
Halberstadt. In Halberstadt steht eine deutliche Anpassung der Kita-Gebühren bevor. Ab Januar sollen Eltern tiefer in die Tasche greifen, wenn ihre Kinder Krippe, Kindergarten oder Hort besuchen. Die geplante Erhöhung sorgt schon vor der entscheidenden Stadtratssitzung für Diskussionen in sozialen Medien, Elternforen und politischen Gremien – und wirft Fragen zu Belastung, Entlastung und Qualität der Kinderbetreuung im Harz auf.
Geplante Änderungen im Überblick
Die Stadt Halberstadt hat eine 5. Änderung der Kita-Kostenbeitragssatzung vorgelegt, über die der Stadtrat am 28. August 2025 entscheiden soll. Tritt sie in Kraft, gelten die neuen Beiträge ab 1. Januar 2026 – obwohl die Tabellen formal für das Jahr 2025 erstellt wurden. Die Erhöhungen betreffen alle Betreuungsarten: Krippe, Kindergarten und Hort.
Betreuungsart | Stunden/Woche | Bisher (€) | Neu (€) | Erhöhung (%) |
---|---|---|---|---|
Krippe (U3) | 25 h | 179 | 198 | +10,6 % |
Krippe (U3) | 50 h | 251 | 286 | +13,9 % |
Kindergarten (Ü3) | 25 h | 189 | 198 | +4,8 % |
Kindergarten (Ü3) | 50 h | 224 | 239 | +6,7 % |
Hort – Regel | bis 6 h | 142 | 150 | +5,6 % |
Hort – Ferien (10 h) | – | 206 | 218 | +5,8 % |
Für eine Betreuung von mehr als zehn Stunden täglich sollen künftig zusätzliche Stundenpreise gelten: 25 € bei der Krippe, 20 € im Kindergarten und 18 € im Hort.
Warum steigen die Gebühren?
Die Stadt verweist auf gesetzliche Grundlagen im Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt (KiFöG LSA) und eine angestrebte kommunale Kostenbeteiligung von 65 % bei der Krippe und 50 % bei Kindergarten und Hort am verbleibenden Finanzbedarf. Hintergrund sind steigende Personal- und Sachkosten, die sich landesweit in den Haushalten der Kommunen niederschlagen. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Ausgaben für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt allein von 2022 auf 2023 um 6,7 %.
Auch bundesweit haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben erhöht. In Kitas freier Trägerschaft lagen sie 2022 bei durchschnittlich 12.300 € pro Kind – ein Plus von 59 % gegenüber 2010. Die hohen Betreuungsquoten in Sachsen-Anhalt, insbesondere bei den Unter-Dreijährigen (59,4 % gegenüber bundesweit 37,4 %), tragen zusätzlich zum Kostendruck bei.
Soziale Abfederung: Wer kann sich befreien lassen?
Nach § 90 SGB VIII können Eltern beim Landkreis Harz eine teilweise oder vollständige Übernahme der Gebühren beantragen. Voraussetzung ist eine individuelle Prüfung der Einkommensverhältnisse. Wichtig: Auch wenn der Antrag gestellt ist, müssen die Beiträge bis zur Entscheidung weitergezahlt werden, um Mahnungen oder sogar die Kündigung des Betreuungsplatzes zu vermeiden.
Praktisch hat der Landkreis eine Kontaktmatrix veröffentlicht, in der Ansprechpartner nach dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens des Kindes zugeordnet sind. Damit können Eltern schnell den zuständigen Sachbearbeiter erreichen, um ihren Antrag zu stellen oder Fragen zu klären.
Mehr als nur der Beitrag: Die „versteckten“ Kosten
Eltern in sozialen Medien und Foren weisen darauf hin, dass die offiziellen Beiträge nur einen Teil der tatsächlichen Belastung ausmachen. Hinzu kommen Essensgeld, Bastel- und Trägerbeiträge, die in der öffentlichen Debatte oft untergehen. Diese Zusatzkosten summieren sich im Laufe des Jahres und können je nach Einrichtung mehrere Hundert Euro ausmachen.
Einige Familien berichten in Foren wie Urbia oder Reddit, dass sie als Reaktion auf steigende Gebühren die Betreuungsstunden reduzieren oder auf Unterstützung durch Großeltern zurückgreifen. Andere verweisen darauf, dass sie trotz Ermäßigungen durch Geschwisterregelungen und Härtefallanträge spürbare Mehrbelastungen erleben.
