
Halberstadt – Nach gut anderthalb Jahren zieht die Stadt Halberstadt die Reißleine: Die viel diskutierte Tempo-30-Zone in der Innenstadt wird wieder aufgehoben. Der Stadtrat entschied Ende August 2025 gegen eine dauerhafte Beibehaltung. Für die Menschen im Harz bedeutet das eine Rückkehr zu alten Verkehrsregeln – mit Ampeln, Vorfahrtsschildern und höherer Geschwindigkeit.
Ein Pilotprojekt im Herzen des Harz
Die Einführung der Testzone
Am 17. April 2024 startete die Stadt Halberstadt in der Harz-Region ein Pilotprojekt, das bundesweit Beachtung fand. Mehrere Straßen in der Innenstadt – darunter Hoher Weg, Gerberstraße und Antoniusstraße – wurden in eine Tempo-30-Zone umgewandelt. Ziel war es, den Verkehr zu beruhigen, die Aufenthaltsqualität zu steigern und für mehr Sicherheit von Fußgängern und Radfahrenden zu sorgen. Gleichzeitig wurde die Ampelanlage am Knotenpunkt Hoher Weg / Dominikanerstraße abgeschaltet. Die Verkehrsführung änderte sich stark, da an mehreren Kreuzungen Rechts-vor-Links eingeführt wurde.
Begleitende Maßnahmen und erste Eindrücke
Teil der Testphase war auch die Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht in einigen Bereichen. Stattdessen wurde mit dem Zusatzschild „Gehweg (Radfahrer frei)“ gearbeitet. Damit wollte die Stadt Halberstadt im Harz herausfinden, ob sich der Verkehrsfluss verbessert, wenn verschiedene Verkehrsteilnehmer flexibler auf den Straßen unterwegs sein können. Von Beginn an gab es jedoch Diskussionen: Manche Autofahrer empfanden die neuen Regeln als unübersichtlich, Radfahrende begrüßten dagegen die größere Freiheit.
Warum hebt Halberstadt die Tempo-30-Zone wieder auf?
Schwache Wirkung und geringe Akzeptanz
„Es gibt keine höheren Unfallzahlen als zuvor“, erklärte Oberbürgermeister Daniel Szarata im Frühjahr 2025. Dennoch sei klar geworden, dass sich die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer mit der Regelung nicht anfreunden konnte. Zwar zeigte die Auswertung leichte Verbesserungen bei Lärmwerten und eine Abnahme von Geschwindigkeitsspitzen, doch insgesamt blieb der gewünschte Nutzen aus. Gerade für viele Autofahrer im Harz-Alltag sei die Zone eher ein Ärgernis gewesen.
Die Argumente des Stadtrats
Der Halberstädter Stadtrat votierte Ende August 2025 für die Aufhebung. Neben dem geringen Nutzen standen auch Fragen des Verkehrsflusses im Vordergrund. Polizei und Ordnungsamt hatten schon früh Zweifel geäußert. Mit der Rückkehr zu Ampeln und Vorfahrtsschildern will man den Verkehrsfluss in der Innenstadt des Harz wieder stabilisieren. Besonders die Kreuzung Antoniusstraße / Gerberstraße / Schuhstraße galt als Problemzone, wo die Rechts-vor-Links-Regelung für Verunsicherung sorgte.
Welche Straßen bleiben Tempo-30?
Die Aufhebung gilt nicht flächendeckend. Auf dem Hohen Weg bleibt Tempo 30 bestehen – begründet mit der hohen Zahl an Fußgängern. Damit will die Stadt Halberstadt zumindest dort für mehr Sicherheit sorgen, wo der Begegnungsverkehr besonders intensiv ist. Für Radfahrende bedeutet die Rückabwicklung allerdings auch, dass auf bestimmten Abschnitten wieder Radwegpflicht besteht.
Statistische und rechtliche Hintergründe
Zahlen aus der Testphase
Ein Vergleich von Februar 2024 mit Februar 2025 zeigte, dass die Verkehrszahlen nur leicht sanken. Unfallstatistiken belegten keine signifikante Steigerung der Sicherheit. Die Polizei sprach von „geringen Veränderungen, die kaum messbar sind“. Diese nüchternen Zahlen gaben den Ausschlag für den Stadtrat, das Experiment in der Harz-Stadt nicht fortzuführen.
Bundesweite Rahmenbedingungen
Die Entscheidung in Halberstadt steht auch im Kontext bundesweiter Diskussionen. Zwar erlaubt die Straßenverkehrsordnung seit einigen Jahren Tempo-30-Zonen, doch auf Durchgangsstraßen sind sie weiterhin die Ausnahme. Hier gilt: Nur wenn triftige Gründe wie Lärmschutz oder hohe Unfallzahlen nachgewiesen werden können, dürfen Kommunen Tempo-30 einführen. Oberstes Ziel bleibt der Verkehrsfluss. In Halberstadt konnte der Nutzen nicht klar nachgewiesen werden – ein Grund, warum die Stadt im Harz letztlich den Rückzug antrat.
