
Halberstadt, 14. Juni 2025, 12:54 Uhr
Im Landkreis Harz ist das Stadtradeln 2025 offiziell gestartet. Vom 5. bis zum 25. Juni treten Bürgerinnen und Bürger aus Blankenburg, Halberstadt, Quedlinburg, Thale und Wernigerode in die Pedale, um nicht nur Kilometer zu sammeln, sondern auch ein klares Zeichen für nachhaltige Mobilität und Klimaschutz zu setzen. Mit rund 1.600 registrierten Teilnehmenden, die sich in Teams organisiert haben, zeigt der Landkreis bereits zum Auftakt, dass das Interesse am Radverkehr ungebrochen ist.
Ein Gemeinschaftsprojekt für Klima und Lebensqualität
Die Aktion ist Teil der bundesweiten Kampagne „Stadtradeln“, die vom Klima-Bündnis initiiert wurde. Ziel ist es, innerhalb von 21 Tagen möglichst viele Kilometer mit dem Fahrrad zurückzulegen und so CO₂-Emissionen einzusparen. Über die Stadtradeln-App können gefahrene Strecken digital erfasst werden – auch in Teams. Im Harz wird die Kampagne zudem von einem Rahmenprogramm begleitet, darunter Umweltmärkte, Informationsstände und sportliche Abschlussveranstaltungen.
Der Startschuss fiel am 5. Juni auf dem Marktplatz in Quedlinburg, begleitet vom Umweltmarkt „Markt der Möglichkeiten“. Zum Abschluss am 25. Juni wird es in Halberstadt eine große Preisverleihung im Friedensstadion geben, bei der nicht nur die besten Teams ausgezeichnet werden, sondern auch weitere Aktionen wie die Sportabzeichen-Tour stattfinden.
Schwerpunkt auf Gesundheitsförderung und Umweltbildung
Neben dem Umweltaspekt spielt auch die Gesundheitsförderung eine zentrale Rolle. Regelmäßiges Radfahren stärkt das Herz-Kreislauf-System, verbessert die Beweglichkeit und reduziert nachweislich das Risiko für viele chronische Krankheiten. Studien belegen, dass Städte mit hohem Radverkehrsanteil langfristig auch geringere Gesundheitskosten zu tragen haben.
Gerade im ländlich geprägten Raum wie dem Harz kann das Fahrrad eine sinnvolle Alternative zum Auto bieten – besonders für Kurzstrecken unter fünf Kilometern, die laut Umweltbundesamt rund 30 Prozent aller Autofahrten ausmachen.
Infrastruktur im Fokus: Von der App zur Radwegplanung
Ein entscheidender Mehrwert der Aktion liegt in der Datenerfassung. Über die Stadtradeln-App und die ergänzende Plattform RADar! können Bürgerinnen und Bürger auf problematische oder unsichere Stellen im Radwegenetz hinweisen. Diese Rückmeldungen fließen in die Infrastrukturplanung der teilnehmenden Städte und Gemeinden ein. So entsteht eine datenbasierte Grundlage für zukünftige Investitionen.
Digitale Unterstützung durch moderne Tools
Die technische Umsetzung spielt dabei eine zentrale Rolle: Die Stadtradeln-App ermöglicht nicht nur die GPS-basierte Erfassung der gefahrenen Strecken, sondern bietet auch die Möglichkeit, sich in Teams zu organisieren, Wettbewerbe auszurichten und persönliche Fortschritte zu verfolgen. Für Städte bietet sich dadurch eine wertvolle Quelle an Bewegungsdaten, mit der Schwachstellen im Verkehrsnetz identifiziert werden können.
Motivation durch Wettbewerb – aber mit Kritik
Die Idee hinter Stadtradeln: Motivation durch spielerischen Wettbewerb. Schulen, Vereine, Unternehmen oder Freundeskreise treten gegeneinander an und kämpfen um Kilometerrekorde. Doch nicht alle sehen das Konzept kritiklos. In Online-Diskussionen wird vereinzelt die Meinung geäußert, die Wirkung der Aktion sei vor allem symbolischer Natur. Der Wettbewerb fördere zwar kurzfristige Aktivität, führe aber selten zu langfristigem Mobilitätsverhalten.
„Selbst eine schlechte Aktion ist besser als keine – aber ohne echte Verbesserungen in der Infrastruktur bleibt es eine PR-Maßnahme“, so eine Teilnehmermeinung aus einem Reddit-Forum.
Langfristige Effekte: Mehr als nur Kilometerzählen?
Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass solche Kampagnen durchaus langfristige Verhaltensänderungen anstoßen können. Wer regelmäßig Fahrrad fährt, verändert auch seine Perspektive auf die Infrastruktur, entdeckt neue Wege zur Arbeit oder überdenkt seinen täglichen Verkehrsmix. Der Landkreis Harz plant deshalb, die gewonnenen Daten nicht nur auszuwerten, sondern gezielt in Maßnahmen zu überführen.
Pop-up-Radwege als schnelle Lösung?
In anderen europäischen Städten – etwa Paris oder Berlin – haben sich sogenannte Pop-up-Radwege als kurzfristig wirksames Mittel erwiesen, um den Radverkehr schnell und flexibel zu fördern. Erste Studien belegen, dass jeder zusätzliche Kilometer Radweg den Radverkehr um etwa 0,6 Prozent steigern kann. Auch im Harz könnten solche temporären Maßnahmen ein interessanter Ansatz sein, um während der Sommermonate sichere Übergangslösungen zu schaffen.
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Eine besondere Herausforderung stellt im Harz die teils sehr heterogene Infrastruktur dar. Während Städte wie Halberstadt oder Wernigerode bereits über ein vergleichsweise dichtes Radwegenetz verfügen, sind ländliche Gemeinden oft noch unterversorgt. Hier gilt es, mit gezielten Maßnahmen die Lücken zu schließen – etwa durch bessere Anbindung an Bahnhöfe, sichere Schulwege und klar gekennzeichnete Fahrradstraßen.
Near Miss statt Unfall: Neue Datenerfassung im Blick
Eine interessante Ergänzung könnte in Zukunft die Auswertung sogenannter „Near Miss“-Daten darstellen – also Beinahe-Unfälle, die derzeit nicht in offiziellen Statistiken auftauchen. Projekte wie SimRa zeigen, dass gerade diese Situationen wichtige Hinweise auf potenzielle Gefahrenstellen liefern, bevor es zu ernsthaften Unfällen kommt.
Gender-Gap beim Radverkehr
Ein bislang wenig beachteter Aspekt im Radverkehr ist die geschlechtsspezifische Nutzung. Internationale Studien belegen, dass Frauen deutlich seltener Fahrrad fahren – insbesondere in Regionen mit unsicherer Infrastruktur. Breite, gut beleuchtete und vom Autoverkehr getrennte Wege könnten helfen, dieses Ungleichgewicht zu verringern. Auch im Harz wäre eine gendersensible Planung künftig wünschenswert.
Internationale Perspektive: Von Kopenhagen lernen
Ein Blick über den Tellerrand zeigt: In Städten wie Kopenhagen, Amsterdam oder Utrecht ist das Fahrrad längst das wichtigste Verkehrsmittel im Alltag. Dort wurden über Jahrzehnte gezielt Radwege gebaut, Kreuzungen umgestaltet und autofreie Zonen eingerichtet. Der Harz steht im Vergleich dazu noch am Anfang – doch Initiativen wie Stadtradeln sind ein Schritt in diese Richtung.
Finanzielle Unterstützung als Schlüssel
Ein Knackpunkt bleibt die Finanzierung. Der Nationale Radverkehrsplan 3.0 sieht für Deutschland jährliche Investitionen von rund 30 Euro pro Einwohner vor – derzeit werden jedoch vielerorts nur Bruchteile davon umgesetzt. Im Landkreis Harz übernimmt das Land Sachsen-Anhalt die Teilnahmegebühren am Stadtradeln, was zumindest ein positives Signal setzt.
Stadtradeln als Impuls mit Potenzial
Das Stadtradeln im Harz zeigt eindrucksvoll, wie bürgerschaftliches Engagement und kommunale Strategie Hand in Hand gehen können. Die Zahl der Teilnehmenden, das positive Echo und die intelligente Verknüpfung von digitaler Datenerfassung mit Infrastrukturentwicklung sprechen für den Erfolg der Kampagne. Dennoch bleibt Luft nach oben: Eine stärkere Einbindung ländlicher Regionen, eine gendergerechte Verkehrsplanung sowie die systematische Erfassung von Sicherheitsproblemen könnten die Wirkung noch deutlich erhöhen.
Wenn Stadtradeln mehr sein soll als eine Imagekampagne, braucht es den politischen Willen, die richtigen Daten in langfristige Maßnahmen zu übersetzen. Dann kann der Schwung aus den drei Wochen Fahrradmobilität zu einer echten Verkehrswende im Harz beitragen.