Sachsen-Anhalt

Erinnerung mit Würde und Mahnung Magdeburg erinnert mit bewegender Gedenkfeier an die Opfer der Pogrome von 1938

Magdeburg, 10. November 2025 – Ein kühler Herbstnachmittag, das Licht fällt durch kahle Äste auf den grauen Stein des Synagogen-Mahnmals in der Julius-Bremer-Straße. Zwischen den Blättern liegen Rosen, sorgfältig niedergelegt, ein stilles Zeichen gegen das Vergessen. Magdeburg gedenkt an diesem Tag der Opfer der Novemberpogrome von 1938 – und verbindet Geschichte mit der Verantwortung der Gegenwart.

Ein Tag des Erinnerns: Die Stadt Magdeburg ruft zum Gedenken auf

Jedes Jahr im November lädt die Landeshauptstadt Magdeburg zur zentralen Gedenkveranstaltung für die Opfer der Pogrome von 1938 ein. Auch 2025 findet sie im Forum Gestaltung statt, bevor ein stiller Gedenkweg zum Synagogen-Mahnmal führt. Die Stadt setzt damit ein Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde und gegen jede Form von Antisemitismus.

Die Novemberpogrome, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in ganz Deutschland stattfanden, markieren den Beginn der systematischen Verfolgung jüdischer Menschen im nationalsozialistischen Deutschland. In Magdeburg wurden dabei nachweislich 29 jüdische Geschäfte verwüstet, der Gebetssaal der Synagoge wurde zerstört und später vollständig abgetragen. Diese Nacht gilt auch hier als Wendepunkt – von der Diskriminierung hin zur physischen Vernichtung.

Historische Fakten: Zerstörung, Verhaftungen, Deportationen

Die historischen Aufzeichnungen zeigen deutlich, wie brutal und gezielt die Pogrome in Magdeburg durchgeführt wurden. Mitglieder von SA, SS und Hitlerjugend stürmten jüdische Läden und Wohnungen. Es kam zu Übergriffen, Plünderungen und Misshandlungen. Nach zeitgenössischen Berichten wurden in Magdeburg 113 jüdische Bürgerinnen und Bürger verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert.

Insgesamt fielen dem Holocaust aus Magdeburg 1.521 Jüdinnen und Juden zum Opfer, darunter 287 Kinder. Diese Zahlen dokumentieren die verheerenden Folgen der nationalsozialistischen Politik und sind Teil der offiziellen Erinnerungskultur der Stadt.

Wie Magdeburg heute erinnert

Das Gedenken an die Pogromnacht ist fester Bestandteil des öffentlichen Lebens in Magdeburg. Neben der offiziellen Veranstaltung im Forum Gestaltung gibt es zahlreiche Initiativen, die das Thema aufgreifen. Schulen, Vereine und religiöse Gruppen beteiligen sich am jährlichen Gedenkweg. Der Weg endet am Standort der ehemaligen Synagoge, wo seit Jahrzehnten ein Mahnmal steht. In Redebeiträgen werden die Namen und Schicksale der Opfer genannt – viele davon mit Bezug zu Familien, die in der Stadt über Generationen hinweg lebten.

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Symbolische Orte und Zeichen der Erinnerung

Ein zentrales Element des Erinnerns sind die sogenannten Stolpersteine. Sie liegen über das gesamte Stadtgebiet verteilt und tragen die Namen ehemaliger jüdischer Bürgerinnen und Bürger, die verfolgt, deportiert oder ermordet wurden. In Magdeburg wurde 2025 der 800. Stolperstein verlegt. Jedes dieser kleinen Messingtafeln ist individuell einer Person gewidmet und erinnert an ihr Schicksal vor der eigenen Haustür.

Die Initiative wird von Bürgerinnen und Bürgern getragen, die regelmäßig Reinigungsaktionen und kleine Gedenkfeiern organisieren. Neu ist, dass viele dieser Gedenkstellen digital abrufbar sind – durch QR-Codes oder Online-Datenbanken mit biografischen Informationen. So verbindet die Stadt traditionelle Erinnerungskultur mit moderner Technik.

Mehrsprachiges Erinnern und Einbindung neuer Generationen

Ein weiterer Aspekt des Gedenkens in Magdeburg ist das Projekt „Mehrsprachiges Erinnern“. Es stellt Biografien von NS-Opfern in verschiedenen Sprachen vor, um auch Menschen mit Migrationsgeschichte einzubeziehen. Die Ausstellung „Nie vergessen – grenzenlos“ zeigt die Geschichten jüdischer Familien aus Magdeburg und bringt sie in Schulen und Jugendgruppen. Damit wird Erinnerung zu einer lebendigen und inklusiven Bildungsaufgabe.

