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Harzer Schmalspurbahnen vor möglichem Meilenstein: Rückkehr der Bahnverbindung nach Braunlage?

Wernigerode, 14. Juni 2025, 17:00 Uhr

Die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) prüfen im Rahmen einer landesweiten Machbarkeitsstudie, ob eine neue Bahnverbindung zwischen dem Ort Sorge und dem Tourismuszentrum Braunlage entstehen kann. Ein Vorhaben mit Signalwirkung – sowohl für die Region als auch für den deutschen Schienenverkehr insgesamt. Der geplante Neubau einer etwa fünf Kilometer langen Strecke ist mehr als nur ein technisches Infrastrukturprojekt: Es geht um Regionalentwicklung, Klimaschutz, Tourismus und wirtschaftliche Machbarkeit im Herzen einer sensiblen Naturregion.

Ein ehrgeiziger Plan mit langer Vorgeschichte

Die Idee, Braunlage wieder an das Streckennetz der Harzer Schmalspurbahnen anzuschließen, ist keineswegs neu. Schon 2009 und 2010 wurde über eine mögliche Trasse diskutiert. Damals scheiterte das Projekt jedoch an wirtschaftlichen Bedenken und fehlender politischer Rückendeckung. 2010 bezifferten Expertengutachten die Investitionskosten auf bis zu 32,6 Millionen Euro bei einem zu erwartenden Defizit von rund einer Million Euro jährlich. Ein Verkehrseffekt von lediglich 1,3 Millionen Euro galt als zu gering, um das Projekt als wirtschaftlich tragfähig einzustufen.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Tourismus boomt, der Klimaschutz ist ein dominantes politisches Ziel, und der ländliche Raum fordert mehr denn je attraktive Anbindungen an öffentliche Verkehrsnetze. Im Juli 2022 fasste der Stadtrat von Braunlage deshalb einstimmig den Beschluss, ein neues Untersuchungsverfahren anzustoßen. Im September 2024 wurde die DB Engineering & Consulting GmbH mit der Durchführung einer umfangreichen Machbarkeitsstudie beauftragt.

Kooperation über Ländergrenzen hinweg

Das Projekt ist ein Paradebeispiel für länderübergreifende Zusammenarbeit. Die Initiative wird getragen von der HSB, der Nahverkehrsservicegesellschaft Sachsen-Anhalt (NASA), dem Regionalverband Großraum Braunschweig sowie der Stadt Braunlage und dem Landkreis Harz. Gemeinsam wollen sie klären, ob eine neue Trasse vom Ort Sorge bis zur Talstation der Wurmbergseilbahn in Braunlage technisch und wirtschaftlich machbar ist.

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In der Studie wird auch auf frühere Trassenvorschläge Bezug genommen. Historisch gab es eine Verbindung von Walkenried über Braunlage nach Tanne, die jedoch nach 1945 weitgehend zurückgebaut und zu einem Radwanderweg umfunktioniert wurde. Die aktuelle Planung setzt auf eine gänzlich neue Trasse, die sich in das moderne Verkehrs- und Tourismuskonzept einfügen soll.

Trassenvorschlag: Vom Bahnhof Sorge zum Wurmberg

Der zentrale Vorschlag sieht eine rund fünf Kilometer lange Neubaustrecke vor, die vom Bahnhof Sorge – einem bestehenden Haltepunkt der Harzer Schmalspurbahnen – bis zum Parkplatz an der Talstation der Wurmbergseilbahn in Braunlage führen soll. Der Standort ist bewusst gewählt: Er ist touristisch stark frequentiert und bietet die Chance, den motorisierten Individualverkehr auf der Harzhochstraße deutlich zu reduzieren.

Ein weiterer Vorteil: Die neue Strecke könnte weitgehend unabhängig vom bestehenden Straßenverkehr realisiert werden, was sowohl logistisch als auch naturschutzrechtlich von Bedeutung ist. Dennoch bleiben zahlreiche Fragen offen – insbesondere zur Finanzierung, zur Genehmigungsfähigkeit in einem sensiblen Naturraum und zur Integration in bestehende Mobilitätsangebote.

Fahrgastpotenzial: Zwischen Vision und Realität

Ein zentrales Argument für das Projekt ist die Hoffnung auf eine deutliche Erhöhung der Fahrgastzahlen. Braunlage und Wernigerode gehören mit jeweils rund 1,4 Millionen Übernachtungen pro Jahr zu den touristischen Schwergewichten im Harz. Eine direkte Schienenverbindung zwischen diesen beiden Orten könnte das touristische Angebot erheblich aufwerten.

