
Mit dem bevorstehenden Start eines landesweiten Telemedizin-Netzwerks schlägt Sachsen-Anhalt ein neues Kapitel in der digitalen Gesundheitsversorgung auf. Ziel ist es, insbesondere in ländlichen Regionen medizinisches Fachwissen schnell, effizient und ortsunabhängig verfügbar zu machen. Die Pilotphase beginnt im November 2025 – ein Vorhaben mit Signalwirkung über die Landesgrenzen hinaus.
Ein Netzwerk für die Zukunft: Das steckt hinter der Initiative
Die Gesundheitsversorgung im ländlich geprägten Sachsen-Anhalt steht vor gewaltigen Herausforderungen. Der demografische Wandel, ein zunehmender Ärztemangel und infrastrukturelle Schwächen machen es vielerorts schwer, eine flächendeckende medizinische Betreuung sicherzustellen. Mit dem neuen Telemedizin-Netzwerk unter dem Namen TeleSAN will das Land diesen Problemen nun entschlossen begegnen.
Träger des Projekts ist die TeleSAN GmbH, ein gemeinsames Tochterunternehmen der Universitätskliniken Halle und Magdeburg. Es koordiniert Aufbau und Betrieb der neuen Plattform, die als technische Drehscheibe für telemedizinische Angebote im ganzen Land fungieren soll. Geplant ist, dass sich künftig sowohl stationäre Einrichtungen als auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte über die Plattform vernetzen können.
Startschuss im November: So läuft die Pilotphase ab
Wann startet die Pilotphase des Telemedizin‑Netzwerks in Sachsen‑Anhalt? Die Pilotphase soll im November 2025 beginnen. Erste Kliniken werden dann technisch an die Plattform angeschlossen. Im Fokus stehen dabei zunächst Einrichtungen, die sich durch digitale Infrastruktur und vorhandene Kooperationsbereitschaft auszeichnen.
Ein zentrales Ziel der Pilotphase ist es, das System auf seine Alltagstauglichkeit hin zu prüfen. Dabei geht es nicht nur um technische Aspekte, sondern auch um organisatorische Fragen, wie etwa den Datenschutz, die Integration in bestehende Krankenhaus-IT oder die praktische Einbindung in die Abläufe ärztlicher Arbeit.
Diese Leistungen soll TeleSAN ermöglichen
- Digitale Visiten auf Station mit zugeschalteten Spezialisten
- Telekonsile zwischen Hausarztpraxis und Fachkliniken
- Fernüberwachung von Vitaldaten chronisch erkrankter Menschen
- Elektronischer Austausch von Diagnostikdaten
Finanzierung aus Sondermitteln
Wie hoch ist die Finanzierung des Telemedizin‑Projekts in Sachsen‑Anhalt? Die Finanzierung erfolgt aus dem Corona-Sondervermögen des Landes. Bis zum Jahr 2026 werden insgesamt 11,84 Millionen Euro bereitgestellt. Diese Mittel fließen in den Aufbau der digitalen Infrastruktur, die Softwareentwicklung sowie in Schulungsmaßnahmen für das medizinische Personal.
Die Maßnahme ist Teil der Digitalstrategie „Sachsen-Anhalt Digital 2030“ und wird vom Gesundheitsministerium des Landes eng begleitet. Ministerin Petra Grimm-Benne sprach in einem Statement von einem „entscheidenden Schritt hin zu gleichwertiger Versorgung im ganzen Land“.
Regionale Versorgung neu gedacht
Welche Probleme gibt es bei der Einführung von Telemedizin im ländlichen Raum Sachsen‑Anhalts? Besonders in strukturschwachen Regionen fehlt es teilweise noch an den nötigen Grundlagen, wie stabilen Breitbandverbindungen. Kritiker warnen davor, dass ohne entsprechende Netzanbindung viele potenzielle Nutzerinnen und Nutzer ausgeschlossen bleiben könnten. Die Landesregierung hat daher angekündigt, parallel auch den Breitbandausbau gezielt zu fördern.
Auch das medizinische Personal sieht die Digitalisierung mit gemischten Gefühlen. Während viele junge Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeiten telemedizinischer Anwendungen begrüßen, äußern andere Bedenken hinsichtlich zusätzlicher Bürokratie und fehlender Entlastung im Praxisalltag.
Ein Blick in die Realität: Ärztemangel und Versorgungslücken
Ein Forum zur Gesundheitsversorgung in Wittenberg zeigte: Bis zum Jahr 2035 rechnet man in Sachsen-Anhalt mit einem Bedarf von bis zu 4.450 Hausärztinnen und Hausärzten. Angesichts der aktuell fehlenden 310 Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeut*innen und zusätzlich 75 Millionen Euro jährlich nicht vergüteter Leistungen sind die Erwartungen an das Projekt hoch.
