
Harz – In vielen Städten und Gemeinden der Region zeigt sich ein tiefgreifender Wandel in der Kinderbetreuung. Sinkende Geburtenzahlen führen dazu, dass Kitas leerer werden, und in einigen Orten bereits Schließungen anstehen. Die Entwicklung trifft nicht nur die Familien im Harz, sondern auch die Kommunen, die nun schwierige Entscheidungen treffen müssen.
Ein Blick auf die demografische Entwicklung
Der Harz ist wie viele Regionen Sachsen-Anhalts von einem deutlichen Geburtenrückgang betroffen. Im Jahr 2024 wurden landesweit nur rund 12.500 Kinder geboren – ein historischer Tiefststand seit der Wiedervereinigung. Dieser Trend zeigt sich besonders stark in ländlichen Gegenden. Für den Harz bedeutet das: Weniger Kinder in den Gemeinden, sinkende Auslastung in den Kindertagesstätten und eine neue Realität für Kommunen, Träger und Eltern.
Während in den 1990er-Jahren noch über zu wenige Kita-Plätze diskutiert wurde, hat sich die Situation komplett gedreht. Heute müssen Kommunen darüber nachdenken, ob sie Einrichtungen überhaupt noch halten können. In der Folge entstehen Debatten über Strukturveränderungen, Sparmaßnahmen und die Zukunft der frühkindlichen Bildung in der Region.
Konkrete Schließungen im Harz
Besonders deutlich wird die Entwicklung in Wernigerode. Dort soll die Kinderkrippe „Am Auerhahn“ im Sommer 2026 geschlossen werden. Die Stadtverwaltung sieht angesichts der Zahlen keine andere Möglichkeit. Auch in Osterwieck sind zwei Einrichtungen betroffen, die voraussichtlich bald ihre Türen schließen. Für viele Familien bedeutet das nicht nur einen organisatorischen Umbruch, sondern auch emotionale Belastungen, da vertraute Betreuungsorte verschwinden.
In den Diskussionen fällt immer wieder der Hinweis, dass Schließungen unausweichlich seien, wenn die Kinderzahlen weiter sinken. Zugleich wird betont, dass dies noch nicht das Ende aller Kitas sei. Die Kommunen wägen ab, welche Einrichtungen langfristig gesichert werden können und wo Rückzüge nötig sind.
Warum müssen Kitas im Harz wegen Geburtenrückgang geschlossen werden?
Diese Frage stellen sich viele Eltern und Bürger. Die Antwort ist klar: Der anhaltende Rückgang der Geburtenzahlen sorgt für eine Überkapazität. Während früher Wartelisten üblich waren, stehen heute vielerorts Plätze leer. Kommunen können die Fixkosten für Gebäude, Personal und Ausstattung nicht mehr tragen, wenn die Nachfrage deutlich unter der Kapazität liegt. Schließungen sind damit eine direkte Folge der demografischen Entwicklung im Harz.
Regionale Unterschiede und kreative Lösungen
Doch nicht überall im Harz ist die Lage gleich. Einige Kommunen verzeichnen trotz sinkender Geburtenzahlen stabile Auslastungen. Gründe sind Zuwanderung, innovative pädagogische Konzepte oder attraktive Standorte. Beispiele sind Waldgruppen in Allstedt oder Kitas in Thale mit besonderen Schwerpunkten, die überregional Familien anziehen. Im Seegebiet Mansfelder Land liegt die Auslastung der Kitas bei rund 95 Prozent, in Zeitz immerhin bei 86 Prozent.
Diese Unterschiede zeigen: Der Harz ist keine homogene Region. Vielmehr hängt die Zukunft einer Kita auch davon ab, ob die Kommune kreative Antworten findet. Manche Träger setzen auf flexible Raumgestaltung, andere auf die Einbindung zusätzlicher Angebote wie Familienzentren oder Mehrgenerationenhäuser. So können Einrichtungen auch dann erhalten bleiben, wenn die Zahl der Kinder sinkt.
Proteste und Bürgerbeteiligung
Besonders emotional sind die Reaktionen in Orten wie Osterwieck. Elterninitiativen haben Unterschriftenlisten gegen Schließungen eingereicht, um die Kitas in Bühne und Rohrsheim zu retten. Selbst Kinder beteiligten sich mit eigenen Worten: „Bitte schließt unsere Kita nicht!“ – ein Appell, der den Ernst der Lage verdeutlicht. In den sozialen Medien werden diese Stimmen vielfach geteilt und von Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Die Resonanz zeigt, wie eng Kitas mit der Identität kleiner Gemeinden verbunden sind.
