
Blick auf eine Seilbahn und den Baumwipfelpfad im Harz – beliebte Attraktionen mit Förderbedarf. Die Region kämpft um politische Aufmerksamkeit. (Symbolbild – exemplarisch)
Goslar. Der Harz gehört zu den bedeutendsten Tourismusregionen Deutschlands – mit Millionen Übernachtungen jährlich und einem stetig wachsenden Freizeitangebot. Doch hinter den Kulissen herrscht Unruhe: Touristiker schlagen Alarm, weil sie eine zunehmende Benachteiligung gegenüber anderen Bundesländern sehen und klare Forderungen an die Politik stellen. Die Landesregierung hingegen verweist auf bestehende Förderprogramme – doch reicht das wirklich aus?
Eine Region mit touristischem Herz – und strukturellem Ungleichgewicht
Der Harz erstreckt sich über drei Bundesländer – Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – und bietet mit seiner einzigartigen Natur, historischen Städten und innovativen Freizeitangeboten jährlich Millionen von Menschen ein beliebtes Urlaubsziel. Allein im Jahr 2023 verzeichnete der Harzer Tourismusverband (HTV) über 8 Millionen Übernachtungen sowie rund 38 Millionen Tagesgäste. Der wirtschaftliche Nutzen für die Region ist enorm. Doch während Investitionen in touristische Attraktionen wie Baumwipfelpfad, Baumschwebebahn oder Bikeparks Früchte tragen, geraten neue Projekte ins Stocken.
Die Ursache liegt laut regionalen Akteuren nicht an fehlender Motivation, sondern an unzureichender politischer Unterstützung und einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen den Bundesländern. „Tourismusentwicklung ist kommunale freiwillige Aufgabe – bei knappen Kassen fehlt vielerorts das Geld“, betont Carola Schmidt, Geschäftsführerin des HTV. Sie fordert daher gezielte Hilfen und Förderinstrumente, die nicht nur auf gut ausgestattete Zentren wie Goslar oder Bad Harzburg abzielen, sondern auch kleinere Orte wie Walkenried oder Bad Sachsa einbinden.
Förderkulisse Niedersachsen: Viel Bürokratie, wenig Flexibilität?
Das Land Niedersachsen verweist auf eine Reihe bestehender Förderprogramme, die Investitionen in touristische Infrastrukturen unterstützen sollen. Dabei werden – abhängig von Betriebsgröße, Standort und Maßnahme – Fördersätze zwischen 10 und 35 Prozent gewährt, in einigen Fällen sogar bis zu 65 Prozent, wenn CO₂-reduzierende Maßnahmen nachgewiesen werden können.
Doch in der Praxis stoßen viele Betriebe an Grenzen: „In Sachsen-Anhalt oder Thüringen sind die Förderkulissen oft attraktiver – dort gibt es beispielsweise deutlich höhere Zuschüsse für Barrierefreiheit oder Digitalisierung“, kritisiert Holger Kolb, Betreiber der Baumschwebebahn in Bad Harzburg. Die Folge: Projekte, die andernorts schnell realisiert werden, geraten im niedersächsischen Harz ins Stocken.
Was fordern die Touristiker konkret?
- Schnellere und unbürokratischere Antragsverfahren für Fördermittel
- Einheitliche Förderbedingungen über Landesgrenzen hinweg
- Stärkere Berücksichtigung kleinerer Orte und gemeinnütziger Einrichtungen
- Langfristige Finanzierungsmodelle für nachhaltige Projekte
Nachhaltigkeit als Zukunftsthema – aber wer zahlt?
Bereits seit einigen Jahren ist der nachhaltige Tourismus ein zentrales Thema in der Region. Mit dem touristischen Zukunftskonzept Harz 2025 liegt ein länderübergreifender Rahmenplan vor, der den Harz umweltfreundlicher, digitaler und zugänglicher machen soll. Themen wie Klimaschutz, Mobilitätswende, Besucherlenkung und Digitalisierung stehen im Fokus.
Eine berechtigte Nutzerfrage lautet daher: Gibt es im Harz bereits Konzepte für nachhaltigen Tourismus und Besucherlenkung? Ja – doch die Umsetzung ist komplex. Zwar wurden digitale Besucherzähler auf Wanderwegen installiert und erste Apps zur Steuerung der Besucherströme entwickelt, doch fehlen häufig die Mittel für flächendeckende Anwendungen. Hinzu kommt: Viele Maßnahmen werden derzeit von Ehrenamtlichen wie dem Harzklub e. V. getragen, der mit über 13.000 Mitgliedern Wanderwege pflegt und markiert – oft ohne staatliche Unterstützung.