Stimmungslage in Halberstadt und im Harz
Die Diskussionen sind nicht neu. Bereits 2024 lehnte der Stadtrat eine Erhöhung der Beiträge ab, um Familien finanziell zu entlasten. Damals wurde die Finanzierungslücke über andere Haushaltsmittel geschlossen. Dass nun erneut über eine Erhöhung entschieden wird, sorgt für Unmut.
In der öffentlichen Facebook-Gruppe „Keine KITA-Gebührenerhöhung in Halberstadt“ sammeln Eltern Argumente, teilen Rechenbeispiele und berichten von individuellen Härten. Immer wieder wird die Frage gestellt, ob die Qualität der Betreuung mit den steigenden Kosten Schritt hält.
„Es geht nicht nur ums Geld – es geht um die Wertschätzung unserer Arbeit als Eltern und die Zukunft unserer Kinder“, schreibt eine Mutter in der Gruppe.
Kapazität, Personal und Qualität
Ein weiterer Aspekt, der in den sozialen Medien immer wieder auftaucht, ist die personelle Ausstattung der Kitas. Laut statistischen Erhebungen liegt der Personalschlüssel für unter Dreijährige in Sachsen-Anhalt bei 1:5,7 – im Ländervergleich ein eher ungünstiger Wert. Eltern befürchten, dass trotz steigender Beiträge keine spürbaren Verbesserungen in der Betreuung erfolgen.
Dazu kommen infrastrukturelle Probleme: In den vergangenen Jahren gab es in Halberstadt und Umgebung mehrere Fälle von kurzfristigen Schließungen oder Sanierungen – etwa nach einem Wasserschaden in einer Einrichtung. Solche Vorfälle verschärfen die Diskussion, weil sie das Vertrauen in die Stabilität des Angebots belasten.
Regionale Parallelen und Entwicklungen
Die Debatte in Halberstadt steht nicht isoliert. In Nachbargemeinden wie Huy wurden 2025 ebenfalls Gebührenerhöhungen diskutiert. Landesweit wird zudem über eine Deckelung der Elternbeiträge gesprochen, die auch 2025 fortgeführt werden soll – was den finanziellen Spielraum der Kommunen weiter einschränkt.
In Osterwieck, ebenfalls im Landkreis Harz, kam es zu Elternprotesten, als Betreuungszeiten gekürzt wurden. Diese Beispiele zeigen, dass es nicht nur um die Frage „Wie viel kostet ein Kita-Platz?“ geht, sondern auch um „Welche Betreuungsqualität bekomme ich für mein Geld?“.
Politischer Prozess und Entscheidungsweg
Vor der Abstimmung im Stadtrat durchläuft die Vorlage mehrere Gremien, darunter Ortschaftsräte und Fachausschüsse. Die Entscheidung am 28. August 2025 gilt als entscheidend. Sollte die Mehrheit zustimmen, werden die neuen Beiträge zum Jahresanfang 2026 in Kraft treten.
Die öffentliche Debatte dürfte bis dahin nicht abreißen. Elterninitiativen planen Informationsveranstaltungen, um betroffene Familien über Antragsmöglichkeiten, Ermäßigungen und Alternativen aufzuklären. Auch Kommunalpolitiker kündigen an, die finanziellen Auswirkungen genau zu prüfen.
Langfristige Perspektiven
Fachverbände wie die GEW Sachsen-Anhalt mahnen, dass die jährlichen Beitragsanpassungen kein Ersatz für eine nachhaltige Finanzierung seien. Statt Gebühren immer wieder neu zu verhandeln, bräuchte es stabile Rahmenbedingungen, um Personal zu halten, Qualität zu sichern und Familien planbare Kosten zu garantieren.
Studien wie der DJI-Kinderbetreuungsreport unterstreichen, dass Elternbeiträge bundesweit sehr unterschiedlich ausfallen und soziale Staffelungen oft nicht alle Härten abfangen. In dieser Diskussion spielt Halberstadt eine Rolle, die über die Stadtgrenzen hinausreicht – als Beispiel für viele Kommunen, die zwischen Haushaltsdruck und Familienfreundlichkeit balancieren müssen.
Ob die Erhöhung tatsächlich kommt, entscheidet sich in wenigen Wochen. Für die betroffenen Familien ist die Frage längst dringlich: Wie viel können und wollen wir für die Betreuung unserer Kinder zahlen? Die nächsten Monate werden zeigen, ob es der Stadt gelingt, einen Ausgleich zwischen finanzieller Stabilität und sozialer Verträglichkeit zu finden – und ob Halberstadt den Spagat zwischen Kosten und Qualität im Interesse seiner jüngsten Bürger meistern kann.