
Hintergrund der Debatte: Warum die Ferienfrage polarisiert
Die Sommerferien in Deutschland folgen einem komplexen rotierenden System, das durch die Kultusministerkonferenz (KMK) im sogenannten Hamburger Abkommen geregelt wurde. Dieses Modell legt fest, dass die Sommerferien bundesweit auf einen Zeitraum von 75 Werktagen zwischen Ende Juni und Mitte September verteilt werden. Die Länder werden in Gruppen unterteilt, die sich jährlich beim Ferienbeginn abwechseln, um Reisewellen und Belastungen im Bildungssektor zu entzerren.
Allerdings nehmen zwei Bundesländer regelmäßig nicht an dieser Rotation teil: Bayern und Baden-Württemberg. Sie beanspruchen historisch bedingt stets die spätesten Sommerferientermine. Der Grund dafür liegt laut den Ländern in der notwendigen Korrektur nach den Pfingstferien sowie traditionellen landwirtschaftlichen Arbeitszyklen.
Eltern aus Sachsen-Anhalt zeigen sich verärgert
In Sachsen-Anhalt stößt diese Ausnahme zunehmend auf Unverständnis. Der Vorsitzende des Landeselternrats, Matthias Rose, äußerte öffentlich Kritik: „Wir haben noch kein valides Argument gehört, weshalb diese Länder eine Sonderrolle haben sollten.“
Die Kritik bezieht sich nicht auf die Dauer der Sommerferien – die in Sachsen-Anhalt wie bundesweit sechs Wochen beträgt – sondern auf deren Lage innerhalb des Schuljahres. Durch einen frühen Ferienstart haben Schülerinnen und Schüler ein verkürztes zweites Schulhalbjahr, was vor allem bei Abschlussklassen zu erhöhtem Leistungsdruck führen kann.
Frühstart in die Sommerferien: Belastung für Familien und Schulen
„Jetzt lebe ich in Sachsen und wir sind dieses Jahr wieder recht früh dran… Die verkürzten Schuljahre nerven einfach“, schreibt ein Lehrer im sozialen Netzwerk Reddit. Seine Meinung teilen viele Eltern und Pädagogen im Bundesland. In Lehrerforen wird die Planung kritisiert, da sie zu Zeitdruck bei Unterricht und Prüfungen führt.
Eine Mutter im Elternforum äußerte sich ähnlich: „Im Sommer sind die Ferien sehr lang… dann könnte der Schulstoff über längere Schulzeiten gestreckt werden – das würde auch der Chancengleichheit helfen.“
Wann beginnen die Sommerferien 2025 in Sachsen-Anhalt?
Die Sommerferien 2025 in Sachsen-Anhalt beginnen bereits am 28. Juni und enden am 8. August. Damit gehört das Bundesland erneut zu den früh startenden Regionen, während Bayern erst deutlich später folgt.
Verkürztes Schuljahr und Bußgeldrisiko: Zwei Seiten einer Medaille
Ein weiteres Problem betrifft das Verhalten vieler Familien am Ferienbeginn: Um günstigere Urlaubsangebote zu nutzen, nehmen manche Eltern ihre Kinder wenige Tage vor dem offiziellen Ferienstart aus dem Unterricht – was zu Bußgeldern von bis zu 1.000 Euro führen kann. Diese Praxis wird von Schulen kritisiert, steht aber sinnbildlich für das Spannungsverhältnis zwischen Schulpflicht und Familienwirklichkeit.
Betreuungslücken als eigentliches Kernproblem
Doch nicht nur der Zeitpunkt der Sommerferien sorgt für Diskussionen. Viel größer ist für viele Eltern das Problem der fehlenden Ferienbetreuung. Laut einer aktuellen Civey-Umfrage müssen über 50 Prozent der Eltern mehr als die Hälfte ihres Jahresurlaubs aufbringen, um ihre Kinder in den Ferien betreuen zu können. Alleinerziehende sind besonders betroffen.
„Nicht die Ferienlänge, sondern die Ferienlage ist das Problem“, betont der Bundeselternrat. Der Ruf nach einer anständigen, flächendeckenden Betreuung während der Schulferien wird lauter – vor allem in strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands, wo das familiäre Netzwerk oft fehlt.