Die Bedeutung des 9. November für Magdeburg und Deutschland

Der 9. November hat in Deutschland eine besondere Symbolik. Er steht für Brüche und Wendepunkte – vom gescheiterten Hitlerputsch 1923 über die Reichspogromnacht 1938 bis hin zum Fall der Berliner Mauer 1989. In Magdeburg richtet sich der Blick an diesem Tag auf das dunkelste Kapitel der Stadtgeschichte.

Die Pogromnacht 1938 markiert auch in Magdeburg den Übergang von staatlicher Diskriminierung zur offenen Vernichtungspolitik. Zeitzeugenberichte und historische Studien machen deutlich, dass die Gewaltakte organisiert und gelenkt waren. Im gesamten Deutschen Reich wurden zwischen dem 7. und 13. November mehrere hundert Menschen ermordet, rund 1.400 Synagogen sowie tausende jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört.

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Neubau der Synagoge als Zeichen des Lebens

In der Julius-Bremer-Straße entsteht derzeit die Neue Synagoge Magdeburg. Der Bau gilt als Symbol für die Wiederbelebung jüdischen Lebens in der Stadt. Das neue Gemeindezentrum soll 2026 fertiggestellt werden und Raum bieten für Gebet, Bildung und Begegnung. Damit wird auch ein Stück Normalität zurückgewonnen – in einer Stadt, die vor 87 Jahren Zeugin der Zerstörung war.

Die geplante Eröffnung wird voraussichtlich erneut Anlass für ein öffentliches Gedenken sein. Bereits heute werden Besucherinnen und Besucher in Informationsveranstaltungen über die Geschichte der alten Synagoge und die Architektur des Neubaus informiert.

Fragen, die die Erinnerung prägen

Viele Menschen fragen sich, was genau in jener Nacht geschah, wie viele Opfer es gab und warum Magdeburg heute so intensiv daran erinnert. Historische Dokumente geben präzise Antworten: 29 Geschäfte zerstört, 113 Menschen verhaftet, 1.521 Opfer des Holocaust. Diese Daten sind nicht bloß Zahlen, sondern Ausdruck einer Tragödie, die tief in die Stadtgeschichte eingreift.

Die Gedenkveranstaltungen greifen diese Fragen auf, um auch künftigen Generationen die Bedeutung zu vermitteln. In Schulen wird der 9. November inzwischen regelmäßig als Projekttag begangen. Lehrkräfte und Schüler besuchen gemeinsam Stolpersteine oder beteiligen sich an Lesungen und Vorträgen. So wird Geschichte erfahrbar und Erinnerung über Generationen weitergegeben.

Gedenken als Verantwortung der Gesellschaft

Das Gedenken in Magdeburg zeigt, dass Erinnerung kein einmaliges Ritual ist, sondern Teil gesellschaftlicher Verantwortung. Die Stadt versteht das jährliche Pogromgedenken als Verpflichtung, wachsam zu bleiben gegenüber Ausgrenzung und Hass. In den Reden wird betont, dass Antisemitismus, ob offen oder subtil, auch heute eine Herausforderung darstellt.

Viele Beteiligte sehen darin eine Mahnung an die Gegenwart. Im offiziellen Aufruf der Stadt heißt es: „Wir gedenken der Opfer, um ihnen ihre Würde zurückzugeben und um Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus zu setzen.“ Diese Worte sind fester Bestandteil jeder Veranstaltung und prägen das Selbstverständnis der Stadtgesellschaft.

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Ein Blick in die Zukunft der Erinnerungskultur

Mit zunehmendem zeitlichen Abstand wird die Pflege der Erinnerung zu einer neuen Aufgabe. Da Zeitzeugen kaum noch leben, gewinnt die Dokumentation und Vermittlung von Geschichte an Bedeutung. Digitale Archive, virtuelle Rundgänge und interaktive Lernplattformen ergänzen die traditionellen Formen des Gedenkens. Sie ermöglichen auch jungen Menschen einen Zugang zu den Ereignissen von 1938 – unabhängig von Herkunft, Religion oder Sprache.

In Magdeburg wird die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart sichtbar: Die Stolpersteine im Pflaster, das neue Gemeindezentrum im Bau, die Stimmen der Schülerinnen und Schüler bei den Gedenkveranstaltungen. All das zeigt, dass das Erinnern weiterlebt – nicht als Pflicht, sondern als Bewusstsein, das die Stadtgesellschaft trägt.

Erinnerung als Fundament des Zusammenhalts

Wenn am 10. November die Bürgerinnen und Bürger erneut zusammenkommen, um Rosen niederzulegen und Kerzen zu entzünden, dann ist das mehr als eine Geste. Es ist der Ausdruck eines kollektiven Gedächtnisses, das sich seiner Verantwortung bewusst ist. Magdeburg beweist damit, dass Erinnerung kein Rückblick, sondern Teil einer lebendigen Gegenwart ist – und dass das Gedenken an die Opfer der Pogrome von 1938 eine Brücke in die Zukunft schlägt.

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Über den Autor

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Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.