
Bad Lauterberg – Ein Open-Air-Event am idyllischen Strandabschnitt des „Lokal 73“ sorgt in der Harzer Kleinstadt für hitzige Diskussionen. Am 22. August 2025 findet erstmals eine „Mama geht tanzen“-Party unter freiem Himmel statt – jedoch ausschließlich für Frauen. Während die Veranstalter das Format als geschützten Raum und bewusstes Safe-Space-Konzept bewerben, sehen Kritiker darin einen klaren Fall von Geschlechterdiskriminierung.
Das Event: Sommerfeeling und Frauenpower
„Mama geht tanzen – Harz Sommerspecial“ nennt sich die Veranstaltung, die am Freitag, den 22. August 2025, Premiere als Outdoor-Edition feiert. Ab 18:00 Uhr öffnen sich die Tore des Strandabschnitts am „Lokal 73“ in der Wissmannstraße 32, Beginn ist um 19:00 Uhr, Ende um 23:00 Uhr. Der Eintritt kostet ab 12 Euro, der Einlass ist ausschließlich Frauen ab 18 Jahren vorbehalten.
Das Konzept verspricht sommerliche Atmosphäre am Wasser, kombiniert mit Musik und einem besonderen Verwöhnprogramm: Die ersten 30 Gäste erhalten Goodiebags, zur Begrüßung gibt es einen Welcome-Shot namens „Ruby“, und Resident DJ Menju sorgt mit einem Mix aus 90er-Hits, 2000er-Pop, Hip-Hop und aktuellen Charts für Partystimmung. Die Veranstalter betonen, dass es sich um ein limitiertes Event handelt, das gezielt Frauen eine unbeschwerte Auszeit bieten soll.
Von Frauen für Frauen – das Safe-Space-Argument
Die Macherinnen von „Mama geht tanzen“ argumentieren, dass es bei dem Event nicht um Ausgrenzung, sondern um Sicherheit und Gemeinschaft geht. „Wir wollen einen Raum schaffen, in dem Frauen unbeschwert feiern können, ohne sich übergriffigem Verhalten ausgesetzt zu fühlen“, so der Tenor in den Social-Media-Beiträgen der Organisatorinnen.
Die Idee des Safe Space ist im Veranstaltungskontext kein neues Phänomen. Frauenpartys, Ladies Nights oder frauenspezifische Schwimmzeiten gibt es seit Jahren. Häufig wird dies mit Sicherheitsaspekten, der Schaffung eines geschützten Rahmens und der Förderung von Empowerment begründet. Laut polizeilicher Kriminalstatistik waren 93,7 Prozent der Opfer von Sexualdelikten im Jahr 2024 weiblich – ein deutlicher Hinweis auf den Bedarf an sensiblen Schutzmaßnahmen im öffentlichen Raum.
Warum fühlen sich viele Frauen in Clubs unsicher?
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2024 unter deutschen Musikspielstätten zeigte, dass sexualisierte Belästigung in 74 Prozent der Locations die am häufigsten gemeldete Form von Übergriffen ist. Nur etwa ein Drittel der Veranstalter schult das Personal regelmäßig im Umgang mit solchen Situationen. Maßnahmen wie Awareness-Teams, Rückzugsräume oder diskrete Codewort-Systeme („Luisa ist hier!“) gelten als besonders wirksam, werden aber nicht flächendeckend eingesetzt.
Die Kontroverse: Ausschluss oder berechtigter Schutz?
Der Streit um das Event entbrannte, nachdem der Harz Kurier am 5. August 2025 erstmals über die Frauenparty berichtete. In den sozialen Medien formierte sich schnell eine kontroverse Diskussion: Auf Facebook lobten viele Nutzerinnen die Idee eines sicheren Frauenabends, während andere den Männerausschluss als Diskriminierung kritisierten. Ein Kommentar lautete sinngemäß: „Stellt euch den Aufschrei vor, wenn es eine Party gäbe, zu der Frauen keinen Zutritt hätten.“
Die Veranstalterin reagierte zwischenzeitlich auf die Debatte und kündigte an, die Einlassregeln noch einmal klarer zu kommunizieren. Details dazu wurden in den Kommentarspalten diskutiert – unter anderem, ob es After-Show-Angebote geben könnte, zu denen Männer ebenfalls willkommen wären.
Rechtliche Einordnung: Was sagt das Gesetz?
In Deutschland gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das auch im Bereich Gastronomie und Freizeitangebote vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts schützt. Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor, wenn es einen „sachlichen Grund“ gibt, der das Ungleichbehandeln rechtfertigt. Ein solcher Grund kann beispielsweise der Schutz der Privatsphäre oder die Sicherheit einer bestimmten Personengruppe sein – muss aber verhältnismäßig sein.
Juristisch ist entscheidend, ob ein vollständiger Ausschluss eines Geschlechts erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, oder ob mildere Maßnahmen wie ein striktes Sicherheitskonzept ausreichen würden. Die EU-Richtlinie 2004/113/EG, auf der das AGG in Teilen basiert, betont ebenfalls, dass Ausnahmen nur bei legitimen Zielen und angemessener Umsetzung zulässig sind.
