
Wernigerode, 04.06.2025, 6:20 Uhr
Bild exemplarisch
In der historischen Altstadt von Wernigerode ist ein traditionsreicher gastronomischer Ort zu neuem Leben erwacht: Die „Poststube“, ein jahrzehntelang geschlossenes Restaurant im Hotel „Zur Post“, öffnet seit Kurzem wieder für Gäste. Damit kehrt nicht nur ein Stück regionaler Geschichte zurück – es entsteht auch ein modernes kulinarisches Angebot mit klarem Bezug zur Tradition.
Historie mit Charakter: Das Gebäude der „Poststube“
Die „Poststube“ befindet sich in einem der ältesten denkmalgeschützten Häuser Wernigerodes. Das Gebäude in der Marktstraße 14 diente ursprünglich als Postamt und wurde im 19. Jahrhundert zu einem Hotel umgewandelt. Die Lage, direkt in der belebten Altstadt, macht es zu einem begehrten Ort für Einheimische wie auch für Touristen.
Der historische Charme des Hauses spiegelt sich in der aufwändigen Renovierung wider: Holzbalkendecken, Jugendstilakzente und liebevoll restaurierte Details aus vergangenen Zeiten schaffen ein Ambiente, das sowohl nostalgisch als auch zeitgemäß wirkt.
Ein mutiger Schritt: Wiedereröffnung nach jahrelangem Stillstand
Initiator der Wiedereröffnung ist Patrick Kohlhoff, der bereits im April 2024 das Hotel „Zur Post“ neu positionierte. Nun folgte mit der „Poststube“ der nächste Schritt. Für Kohlhoff ist es ein Herzensprojekt: „Dieses Haus war immer ein Teil des städtischen Lebens. Es verdient eine zweite Chance – mit Qualität, aber ohne den Charme zu verlieren.“
Mit dieser Philosophie entstand ein neues Konzept, das sich klar vom klassischen Gasthofimage abhebt und trotzdem seinen Wurzeln treu bleibt.
Das kulinarische Konzept: Zwischen Tradition und Moderne
Die neue Speisekarte ist durchdacht und regional verankert. Klassiker wie Harzer Wildbraten, Kartoffelklöße und saisonale Gemüsegerichte werden durch moderne Akzente ergänzt – etwa durch vegane Alternativen oder kreative Neuinterpretationen bekannter Gerichte.
Ein Auszug aus der Speisekarte:
Gericht | Beschreibung |
---|---|
Harzer Wildragout | Mit Preiselbeeren, Rotkohl und Serviettenknödel |
Vegane Linsensuppe | Mit geröstetem Brot und Kräuteröl |
Forelle „Poststube“ | Im Ganzen gebraten mit Mandelbutter und Petersilienkartoffeln |
Apfelküchlein mit Zimt | Auf Vanillespiegel mit Karamellsoße |
Die Zutaten stammen überwiegend von regionalen Partnern. Die Zusammenarbeit mit umliegenden Landwirten und kleinen Produzenten ist ein zentrales Element des Konzepts. Auch die Getränkekarte spiegelt diese Philosophie wider – mit Weinen aus Sachsen-Anhalt und Bier von lokalen Brauereien.
Stilvolles Ambiente mit Geschichte
Die Innenarchitektur der „Poststube“ wurde in enger Abstimmung mit Denkmalschutzbehörden entwickelt. Das Ergebnis ist eine gelungene Symbiose aus rustikaler Eleganz und zeitgemäßer Gemütlichkeit. Warme Farben, viel Holz und geschickt eingesetzte Lichtquellen machen den Gastraum einladend und modern.
Zitate aus alten Briefen, die im Original im Gebäude gefunden wurden, sind nun Teil der Wanddekoration. Sie erzählen Geschichten aus der Kaiserzeit und unterstreichen die emotionale Bindung an diesen besonderen Ort.
Ein Gewinn für Wernigerode: Bedeutung für Stadt und Region
Die Wiedereröffnung der „Poststube“ ist auch ein Signal für die Stadtentwicklung. In Zeiten, in denen viele Gasthäuser schließen müssen, wirkt dieses Projekt fast wie ein Gegenentwurf zur Gastronomiekrise. Tatsächlich hat Wernigerode in den vergangenen Jahren mehrere Restaurants verloren, darunter das „Ins kleine Paradies“, das nach nur zwei Jahren Betriebszeit schloss. Die Gründe: steigende Kosten, Fachkräftemangel und sinkende Gästezahlen.
Gerade in diesem Kontext wirkt die neue „Poststube“ wie ein Hoffnungsschimmer. Bürgermeister und Tourismusvertreter begrüßten die Eröffnung öffentlich. Auch die lokalen Medien widmeten dem Thema ausführliche Berichte. Erste Stimmen aus der Bevölkerung zeigen sich erfreut über das neue kulinarische Angebot – und über das Signal, das damit gesetzt wird.
„Es ist ein Stück Wernigerode, das zurückkommt. Und es fühlt sich an, als sei es nie ganz weg gewesen.“ – Kommentar einer Stammkundin am Eröffnungstag
Gastronomie unter Druck – eine mutige Entscheidung
Der Schritt, in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit ein Restaurant zu eröffnen, ist keineswegs selbstverständlich. Laut Branchenberichten hat der Harz in den letzten drei Jahren einen Rückgang der Gastronomiebetriebe von fast 20 % erlebt. Hauptursachen sind Personalknappheit, hohe Energiepreise und ein verändertes Ausgehverhalten der Bevölkerung.
Hinzu kommt die wachsende Konkurrenz durch hochpreisige Restaurants wie das „Zeitwerk“ von Sternekoch Robin Pietsch, das sich bereits überregional etabliert hat. Die „Poststube“ will jedoch bewusst eine Lücke füllen – mit gehobener, aber bodenständiger Küche zu moderaten Preisen. Die Zielgruppe: Familien, Paare, Ausflügler und Hotelgäste mit Anspruch, aber ohne Sterne-Ambitionen.
Pläne für die Zukunft: Veranstaltungen und kulinarische Themenabende
Um dauerhaft attraktiv zu bleiben, setzt die „Poststube“ nicht nur auf gutes Essen, sondern auch auf ein regelmäßiges Veranstaltungsprogramm. Geplant sind:
- Harzer Themenabende: Mit Live-Kochen und Erzählungen zur regionalen Küche
- Weinproben mit Winzern aus Sachsen-Anhalt
- Sonntagsbrunch mit regionalen Spezialitäten
- Live-Musik und Lesungen im Sommer – auf der kleinen Terrasse im Innenhof
Auch gastronomische Kooperationen mit umliegenden Betrieben sind in Planung. Die Vision: ein Netzwerk regionaler Anbieter, das gemeinsam die kulinarische Identität des Harzes stärkt.
Fazit: Tradition bewahren – Zukunft gestalten
Die Wiedereröffnung der „Poststube“ in Wernigerode ist mehr als nur ein gastronomisches Ereignis. Sie steht symbolisch für die Möglichkeit, Tradition und Zeitgeist erfolgreich zu verbinden. Mit einem überzeugenden Konzept, viel Liebe zum Detail und einem klaren Bekenntnis zur Region gelingt es dem neuen Betreiberteam, einen Ort zu schaffen, der sowohl kulinarisch als auch emotional überzeugt.
In einer Zeit des Wandels in der Gastronomie sendet die „Poststube“ ein ermutigendes Signal: Wer mit Authentizität, Qualität und lokalem Bezug arbeitet, hat auch in schwierigen Zeiten eine Chance – nicht nur zu bestehen, sondern zu begeistern.