Haushaltsdruck als unsichtbarer Treiber
Neben dem demografischen Wandel spielt auch die finanzielle Situation der Kommunen eine entscheidende Rolle. Am Beispiel Osterwieck wird klar, dass es nicht nur um Kinderzahlen geht, sondern auch um Sparzwänge. Jede Kita-Schließung spart der Stadt etwa 215.000 Euro pro Jahr. Werden zwei Einrichtungen geschlossen, summieren sich die Einsparungen auf rund 430.000 Euro jährlich. Für viele Stadträte ist das ein ausschlaggebendes Argument, auch wenn es die betroffenen Familien hart trifft.
Landesweite Perspektive
Sachsen-Anhalt steht insgesamt vor einem Rückgang der Kita-Kinderzahlen. Bis 2035 wird erwartet, dass rund 23.000 Kinder weniger in Betreuung sein werden – ein Rückgang von etwa 15 Prozent. Dies könnte auch den Arbeitsmarkt beeinflussen, da weniger Personal benötigt wird. Schon heute warnen Gewerkschaften davor, dass dies zu einem Stellenabbau im vierstelligen Bereich führen könnte.
Wie viele zusätzliche Erzieherstellen plant Sachsen-Anhalt trotz sinkender Kinderzahlen?
Trotz sinkender Kinderzahlen reagiert das Land mit Investitionen in die Qualität. 187 neue Stellen für Erzieherinnen und Erzieher sollen geschaffen werden, um Betreuungssituationen zu verbessern und Personal zu entlasten. Diese Strategie verfolgt das Ziel, die Qualität in den verbleibenden Kitas zu sichern und langfristig die Attraktivität des Berufs zu steigern.
Kitas als gesellschaftliche Anker
In vielen Gemeinden des Harzes sind Kitas mehr als nur Betreuungseinrichtungen. Sie sind Treffpunkte, Orte der Begegnung und wichtige soziale Ankerpunkte. Der Rückgang der Kinderzahlen verändert diese Rolle. Immer öfter wird darüber nachgedacht, wie Gebäude und Räume alternativ genutzt werden können, wenn sie nicht mehr voll mit Kindern belegt sind.
Welche alternativen Nutzungskonzepte gibt es für leerstehende Kitaräume im Harz?
Einige Städte denken bereits in diese Richtung. In Halle wird diskutiert, unterbelegte Kitas in Mehrgenerationenhäuser umzuwandeln oder Räume an soziale Projekte zu vermieten. Auch im Harz könnten solche Ideen Schule machen. So würden Kitas trotz sinkender Kinderzahlen ihre Rolle als gesellschaftliche Orte behalten, wenn auch in veränderter Form.
Emotionale Belastung für Familien
Für Eltern im Harz ist die Schließung einer Kita weit mehr als eine organisatorische Frage. Viele fühlen sich in der Planbarkeit ihrer beruflichen und privaten Situation verunsichert. Lange Wege, neue Eingewöhnungen und weniger Auswahlmöglichkeiten bedeuten zusätzlichen Druck. Manche äußern im öffentlichen Diskurs den Wunsch nach mehr Transparenz und Mitbestimmung, wenn es um Entscheidungen in der Kommunalpolitik geht.
Die Bedeutung von Zahlen und Fakten
Trotz der emotionalen Dimension sind es die nackten Zahlen, die die Entscheidungen bestimmen. Im Jahr 2025 gab es in Sachsen-Anhalt noch 1.807 Kindertageseinrichtungen – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig wurden in den letzten zehn Jahren 43 neue Einrichtungen eröffnet, was zeigt, dass die Entwicklung nicht linear verläuft. Die Betreuungsquote bleibt hoch: 59,4 Prozent der unter Dreijährigen und 92,9 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen besuchen weiterhin eine Kita.
Wie stark sinkt die Zahl der Kinder in Kitas im Harz?
Während landesweit mit einem Rückgang von 23.000 Kindern bis 2035 gerechnet wird, sind die Zahlen im Harz besonders deutlich. In vielen Orten gibt es bereits spürbar leere Plätze. Diese Entwicklung ist ein Warnsignal für alle Beteiligten, dass die Weichen für die Zukunft neu gestellt werden müssen.
Der Harz steht damit exemplarisch für einen Wandel, der ganz Sachsen-Anhalt betrifft. Sinkende Geburtenzahlen, finanzielle Zwänge und die Suche nach neuen Konzepten stellen Kommunen, Träger und Familien vor große Herausforderungen. Während manche Orte im Harz noch stabile oder sogar hohe Auslastungen verzeichnen, stehen andere vor einschneidenden Entscheidungen. Ob durch Schließungen, kreative Umnutzungen oder neue pädagogische Konzepte – die Region muss Wege finden, ihre Kitalandschaft an die Realität anzupassen. Klar ist: Die Diskussion um Kitas im Harz wird uns noch lange begleiten, und sie berührt weit mehr als nur Zahlen – sie betrifft das Herzstück vieler Gemeinden.