„Telemedizin kann helfen, aber sie ersetzt keine ärztliche Präsenz“, heißt es dazu aus dem Ärzteblatt Sachsen-Anhalt. Dort wird zudem gefordert, kleinere Krankenhäuser durch sogenannte Vorhaltefinanzierungen zu stabilisieren und gezielt Kooperationen mit größeren Einrichtungen aufzubauen.
Technischer Fortschritt trifft auf bewährte Praxis
Welche Angebote sollen über das Telemedizin‑Netzwerk möglich sein? Neben den bereits erwähnten Anwendungen wie Videovisiten und Fernüberwachung sollen auch neuartige Konzepte wie E-Triage bei Katastrophen sowie möglich werden. Besonders im Zivil- und Katastrophenschutzbereich hat TeleSAN durch Pilotprojekte und Studien bereits bewiesen, dass telemedizinische Einsätze auch unter Extrembedingungen funktionieren.
Beispielhaft ist ein Telemedizin-Einsatz bei einem Musikfestival, bei dem Sanitäter über Tablets und Vitaldatensensoren mit Ärztinnen und Ärzten verbunden waren. Auch in Übungen mit CBRN-Schutzausrüstung (chemisch, biologisch, radiologisch, nuklear) wurde das System erfolgreich getestet.
Geplante Zusatzfunktionen von TeleSAN
- Mobile Assistenzsysteme (z. B. Smartphone-Integration)
- Verknüpfung mit Rettungsleitstellen
- Schulungen und Simulationen für medizinisches Personal
- Qualitätsmonitoring durch Datenanalyse
Wie reagieren die Menschen im Land?
Eine zentrale Frage lautet: Wie wird die Telemedizin in Sachsen-Anhalt von Patientinnen und Patienten angenommen? Eine begleitende Befragung in einem vorangegangenen Projekt zeigte, dass über 90 % der befragten Personen angaben, sich durch die Möglichkeit telemedizinischer Betreuung sicherer zu fühlen. Vor allem ältere Menschen schätzten es, keine langen Wege zu Arztbesuchen mehr auf sich nehmen zu müssen.
Auf Plattformen wie Twitter und LinkedIn begleiten offizielle Stellen wie das Sozialministerium Sachsen-Anhalt die Einführung kommunikativ. Unter dem Hashtag #TeleSAN werden Fortschritte, Partner und Entwicklungen transparent gemacht. Ein Post der Gesundheitsministerin unterstreicht: „Das Netzwerk macht medizinisches Fachwissen landesweit verfügbar.“
Die Perspektive der Politik
Auch in der Landespolitik sorgt das Projekt für Diskussionen. Während Regierungsvertreter betonen, dass Telemedizin ein zentrales Element zukünftiger Versorgung sei, mahnt die Opposition zur Vorsicht. Die Linke fordert, dass telemedizinische Dienste nicht zur Sparmaßnahme auf Kosten stationärer Angebote werden dürften. Die CDU wiederum drängt auf eine grundsätzliche Überarbeitung des Krankenhausplans.
Einigkeit herrscht allerdings in einem Punkt: Ohne ein funktionierendes digitales Netzwerk wird Sachsen-Anhalt die Herausforderungen im Gesundheitsbereich nicht meistern können. Die Telemedizin-Offensive gilt daher vielen als notwendiger Impuls, um bestehende Versorgungslücken zu schließen und neue Versorgungsformen zu etablieren.
Offen bleibt: Wer macht mit?
Wer steckt hinter dem Telemedizin‑Netzwerk in Sachsen‑Anhalt? Neben der TeleSAN GmbH sind bereits zahlreiche Krankenhäuser im Gespräch. Offiziell bekanntgegeben wurden jedoch noch keine Namen. Derzeit laufen Abstimmungen über die Teilnahmebedingungen und technischen Voraussetzungen.
Ein Sprecher der Universitätsklinik Halle erklärt: „Wir stehen mit mehreren Partnern in Kontakt. Unser Ziel ist es, möglichst viele Versorger im Land für die Plattform zu gewinnen – vom Uniklinikum bis zur Landarztpraxis.“
Fazit oder Ausblick?
Auch wenn die Telemedizin kein Allheilmittel ist, so bietet sie doch realistische Chancen für eine verbesserte, schnellere und modernere Versorgung – besonders dort, wo lange Wege und Fachkräftemangel den Zugang zu ärztlicher Hilfe erschweren. Sachsen-Anhalt geht nun als eines der ersten Bundesländer diesen mutigen Schritt in Richtung vernetzter Gesundheitszukunft. Ob das Modell Schule macht, hängt vom Erfolg der kommenden Monate ab – und davon, ob der politische Wille zur dauerhaften Unterstützung über die Pilotphase hinaus reicht.