
10. November 2025 – Inmitten dichter Wälder und zerklüfteter Granitformationen des Harzes erhebt sich eine neue Frage: Könnte diese Region eines Tages die Zufluchtsstätte für Deutschlands hochradioaktiven Müll werden? Zwischen Bauernhöfen und Naturschutzgebieten wird das Wort „Endlager“ zur Debatte – geologisch wie gesellschaftlich.
Die Suche nach einem geeigneten Standort für ein deutsches Tiefenlager für hochradioaktive Abfälle nimmt Fahrt auf – und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) sieht unter anderem die Region um den Harz als potenziellen Kandidaten-Bereich. Dennoch: Eine verbindliche Entscheidung steht bis dato nicht an. Im Folgenden wird untersucht, welche Rolle der Harz-Raum aktuell im Auswahlverfahren spielt, welche geologischen und gesellschaftlichen Hürden vorliegen – und welche offenen Fragen sich daraus ergeben.
Wie weit ist die Endlagersuche – und welche Rolle spielt der Harz?
Das deutsche Verfahren zur Standortwahl für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle folgt einem gesetzlich verankerten Verfahren mit mehreren Phasen. Zunächst werden Teilgebiete ausgewiesen, dann Standortregionen vorläufig bestimmt, bevor übertägige und zuletzt untertägige Erkundungen beginnen.
Aktuell betrachtet die BGE etwa 25 % der Landesfläche Deutschlands als noch potenziell geeignet. In einem Überblick heißt es, dass Granitvorkommen im Bayerischen Wald, im Harz, in Sachsen, Baden-Württemberg und Hessen als grundsätzlich geeignet gelten. Damit ist der Harz zumindest geologisch in der Diskussion – doch eine gezielte Auswahl der Region für ein Endlager steht noch nicht bevor.
Aus Sicht des Landes Niedersachsen, in dem ein großer Teil des Harzes liegt, äußerte Umwelt- und Energieminister Christian Meyer: „Für Niedersachsen bringen die heute vorgelegten Ergebnisse der BGE bislang keine Klarheit. Einzelne Gebiete in Südniedersachsen wurden als ungeeignet eingestuft oder haben die bisherigen Prüfschritte durchlaufen und bleiben im Verfahren. Große Teile der Landesfläche sind jedoch noch unbewertet – und damit weiterhin im Prozess.“
Warum genau der Harz überhaupt im Gespräch ist
Die geologischen Voraussetzungen bilden den Schlüssel: In Deutschland kommen drei Wirtsgesteine für ein Endlager in Frage – Steinsalz, Tongestein und kristallines Gestein wie Granit. Besonders Granitvorkommen gelten im Harz als potenziell geeignet. Die Anforderungen sind jedoch hoch: Laut Angaben müssen die Gesteinsformationen mindestens 300 m tief liegen, über lange Zeiträume stabil sein und dürfen keine größeren Störzonen aufweisen.
Geologische und technische Hürden für den Harz-Standort
Welche Gesteins- und strukturellen Kriterien gelten?
Ein Endlager muss über geologische Ewigkeits-Sicherheit verfügen – das heißt: Es soll dauerhaft über Millionen Jahre ohne relevante Gefährdung stabil sein. In Deutschland werden etwa folgende Mindestanforderungen genannt:
- Wirtsgestein mit ausreichender Mächtigkeit und Tiefe (z. B. über 300 m)
- Keine aktiven Störzonen, keine ehemalige Bergbau-Durchlässigkeit, kein vulkanisches Umfeld
- Sicherer Einschlussradius über eine Million Jahre und Wiederbergungsfähigkeit bei Bedarf
Für den Harzraum heißt dies: Zwar bestehen Granitformationen – doch gleichzeitig bestehen Zweifel, ob alle Anforderungen erfüllt sind. Eine Untersuchung im südlichen Harz beispielsweise ergab, dass Salzformationen zu geringmächtig seien und damit nicht allen Mindestanforderungen genügen. Diese Erkenntnis liefert einen Hinweis auf regionale Einschränkungen.
Wie realistisch ist der Standort Harz im aktuellen Verfahren?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Harz kein formell bestätigtes Endlager-Projekt. Medien berichten jedoch, dass der Harz in der Liste potenzieller Regionen genannt wird. Dennoch: Es fehlt ein spezieller geologischer Nachweis, eine offizielle Entscheidung und eine detaillierte Erkundung im Harz-Gebiet.
Darüber hinaus wird das Gesamtverfahren zeitlich stark verzögert. Ursprünglich war das Ziel der Festlegung eines Standorts für 2031 vorgesehen, realistisch werden jedoch Daten bis 2046 oder später genannt. Diese Verzögerung wirkt sich indirekt auch auf mögliche Kandidatenregionen wie den Harz aus – die Planung und Erkundung müssen abgewartet werden.
Gesellschaftliche Perspektive: Diskussion, Beteiligung, Kritik
Wie verläuft die Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung?