Ein solches Projekt könnte zudem helfen, die Verkehrslast auf den Straßen im Harz – besonders in der Wintersaison – zu verringern. „Wer einmal im Stau am Wochenende auf dem Weg zur Wurmbergseilbahn stand, versteht, wie wichtig Alternativen zur Straße sind“, betont ein Sprecher des Harzer Tourismusverbands. Zudem könnten kombinierte Ticketlösungen – etwa mit dem Harzer Urlaubs-Ticket HATIX – neue Zielgruppen ansprechen.

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Fahrgastprognose – mögliche Szenarien

Szenario Prognostizierte Fahrgäste/Jahr Bemerkung
Konservativ 150.000 Nur saisonale Nutzung, kaum Tagesgäste
Optimistisch 400.000 Kombitickets, Marketing, Ausweitung ÖPNV
Tourismus-Boom 600.000+ Starke Zunahme durch Nachhaltigkeitstrend

Nachhaltigkeit als Argument

Der Ausbau von Bahnverbindungen gilt im Sinne der europäischen Klimaziele als zentraler Baustein nachhaltiger Verkehrsentwicklung. Die EU verfolgt das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Der Verkehr – und insbesondere der Tourismusverkehr – spielt dabei eine Schlüsselrolle. Eine moderne, umweltfreundliche Bahnlinie zwischen Wernigerode und Braunlage wäre ein Aushängeschild für den Harz und ein Musterbeispiel für nachhaltige Regionalentwicklung.

Auch der Harzer Tourismusverband unterstützt den Kurs. In dessen Leitlinien zur „Nachhaltigen Destination Harz“ wird umweltverträgliche Mobilität als zentrales Handlungsfeld definiert. Die Integration von Bahnangeboten in ein umfassendes Konzept aus Radwegen, Wanderinfrastruktur und klimaneutraler Beherbergung könne neue Maßstäbe setzen.

„Der Harz hat das Potenzial, Modellregion für nachhaltigen Tourismus in Deutschland zu werden. Eine Bahnlinie nach Braunlage wäre dafür ein klares Signal.“

Einbindung in bestehende Mobilitätsstrategien

Interessant ist die zeitliche Überschneidung des Projekts mit dem Pilotprojekt „HATIX+ Schiene Südharz“, das seit Mitte 2024 in Teilen des Südharzes läuft. Hier können Urlauber mit dem Harzer Urlaubsticket nicht nur Busse, sondern auch Regionalbahnen kostenfrei nutzen. Bisher ist die HSB in dieses Angebot nicht eingebunden – eine Ausweitung wäre aber denkbar, sollte die Strecke nach Braunlage Realität werden.

Langfristig ließe sich ein überregionales Mobilitätskonzept entwickeln, das Bahn, Bus, Seilbahn, Fahrrad und Wandern miteinander verknüpft. Die neue Verbindung könnte als Rückgrat eines solchen Systems dienen.

Ausblick: Wie geht es weiter?

Die aktuell laufende Machbarkeitsstudie soll im Laufe des Jahres 2025 abgeschlossen werden. Die HSB rechnet allerdings mit einer Projektlaufzeit von etwa fünf Jahren, ehe Genehmigungsfähigkeit, Bauplanung und Realisierung abgeschlossen sein könnten. Das Projekt befindet sich also noch in einer sehr frühen Phase.

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Dennoch zeigen sich Politik und Gesellschaft zuversichtlich. Der Landrat des Landkreises Harz sieht in der Bahnverbindung einen Impulsgeber für die Region. Und auch die Stadt Braunlage unterstützt das Vorhaben mit Nachdruck.

Wichtige Etappen im Überblick:

  • 2022: Beschluss des Stadtrats Braunlage zur Wiederaufnahme der Planungen
  • 2024: Beauftragung der Machbarkeitsstudie durch die HSB
  • 2025: Abschluss der Studie, politische Bewertung
  • ab 2026: Genehmigungsverfahren, Detailplanung
  • frühestens 2030: möglicher Baustart

Zwischen Vision und Verantwortung

Der mögliche Ausbau der HSB bis Braunlage ist mehr als ein nostalgisches Verkehrsprojekt. Es ist ein regionalpolitisches Signal, eine touristische Chance und ein ökologisches Versprechen zugleich. Die kommenden Monate werden zeigen, ob aus der Vision Realität wird. Klar ist: Die Rückkehr der Bahn nach Braunlage könnte den Harz nachhaltig verändern – zum Positiven.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.