Zwischen Naturidylle und Massentourismus: Die Schattenseite des Erfolgs
Während zentrale Punkte wie der Brocken oder der Hexentanzplatz Besuchermagneten sind, beklagen Urlauber in Foren und Reiseblogs zunehmend eine Übernutzung der Natur. „An schönen Wochenenden kann man auf dem Goetheweg kaum noch treten“, schreibt eine Nutzerin auf einem Reiseblog. Diese sogenannte Crowding-Wahrnehmung beeinflusst das Erlebnis negativ – ein Umstand, der sich in klassischen Förderprogrammen bislang kaum widerspiegelt.
Auch aus dieser Perspektive wird klar: Es braucht gezielte Lenkung, nachhaltige Konzepte und Finanzierungsmöglichkeiten, um die Natur zu schützen und gleichzeitig den Tourismus als Wirtschaftsfaktor zu erhalten.
Kritik aus der Bevölkerung: Wer profitiert wirklich?
Ein Blick in soziale Medien und Lokalforen zeigt ein gemischtes Stimmungsbild: Während große Städte wie Wernigerode oder Goslar Tourismuspreise gewinnen und nationale Aufmerksamkeit erhalten, fühlen sich kleinere Orte abgehängt. Wie reagieren Einheimische und kleinere Orte auf die Tourismusförderung im Harz? In Bad Sachsa etwa wurde jüngst ein Projekt mit 1,7 Mio. € gefördert – für viele Anwohner ein seltener Lichtblick. Dennoch bleibt die Frage offen, ob langfristig auch kleinere Kultur- und Naturstandorte systematisch gefördert werden.
Besonders dramatisch war zuletzt der Fall der Welterbe-Stiftung Kloster Walkenried. Die traditionsreiche Institution stand kurz vor der Insolvenz, konnte jedoch durch ein kurzfristiges Rettungspaket stabilisiert werden. Es bleibt jedoch offen, wie nachhaltig der Fortbestand gesichert ist.
Tourismusverband unter Druck – doch auch mit Vision
Der HTV hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Innovationsimpulse gesetzt. Dazu gehören neben dem Harzer Wanderpass auch barrierefreie Projekte, digitale Informationssysteme und länderübergreifende Marketingaktionen. Doch viele dieser Vorhaben drohen zu versanden, wenn sich die politische Unterstützung nicht verbessert.
Warum fordern Touristiker im Harz Unterstützung von der Landespolitik? Die Antwort ist vielschichtig: Weil die Region ein enormes Potenzial birgt, das nicht ausgeschöpft werden kann, solange bürokratische Hürden und uneinheitliche Förderstrukturen im Weg stehen.
Was plant die Landespolitik – und was bleibt offen?
Das niedersächsische Wirtschaftsministerium verweist auf eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten – von Modernisierungsmaßnahmen bis zu CO₂-reduzierenden Umbauten. Doch laut Kritikern fehlt es an einer landesweiten Tourismusstrategie, die Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung und Mobilität ganzheitlich abdeckt.
Welche Nachteile sehen ambitionierte Touristiker im Harz gegenüber anderen Bundesländern? Ganz konkret: niedrigere Fördersätze, weniger Flexibilität bei Antragsverfahren, geringere strategische Ausrichtung und fehlende Spezialisierungsprogramme im Bereich Nachhaltigkeit. Thüringen und Sachsen-Anhalt gelten hier als moderner aufgestellt.
Förderquoten im Vergleich
Bundesland | Basisförderung | Sonderförderung (z. B. CO₂-reduzierend) | Barrierefreiheit |
---|---|---|---|
Niedersachsen | 10–35 % | 30–65 % | Begrenzt |
Thüringen | bis 50 % | bis 75 % | Umfassend |
Sachsen-Anhalt | 35–50 % | bis 70 % | Teilweise |
Ein vielstimmiger Appell mit klarer Richtung
Die Diskussion um politische Unterstützung im Harztourismus ist mehr als eine Branchenklage. Sie verweist auf eine strukturelle Herausforderung: Wie kann eine Tourismusregion mit überregionaler Bedeutung ihre Potenziale heben, wenn staatliche Unterstützung nicht mit der Realität vor Ort Schritt hält? Die Stimmen aus Wirtschaft, Ehrenamt und Bevölkerung sind deutlich. Der Tourismus im Harz steht an einem Scheideweg – zwischen internationaler Attraktivität und regionaler Überforderung.
Damit der Harz auch in Zukunft als „grüne Mitte Deutschlands“ Besucher anzieht, braucht es mehr als schöne Prospekte und engagierte Einzelakteure. Es braucht eine moderne, abgestimmte Tourismuspolitik – und den Willen, auch strukturschwache Orte mitzunehmen. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichen zu stellen.