
Wernigerode , 08.06.2025, 10:00 Uhr
Am frühen Morgen des 7. Juni 2025 herrschte in vielen Haushalten im Harzkreis plötzlich Funkstille auf dem Bildschirm. Die Ursache: eine unangekündigte Frequenzumstellung des Kabelanbieters PŸUR, die über Nacht vorgenommen wurde und für zahlreiche Menschen im Raum Blankenburg, Quedlinburg und Wernigerode zu einem Totalausfall des Fernsehempfangs führte. Besonders betroffen: ältere Menschen, die sich über unzureichende Kommunikation und fehlende technische Unterstützung beklagen.
Der Vorfall bringt nicht nur technische Versäumnisse ans Licht, sondern auch tiefere strukturelle Probleme im Kundenservice und der digitalen Teilhabe.
Eine Region ohne Bild: Der Ablauf des Ausfalls
Die Umstellung des TV-Signals durch den Kabelanbieter erfolgte in der Nacht vom 6. auf den 7. Juni 2025. Ohne Vorwarnung oder erklärende Hinweise wachten viele Nutzer am Morgen auf – nur um festzustellen, dass ihr Fernseher kein Signal mehr empfängt. Insbesondere im Harzkreis meldeten sich vermehrt verärgerte Kunden, vor allem Senioren, die über den plötzlichen Ausfall verwundert und enttäuscht waren.
Während jüngere Nutzer über Internetrecherche schnell herausfinden konnten, dass ein Sendersuchlauf notwendig ist, fühlten sich viele ältere Menschen schlichtweg überfordert. In sozialen Netzwerken häuften sich Kommentare wie:
„Ich dachte, mein Fernseher ist kaputt. Kein Hinweis, kein Schreiben, keine Hilfe – ich musste meinen Enkel anrufen.“
Frequenzneuordnung – aber ohne Transparenz
PŸUR hatte in der Vergangenheit mehrfach angekündigt, technische Umstellungen am Sendernetz vorzunehmen, um die Übertragungsqualität zu verbessern. Laut Foren und Nutzermeldungen begann die aktuelle Frequenzneuordnung bereits am 26. Mai 2025 in mehreren Regionen. Doch viele Kunden – insbesondere im Harz – erhielten weder postalische Informationen noch digitale Hinweise.
Dabei wären einfache Mittel wie eine Vorab-Mail, SMS oder ein On-Screen-Hinweis technisch problemlos umsetzbar. Stattdessen wurden Nutzer auf den sogenannten „Störungsassistenten“ auf der Website verwiesen – ein Tool, das von vielen Betroffenen als unübersichtlich oder schlichtweg nutzlos beschrieben wurde.
Technischer Hintergrund in Kürze:
- Frequenzumstellung betraf öffentlich-rechtliche HD-Sender
- Kein Signalempfang ohne manuellen Sendersuchlauf
- Keine automatische Neuinstallation bei vielen Empfangsgeräten
Digitale Hürde: Senioren im Abseits
Die größte Frustration äußerten viele Senioren, die auf den täglichen Fernsehkonsum angewiesen sind – sei es zur Information, Unterhaltung oder Gesellschaft. Gerade in ländlichen Regionen wie dem Harz hat das Fernsehen eine hohe Bedeutung. Der plötzliche Ausfall, ohne Erklärung oder Hilfe, stellt nicht nur ein technisches Problem dar, sondern berührt auch Fragen sozialer Teilhabe.
Experten sprechen schon länger davon, dass technologische Umstellungen immer auch sozial mitgedacht werden müssen. Laut Erkenntnissen aus ähnlichen Fällen – etwa bei der Einführung von DVB-T2 – benötigen gerade Menschen über 60 Jahre verlässliche Unterstützung: sei es durch Hotline-Beratung, Hausbesuche oder schriftliche Anleitung.
