstbetrieben, ihre Dienstleistungen auch im Privatwald anzubieten – unter der Bedingung der Kostendeckung. Dabei dürfen keine staatlichen Zuschüsse verwendet werden, die nicht auch einem privaten Anbieter zur Verfügung stehen würden. Ob diese Bedingung in Sachsen-Anhalt tatsächlich erfüllt ist, steht zur Diskussion.
In vergleichbaren Fällen in anderen Bundesländern hat das Bundeskartellamt bereits eingegriffen und Maßnahmen gefordert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Ob sich ein ähnlicher Fall in Sachsen-Anhalt entwickeln könnte, bleibt offen, da bisher keine offizielle Prüfung eingeleitet wurde.
Die Rolle des Landeszentrums Wald
Eine besondere Rolle in diesem Gefüge spielt das Landeszentrum Wald (LZW), das eng mit dem Landesforstbetrieb zusammenarbeitet. Es koordiniert nicht nur viele Maßnahmen der forstlichen Betreuung, sondern bietet auch Fortbildungsangebote, unterstützt Waldpädagogikprojekte und organisiert Öffentlichkeitsarbeit wie den „Tag des Baumes“ oder Waldarbeitsmeisterschaften. Darüber hinaus ist das LZW bei der Erstellung von Pflegeplänen für Kommunal- und Privatwälder aktiv – ebenfalls gegen Entgelt.
Vertragsmodelle im Privatwald
Für viele Privatwaldbesitzer, insbesondere kleinere Forstbetriebsgemeinschaften, ist die Zusammenarbeit mit dem Landesforstbetrieb alternativlos. Durch sogenannte Waldpflegeverträge übernimmt der Landesbetrieb eine Vielzahl von Aufgaben – von der Bestandspflege über die Holzernte bis hin zur Vermarktung. Diese Verträge bieten Planbarkeit und Entlastung, insbesondere für Waldbesitzer ohne forstliche Ausbildung.
Doch hier liegt auch der Kern der Kritik: Durch diese vertraglich gesicherten Einnahmen kann der Landesbetrieb dauerhaft günstigere Konditionen anbieten, während private Anbieter in jedem Auftrag neu um ihre Existenz kämpfen.
Wirtschaftliche Gesamtlage in der Forstbranche
Die wirtschaftliche Situation der gesamten Forstbranche ist angespannt. Mehrjährige Sturmschäden, Schädlingsbefall, steigende Betriebskosten und ein rückläufiger Holzpreis setzen den Unternehmen zu. Die Bauindustrie, als größter Abnehmer von Bauholz, schwächelt spürbar. Besonders kleine Forstbetriebe sind unter diesen Rahmenbedingungen kaum in der Lage, Investitionen zu tätigen oder faire Löhne zu zahlen.
Kostenfaktor | Entwicklung seit 2021 |
---|---|
Kraftstoffkosten | +28 % |
Lohnkosten (Tarif Forstwirtschaft) | +15 % |
Maschinenkosten (Wartung, Ersatz) | +12 % |
Holzpreis (Fichte, Bauholz) | −18 % |
Diese Entwicklung macht deutlich, dass viele private Forstbetriebe mit spitzem Bleistift kalkulieren müssen. Wenn dann ein staatlicher Anbieter mit niedrigeren Preisen in den Markt drängt, entsteht ein massives Ungleichgewicht.
Vergabepraxis des Landes
Der Landesforstbetrieb vergibt regelmäßig eigene Aufträge zur Holzernte, Bestandspflege oder Vermarktung – und schreibt diese öffentlich über Plattformen wie eVergabe.de aus. Dabei gibt es formale Gleichbehandlung, doch in der Praxis bemängeln private Anbieter mangelnde Transparenz über Bewertungsmaßstäbe und Zuschlagskriterien. Zudem seien die Auftragsvolumina oft so gestaltet, dass kleine Anbieter von vornherein ausgeschlossen würden.
Historische Entwicklung der Forstverwaltungen
Die gegenwärtige Situation hat eine lange Vorgeschichte. Seit den 1990er Jahren wurden in vielen Bundesländern die Forstverwaltungen reorganisiert. Ziel war eine höhere Effizienz, klarere Trennung von Verwaltung und Wirtschaft sowie mehr Marktbezug. In Sachsen-Anhalt entstand daraus der Landesforstbetrieb als eigenständige, wirtschaftlich geführte Einheit im Landesdienst.
Doch die Frage bleibt: Kann und darf ein öffentlich geführter Betrieb unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätig sein, ohne dabei seine Wettbewerber zu gefährden?
Forderungen und Lösungsansätze
Aus Sicht der privaten Forstdienstleister braucht es konkrete Maßnahmen, um wieder faire Marktbedingungen herzustellen. Diskutiert werden unter anderem:
- Eine regelmäßige, transparente Überprüfung der Preiskalkulation des Landesforstbetriebs durch unabhängige Stellen
- Eine Begrenzung der Marktanteile staatlicher Anbieter im Privatwald
- Verpflichtende Ausschreibungspflichten für bestimmte Auftragsgrößen
- Ein Ausbau der Förderprogramme für kleine Forstbetriebe
Gleichzeitig wird auch an die Landesregierung appelliert, ihrer Verantwortung als „neutraler Marktteilnehmer“ gerecht zu werden.
Fazit: Ein strukturelles Spannungsfeld
Die Diskussion über günstige Preise des Landesforstbetriebs Sachsen-Anhalt ist Ausdruck eines strukturellen Problems. Es geht nicht nur um Stundensätze, sondern um die Frage, wie öffentliches und privates Wirtschaften im Forstbereich künftig koexistieren können – ohne dass eine Seite systematisch benachteiligt wird.
Der Harz und viele andere Regionen in Sachsen-Anhalt sind auf eine funktionierende Forstwirtschaft angewiesen. Nur durch faire und transparente Rahmenbedingungen kann sichergestellt werden, dass private und öffentliche Akteure gemeinsam zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder beitragen – und dabei wirtschaftlich überleben können.