Wernigerode

Weder Schnee noch Eis Kein Wintereinbruch im Harz – warum Meteorologen Entwarnung geben

Wernigerode, 9. November 2025 – Nebel hängt tief über den Fichten, das Laub glänzt feucht im schwachen Licht – und doch fehlt das, was viele in diesen Tagen erwartet hatten: Schnee. Während sich in sozialen Medien bereits erste Spekulationen über einen angeblichen Wintereinbruch im Harz verbreiteten, zeichnen die Wetterdaten ein anderes Bild. Der Winter lässt sich Zeit – und Meteorologen sprechen von einer Fehlinterpretation des Begriffs „Wintereinbruch“.

Erster Schnee auf dem Brocken – doch kein flächiger Wintereinbruch

Ein kurzer Schneeschauer auf dem Brocken sorgte Ende Oktober für Aufsehen. Nach Angaben von Wetterdiensten fielen auf dem 1.141 Meter hohen Gipfel nur ein bis drei Zentimeter Schnee – ein flüchtiges Ereignis, das bereits nach Stunden wieder abtaute. In den Tallagen des Harzes herrschten weiterhin Temperaturen zwischen acht und zwölf Grad, begleitet von Wind und Sprühregen. Laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) liegt derzeit keine winterliche Wetterlage vor. Die Prognosen zeigen für die kommenden Tage Werte um sechs bis neun Grad – viel zu mild für eine stabile Schneedecke.

Wetterprognosen: Mild, wechselhaft und ohne Schneedecke

Die Wettermodelle von Wetter.de und Wetteronline bestätigen die Einschätzung: Kein anhaltender Schneefall, keine geschlossene Schneedecke. Stattdessen dominieren milde Atlantikluft und feuchte Westwinde. Selbst auf dem Brocken bleiben die Schneehöhen bei null Zentimetern. Meteorologe des DWD erklärte in einem Interview, man könne „von einem Wintereinbruch im Harz derzeit weit und breit nichts sehen“ – zu warm sei die Luftmasse, zu hoch die Schneefallgrenze.

Langzeitdaten zeigen deutlichen Rückgang an Schneetagen

Ein Blick auf historische Daten verdeutlicht den Wandel. Der Brocken galt über Jahrzehnte als schneereichste Region Norddeutschlands. Im langjährigen Mittel lag dort an rund 178 Tagen im Jahr Schnee – in Extremjahren sogar an mehr als der Hälfte aller Tage. Die Rekordschneehöhe von 380 Zentimetern wurde 1970 gemessen. Heute jedoch sind solche Werte zur Ausnahme geworden. Laut einer Klimastudie der Harzwasserwerke nimmt die Zahl der Schneetage seit den 1990er Jahren stetig ab.

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Der Harz im Klimawandel

Studien zum regionalen Klima zeigen: Der Harz erwärmt sich schneller als andere Mittelgebirge. Die Winter werden kürzer, milder und nasser. Niederschläge fallen zunehmend als Regen statt Schnee. Laut dem Tourismusnetzwerk Niedersachsen haben sich die Schneetage mit einer Schneehöhe über zehn Zentimeter zwischen 1961 und 2019 deutlich verringert. Auch die Zahl der Frosttage nimmt weiter ab – mit direkten Folgen für Wintersportorte wie Torfhaus oder Braunlage.

  • Rückgang der Schneetage: –37 % im Vergleich zu den 1960er Jahren
  • Durchschnittliche Wintertemperatur: +1,8 °C in den letzten 30 Jahren
  • Schneefallgrenze: Steigt jährlich um etwa 20–40 Meter

Stimmen aus Foren und sozialen Netzwerken

Auch in Online-Foren und sozialen Medien zeigt sich die Ernüchterung. Auf Reddit schrieb ein Nutzer im Forum r/Harz: „Ich würde gerne einmal eine verschneite Brockenwanderung machen – aber seit Jahren klappt das kaum noch.“ Solche Beobachtungen decken sich mit der offiziellen Statistik. Selbst Outdoor-Enthusiasten diskutieren in Wanderforen über „unsichere Schneelage“ und „fehlende Schneesicherheit selbst in Torfhaus“. Parallel dazu wird der Klimawandel immer häufiger als Ursache gesehen. Ein Nutzer im Subreddit r/Klimawandel beschreibt: „Ich merke mittlerweile, wie sich das Wetter verändert – die Winter werden einfach wärmer.“

Wintertourismus unter Druck

Die wirtschaftlichen Folgen sind spürbar. Betreiber von Skiliften und Hotels im Oberharz melden sinkende Buchungszahlen und kürzere Wintersaisons. Während früher bereits im November Loipen präpariert wurden, beginnt der Skibetrieb inzwischen oft erst im Januar – wenn überhaupt. Beschneiungsanlagen sollen helfen, doch sie sind energieintensiv und lohnen sich nur bei dauerhaft kalten Temperaturen. Diese treten jedoch immer seltener auf.

Was ein „Wintereinbruch“ wirklich bedeutet

Der Begriff wird im Alltag oft zu früh verwendet. Ein Wintereinbruch liegt meteorologisch erst dann vor, wenn eine deutliche und nachhaltige Abkühlung mit Schneefall und Frost einsetzt – meist über mehrere Tage hinweg. Kurze Schneeschauer oder überfrierende Nässe zählen nicht dazu. Aktuell zeigt sich im Harz lediglich eine temporäre Kaltphase ohne Dauerfrost. Laut DWD sei es „zu früh, um von einem Wintereinbruch zu sprechen“, da ein solcher eine längere Phase winterlicher Wetterbedingungen voraussetze.

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Wie sich die Harzer auf den Winter vorbereiten

Trotz fehlender Schneedecke sollten Autofahrer in höheren Lagen vorbereitet sein. Sobald Temperaturen unter null Grad sinken, kann Glätte auftreten. Schneekettenpflicht gilt zwar nur selten, doch Winterreifen sind Pflicht. Für Wanderer bleibt der Brocken ein Ziel – auch ohne Schnee. Und sollte sich der Winter doch noch durchsetzen, sind die Harzer Gemeinden vorbereitet: Räumfahrzeuge stehen bereit, Streusalzvorräte sind gefüllt.

Ein Blick auf das, was kommt

Ob der Harz in diesem Jahr noch eine weiße Winterlandschaft erlebt, bleibt ungewiss. Die nächsten Wochen bringen laut Wettermodellen keine entscheidende Änderung. Doch eines ist sicher: Die Menschen im Harz sind es gewohnt, mit dem Wetter zu leben – ob mit Schneeschaufel oder Regenschirm. Vielleicht, sagen einige, liegt der Zauber des Winters längst nicht mehr im Schnee, sondern im geduldigen Warten auf den Moment, an dem die Natur selbst entscheidet, wann der Winter wirklich beginnt.

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Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.