Auch wenn die technische Auswahl vorrangig ist, nimmt die gesellschaftliche Komponente eine wichtige Rolle ein. Laut dem Verfahren sind Transparenz, Beteiligung und generationengerechter Konsens zentrale Elemente.
Ein Kommentar aus Niedersachsen verdeutlicht die Brisanz: „Die Suche nach einem Atom-Endlager wird konkreter – auch in Niedersachsen.“ Vor allem in Regionen, die als möglich gelten, steigt die Sensibilität gegenüber potenziellen Standorten.
Welche regionalen Sorgen und Wahrnehmungen bestehen im Harzraum?
In der Region um Harz und Heide etwa heißt es in einem Kommentar: „Noch mehr Atommüll? Haltet Menschen in der Region Braunschweig nicht zum Narren!“ – eine deutliche Botschaft aus der Bevölkerung. Diese Stimmen stehen stellvertretend für die Skepsis vieler Bewohner*innen, die durch frühere Atom- oder Bergbaubelastungen bereits sensibilisiert sind.
Diese Wahrnehmung unterstreicht: Selbst wenn die Region geologisch in Frage kommt, hängt das Verfahren maßgeblich von lokalem Vertrauen, Transparenz und dem Konsens ab – und dieser ist derzeit noch nicht hergestellt.
Region Harz im Vergleich: Chancen und Unsicherheiten
| Aspekt | Chancen | Offene Unsicherheiten |
|---|---|---|
| Geologie (Granitvorkommen) | Granit im Harz gilt als potenziell geeignet | Kein Nachweis vollständiger Eignung verfügbar |
| Verfahrenstatus | Region als Teilgebiet genannt | Kein offizieller Auswahl- oder Erkundungsstandort |
| Gesellschaftliche Akzeptanz | Region weiß um Diskussion | Starke Skepsis in der Bevölkerung, keine Konsenslage |
| Prozessdauer & Finanzierung | Langfristige Planung möglich | Verzögerungen und Finanzierungslücken der Kenfo-Fonds bis zu 31 Mrd. € prognostiziert |
Was heißt das konkret?
Der Harz kann zwar – auf den ersten Blick – in die Auswahl für ein Endlager eingehen, doch steht er im Wettbewerb mit anderen Regionen und geologischen Formationen. Entscheidend bleibt, ob die Kriterien wie Tiefenlage, Störfreiheit und Einschlussfähigkeit vollständig erfüllt sind – und ob vor Ort ein gesellschaftlicher Konsens gefunden wird.
Wie geht es weiter – nächste Schritte im Verfahren
Die BGE führt derzeit repräsentative vorläufige Sicherheitsuntersuchungen durch und veröffentlicht regelmäßig Zwischenberichte zur Auswahl. Parallel werden Regionalkonferenzen, Begleitforen und Fachkonferenzen eingerichtet, um Beteiligung und Transparenz zu gewährleisten.
Für die Region Harz bedeutet das: Es ist möglich, dass sie in die nächste Phase der Standorterkundung einbezogen wird – das heißt oberirdische Erkundungen, geophysikalische Analysen und Beteiligungsverfahren – oder auch, dass sie ausgeschlossen wird, wenn etwa geologische Mindestkriterien nicht erfüllt werden. Ein verbindlicher Zeitplan für eine Entscheidung existiert nicht; realistischerweise könnte eine Festlegung des Standorts erst nach 2040 erfolgen.
Ausblick auf mögliche Folgen – Chancen und Risiken für die Region Harz
Für die Region Harz ergeben sich neue Perspektiven: Ein Endlagerstandort würde grundlegende wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Auswirkungen haben – potenziell begleitende Infrastruktur-Maßnahmen, Emissionsüberwachung, dauerhafte Sicherheits-Monitoring-Systeme. Zugleich steht vor allem die Frage im Raum, wie die Bevölkerung damit umgeht: Vertrauen in die Sicherheit, Fragen der Umwelt- und Trinkwasserschutzes sowie langjährige Verantwortung für kommende Generationen.
Meine Einschätzung: Es ist keineswegs sicher, dass der Harz ausgewählt wird – jedoch darf die Region nicht frühzeitig aus der Debatte ausgeschlossen werden. Vielmehr geht es nun darum, die Beteiligung vor Ort zu stärken, die geologischen Daten im Detail zu untersuchen und transparent darzulegen, welche Vorteile und Belastungen entstehen könnten.
Reflexion über den möglichen Wendepunkt in der deutschen Endlagersuche
Die Debatte um ein Endlager im Harz zeigt exemplarisch, wie komplex die Standortwahl in Deutschland geworden ist: technisches Know-how, geologische Tiefe, gesellschaftliche Beteiligung und langfristige Finanzierung sind handlungsentscheidend. Ob der Harz-Raum letztlich gewählt wird oder nicht – er ist Teil eines tiefgreifenden Entscheidungsprozesses, der über Generationen hinaus wirkt.