Umwelt- und Gesundheitsaspekte
Studien, etwa der Deutschen Umwelthilfe, zeigen, dass Tempo-30-Regelungen positive Effekte bei Stickoxiden, Feinstaub und Lärm haben können. In Halberstadt fielen diese Vorteile jedoch nur schwach aus. Eine deutliche Lärmreduktion von 3 dB(A), wie im Verkehrskonzept einst kalkuliert, wurde nicht nachgewiesen. Der Harz hat mit seiner Mischung aus Tourismus, Altstadtleben und Durchgangsverkehr besondere Herausforderungen, die offenbar nicht allein mit Tempo-30 gelöst werden können.
Reaktionen aus Bevölkerung und sozialen Medien
Stimmung in lokalen Gruppen
Auf Facebook-Gruppen in Halberstadt wurde die Entscheidung lebhaft diskutiert. Während manche Bürgerinnen und Bürger erleichtert sind, dass wieder „klare Regeln“ gelten, zeigen sich andere enttäuscht, dass ein Schritt Richtung Verkehrswende zurückgenommen wird. Der Diskurs im Harz bleibt damit gespalten. Auffällig ist, dass Informationen über Social Media schneller kursierten als über offizielle Kanäle.
Vergleiche mit anderen Städten
Auf Plattformen wie Reddit wird Halberstadt mit anderen Städten verglichen. Dort ist die Rede von einem „Rollback“-Trend: In mehreren Kommunen werden Testphasen für Tempo 30 wieder beendet, wenn die Wirkung nicht überzeugend genug erscheint. Das Beispiel Halberstadt im Harz wird von manchen als Signal verstanden, dass Tempo-30 ohne bauliche Begleitmaßnahmen wenig Akzeptanz findet.
Alltagskonflikte im Straßenverkehr
In Radfahrerforen wird vor allem das Zusammenspiel von Tempo 30 und Rechts-vor-Links diskutiert. Radfahrende betonen den Sicherheitsgewinn, während Autofahrer im Harz das Fahren als „zäh“ empfanden. Diese Differenz verdeutlicht, dass Verkehrspolitik nicht nur auf Zahlen basiert, sondern auch auf subjektivem Erleben der Beteiligten.
Häufige Fragen von Bürgern und ihre Antworten
Seit wann galt die Tempo-30-Zone in Halberstadt?
Die Testphase begann am 17. April 2024 und war zunächst auf ein Jahr angelegt. Eine Verlängerung wurde diskutiert, doch die Entscheidung fiel nach rund anderthalb Jahren gegen die Beibehaltung.
Welche Maßnahmen waren Teil der Testphase?
- Abschaltung der Ampelanlage Hoher Weg / Dominikanerstraße
- Einführung von Rechts-vor-Links an mehreren Kreuzungen
- Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht in Teilbereichen
- Beschilderung „Gehweg (Radfahrer frei)“
Welche Gründe nennt die Stadt für die Aufhebung?
Die Stadt Halberstadt verweist auf den geringen Nutzen, die schwache Akzeptanz und die fehlende messbare Unfallreduzierung. Außerdem sollen Verkehrsfluss und Sicherheit mit Ampeln und klaren Vorfahrtsschildern besser gewährleistet werden.
Was bedeutet die Aufhebung für Autofahrer, Radfahrende und Fußgänger?
Für Autofahrer: Rückkehr zu Ampeln und Vorfahrtsschildern, weniger Unsicherheit an Kreuzungen. Für Radfahrende: teils erneute Radwegpflicht. Für Fußgänger: Auf dem Hohen Weg bleibt Tempo 30 und damit mehr Schutz im stark frequentierten Bereich.
Ein Blick in die Zukunft
Lehren aus dem Pilotprojekt
Das Beispiel Halberstadt zeigt, dass Tempo-30-Zonen allein nicht automatisch zu mehr Sicherheit und Lebensqualität führen. Ohne begleitende bauliche Maßnahmen und ohne breite Akzeptanz bleiben die Effekte begrenzt. Der Harz wird sich daher mit alternativen Konzepten beschäftigen müssen, wenn er sowohl touristisch attraktiv als auch verkehrlich effizient bleiben will.
Verkehrspolitik im Harz – zwischen Tradition und Wandel
Die Entscheidung macht deutlich, dass der Harz zwar offen für Experimente ist, diese aber nur Bestand haben, wenn sie sich im Alltag bewähren. Für die Bürgerinnen und Bürger bleibt die Frage, wie Mobilität künftig aussehen soll: Mehr Tempo 30 oder andere Konzepte, die Fuß- und Radverkehr stärken?
Schlussfolgerung: Was bleibt von Tempo 30 in Halberstadt?
Die Aufhebung der Tempo-30-Zone in Halberstadt ist mehr als ein lokales Ereignis. Sie zeigt exemplarisch, wie schwierig es ist, neue Verkehrskonzepte im Harz zu etablieren. Während die Ziele nachvollziehbar waren – mehr Sicherheit, weniger Lärm, höhere Lebensqualität – blieb der konkrete Nutzen überschaubar. Für die Zukunft gilt es, Lehren aus diesem Experiment zu ziehen und Verkehrspolitik noch stärker mit den Bedürfnissen der Menschen im Harz abzugleichen. Eines ist sicher: Die Debatte um Tempo 30 wird nicht enden, auch wenn Halberstadt vorerst zurück zum alten Modell kehrt.