Warum Senioren besonders betroffen sind:
- Weniger technisches Know-how für manuelle Suchläufe
- Keine E-Mail-Nutzung oder App-Erfahrung
- Fehlende Hinweise am TV-Gerät selbst
Kundenerfahrungen: Wut, Frust und Misstrauen
Zahlreiche Beiträge in Online-Foren und Bewertungsportalen zeichnen ein deutliches Bild: Die Servicewahrnehmung des Anbieters ist vielerorts negativ. Nutzer beschreiben eine schlechte Erreichbarkeit der Hotline, lange Wartezeiten und immer wieder verschobene Technikertermine. Einige berichten sogar von wochenlangen Störungen ohne Kulanz oder Gutschrift. Besonders ärgerlich: In vielen Fällen wurde der TV-Ausfall von Seiten des Unternehmens nicht als „Störung“ klassifiziert – sondern als notwendige Systemumstellung.
„Es kann nicht sein, dass ich nach über 20 Jahren Kabelanschluss plötzlich nicht mehr weiß, wie ich fernsehen soll – und niemand erklärt mir was.“
Wiederkehrende Kritikpunkte in Foren:
Problem | Häufigkeit laut Nutzeraussagen |
---|---|
Plötzliche Senderausfälle | Sehr häufig |
Mangelnde Vorab-Kommunikation | Extrem häufig |
Unverständliche Anleitungen | Oft |
Schwierige Hotline-Erreichbarkeit | Sehr häufig |
Keine Kulanz bei Ausfall | Regelmäßig erwähnt |
Vergleich: Wie machen es andere Anbieter?
Ein Blick auf internationale Anbieter wie Spectrum (USA) oder Xfinity zeigt: Auch dort werden Frequenzänderungen durchgeführt – jedoch stets mit automatisierten Push-Nachrichten, App-Warnungen oder SMS-Infos. In Deutschland scheinen solche Prozesse bei manchen Anbietern noch in den Kinderschuhen zu stecken.
Während PŸUR auf eine zentrale Störungskarte und einen Online-Assistenten setzt, fehlen direkte, proaktive Kommunikationswege. Für viele Senioren bleibt der einzige Informationskanal der Fernseher selbst – fällt dieser aus, entsteht ein Informationsvakuum.
Service versus Technologie: Wo bleibt die Menschlichkeit?
Die Diskussion über technische Erneuerungen darf die soziale Komponente nicht ausblenden. Moderne Infrastruktur darf nicht zulasten jener gehen, die am stärksten auf sie angewiesen sind. Gerade ältere Menschen benötigen einfache, zugängliche Informationen – und gegebenenfalls persönliche Hilfe.
Was Betroffene jetzt tun können:
- Sendersuchlauf manuell starten (über TV-Menü)
- Störung über Online-Assistent melden (falls Internet vorhanden)
- Verwandte oder Nachbarn um Hilfe bitten
- Bei längeren Ausfällen prüfen, ob Sonderkündigungsrecht greift
Rechtlicher Hintergrund: Wann Kunden Rechte haben
Laut geltendem deutschen Verbraucherrecht besteht ab einer Störungsdauer von mehr als sieben aufeinanderfolgenden Tagen grundsätzlich die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung. Bei kleineren Ausfällen besteht Anspruch auf anteilige Entschädigung – sofern diese beantragt wird.
Besonders in Regionen wie dem Harz, wo Infrastruktur nicht immer optimal ist, wird der Ausfall von TV-Signalen nicht nur als Komfortproblem, sondern als reale Einschränkung der Lebensqualität empfunden.
Weckruf für die Branche
Die TV-Störung im Harz hat gezeigt, wie eng technische Prozesse und soziale Verantwortung miteinander verbunden sind. Eine nächtliche Frequenzumstellung mag aus Sicht eines Technikdienstleisters trivial erscheinen – für tausende Menschen bedeutet sie jedoch Kontrollverlust, Verwirrung und Frust.
Was bleibt, ist der dringende Appell: Wer digitale Dienste anbietet, muss auch sicherstellen, dass alle Bevölkerungsgruppen – unabhängig von Alter und Technikverständnis – sicher daran teilhaben können. Kommunikation, Transparenz und echte Kundennähe sind keine Zusatzfeatures, sondern grundlegende Anforderungen eines modernen Versorgers.