Ein Blick auf vergleichbare Formate
Frauen-Schwimmzeiten in städtischen Schwimmbädern, spezielle Fitnesskurse oder Frauenhäuser sind Beispiele, bei denen ein Ausschluss des anderen Geschlechts aus Sicherheits- oder Privatsphäregründen akzeptiert wird. Im Veranstaltungsbereich ist die Rechtslage oft eine Grauzone: Während „Ladies Nights“ mit Preisvorteilen für Frauen bereits gerichtlich untersagt wurden, gelten reine Frauenveranstaltungen mit klarer Schutzbegründung als rechtlich stabiler – sofern sie gut dokumentiert sind.
Die Rolle der Location: Lokal 73 als Eventschauplatz
Das „Lokal 73“ ist in Bad Lauterberg als Sommer-Spot mit Strandabschnitt bekannt, der von Gästen scherzhaft „Copacabana von Bad Lauterberg“ genannt wird. Normalerweise finden hier gemischte Veranstaltungen statt, darunter Live-Musik, Public Viewing und Partys für alle Altersgruppen. Das Frauen-Open-Air ist also kein generelles Hauskonzept, sondern ein einmaliges Sonderformat.
Der Standort am Wasser verleiht der Veranstaltung einen besonderen Charme – und dürfte auch mit Blick auf die Sicherheit Einfluss auf das Eventkonzept haben, da Open-Air-Veranstaltungen zusätzliche Sicherheitsplanung erfordern.
Social-Media-Dynamik: Zwischen Empowerment und Empörung
Die Social-Media-Präsenz von „Mama geht tanzen“ ist stark: Auf Instagram finden sich Reels und Bilder mit dem Hashtag #mamagehttanzenharz, die Frauen lachend, tanzend und in ausgelassener Stimmung zeigen. TikTok-Clips aus anderen Städten, in denen die Eventreihe gastierte, zeichnen ein ähnliches Bild – hier wird das Format vor allem als Gemeinschaftserlebnis und Möglichkeit zur Selbstfürsorge inszeniert.
Gleichzeitig entwickelt sich die Debatte auf Facebook weiter. Neben Unterstützern äußern sich auch Nutzer, die rechtliche Schritte prüfen wollen. Andere schlagen Kompromisse vor, etwa gemischte After-Partys oder offene Zeitfenster am Ende der Veranstaltung, um den Abend für alle zugänglich zu machen.
Wie reagieren die Veranstalter auf Kritik?
Bislang setzen die Organisatorinnen vor allem auf Kommunikation und betonen den Charakter des Events als „von Frauen für Frauen“. In Interviews und Kommentaren heißt es, dass es keine Abwertung gegenüber Männern sei, sondern ein Angebot, das Frauen unter sich ermöglicht. Ob und wie die Einlassregeln künftig angepasst werden, bleibt offen.
Der Sicherheitsaspekt in Zahlen und Wahrnehmung
Die polizeiliche Kriminalstatistik 2024 zeigt nicht nur einen deutlichen Anstieg von Sexualdelikten (+9,3 %), sondern auch, dass Frauen überwiegend betroffen sind. Dies spiegelt sich in Umfragen zur Sicherheitswahrnehmung wider: Viele Frauen berichten, sich in Clubs, auf Konzerten oder nachts im öffentlichen Raum unsicher zu fühlen.
Präventionsinitiativen wie „Luisa ist hier!“ oder Awareness-Teams sollen Abhilfe schaffen, doch die Umsetzung ist in vielen Regionen noch ausbaufähig. Vor diesem Hintergrund erscheinen Safe-Space-Veranstaltungen für manche als konsequente Reaktion – für andere bleibt die Frage offen, ob es nicht inklusivere Lösungen geben könnte.
Zwischen Lokalgeschichte und gesellschaftlichem Diskurs
Für Bad Lauterberg ist die Diskussion ungewöhnlich heftig. Die Stadt ist nicht für großangelegte öffentliche Debatten bekannt, doch dieses Event hat es geschafft, weit über die regionalen Grenzen hinaus Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um eine Party, sondern um grundsätzliche Fragen: Wie kann man Sicherheit und Teilhabe zugleich gewährleisten? Wo endet berechtigter Schutz und wo beginnt Diskriminierung?
Ein Abend mit vielen Dimensionen
Am 22. August wird das „Mama geht tanzen – Harz Sommerspecial“ nicht nur ein Musik- und Sommererlebnis sein, sondern auch ein gesellschaftliches Experiment. Der Ausgang – sowohl in Bezug auf den Eventverlauf als auch auf die öffentliche Wahrnehmung – dürfte Aufschluss darüber geben, wie solche Formate künftig gestaltet werden.
Die Organisatorinnen stehen vor der Herausforderung, einerseits ein unbeschwertes Fest für Frauen zu bieten und andererseits den öffentlichen Diskurs konstruktiv zu begleiten. Für Besucherinnen bietet sich die Chance, einen Abend in besonderer Atmosphäre zu erleben. Für Beobachter bleibt es spannend, ob dieses Modell Schule macht – oder ob es als einmalige Kontroverse in die Lokalgeschichte eingeht.