Leiden Kinder durch zu frühe oder späte Ferien?
Die pädagogische Forschung zeigt ein gemischtes Bild: Während US-Studien einen sogenannten „Ferieneffekt“ mit Lernverlusten belegen, zeigen deutsche Studien meist nur geringfügige Unterschiede. In sozialen Brennpunkten können Lernrückstände jedoch spürbar sein. Besonders problematisch wird es, wenn Kinder in den langen Sommerferien keine Lernanreize oder Betreuung erhalten.
Tourismus und Wirtschaft: Interessenvielfalt in der Ferienfrage
Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Ploß (CDU), forderte unlängst eine breitere Entzerrung der Ferienzeiten von Juni bis September. Damit könnten Urlaubskosten für Familien gesenkt und Verkehrsengpässe vermieden werden. Die Reaktion aus Bayern: scharfer Widerspruch. Ministerpräsident Markus Söder betonte, dass der späte Ferienstart in Bayern auch soziale Vorteile habe – etwa günstigere Nebensaisonpreise für Familienurlaube.
Wer bestimmt die Termine der Sommerferien in Deutschland?
Die Entscheidung liegt bei der Kultusministerkonferenz (KMK), einem Gremium aller 16 Bildungsminister. Sie plant die Ferien in Zyklen von fünf Jahren im Voraus. Bayern und Baden-Württemberg haben allerdings eine Sonderstellung und stimmen nicht immer mit der Rotationslogik überein.
Das sagt die Politik: Veränderungen frühestens ab 2030/31
Das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt verweist auf die anstehenden Beratungen der Kultusminister im Herbst 2025. Eine Änderung des Systems, etwa durch eine konsequente Rotation aller Bundesländer, wäre frühestens zum Schuljahr 2030/31 möglich. Voraussetzung: Einigung aller Bundesländer.
Unter dem neuen Bildungsminister Jan Riedel wird aber auch in Magdeburg diskutiert, wie sich strukturelle Ungleichgewichte beseitigen lassen. Die GEW und SPD fordern zudem eine stärkere Berücksichtigung der Bildungsrealität vor Ort, bevor über weitere Änderungen im Ferienkalender entschieden wird.
Ab wann könnte sich das Ferienmodell ändern?
Nach aktuellem Stand könnte eine neue Verteilung der Sommerferien frühestens ab dem Schuljahr 2030/31 umgesetzt werden – sofern sich alle Bundesländer in der Kultusministerkonferenz darauf einigen.
Alternative Konzepte: Von Trimesterplänen bis Flexferien
In Elternforen und Lehrergruppen wird immer wieder die Idee diskutiert, das Schuljahr in drei gleichmäßige Trimester aufzuteilen – mit kürzeren, aber regelmäßigeren Ferien. Das würde die Belastung entzerren und Lernlücken vermeiden. Andere schlagen ein Flexmodell vor, bei dem Schulen innerhalb eines definierten Rahmens selbst über die exakten Ferienzeiten entscheiden könnten.
Modell | Merkmale | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Trimester-System | Drei Schulabschnitte mit je zwei Wochen Ferien | Gleichmäßige Pausen, weniger Lernlücken | Planungsaufwand, neue Struktur nötig |
Flex-Ferienmodell | Schulen entscheiden Ferienbeginn individuell | Passgenaue Planung, regionale Autonomie | Wettbewerbsdruck, fehlende Einheitlichkeit |
Ausblick: Was Eltern jetzt erwarten
Die Forderungen der Eltern in Sachsen-Anhalt spiegeln ein wachsendes Bedürfnis nach Gerechtigkeit im föderalen Bildungssystem wider. Die Kritik richtet sich nicht gegen andere Bundesländer, sondern gegen eine dauerhafte Sonderrolle, die den Bildungserfolg und die Familienplanung vieler Menschen einschränkt.
Auch wenn eine kurzfristige Änderung unrealistisch erscheint, wächst der politische und gesellschaftliche Druck. Viele Eltern fordern: Wenn Deutschland ein Bildungsland sein will, muss es auch die Ferienplanung an modernen Lebensrealitäten ausrichten – und nicht an jahrzehntealten Traditionen einzelner Länder.