
Halle/Harz – Die Europäische Gottesanbeterin breitet sich rasant in Sachsen-Anhalt aus. Während die markante Insektenart in vielen Regionen des Landes inzwischen häufig zu finden ist, bestehen im Harz noch deutliche Lücken in den Erfassungsdaten. Das Landesamt für Umweltschutz bittet daher die Bevölkerung um aktive Mithilfe, um Sichtungen zu dokumentieren und so das Gesamtbild der Verbreitung zu vervollständigen.
Eine Art auf dem Vormarsch
Die Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) galt in Deutschland lange Zeit als exotische Seltenheit, die allenfalls in den warmen, trockenen Gebieten Süddeutschlands vorkam. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich ihr Lebensraum jedoch deutlich nach Norden verschoben. Diese Entwicklung ist nicht zufällig: Wissenschaftler führen sie auf den Klimawandel zurück, der wärmere Sommer und mildere Winter begünstigt – Bedingungen, unter denen die wärmeliebende Art gedeihen kann.
Laut aktuellen Erhebungen ist die Gottesanbeterin inzwischen „fast überall“ in Sachsen-Anhalt nachgewiesen worden. Im Jahr 2024 wurden landesweit über 5.000 Sichtungen gemeldet, in manchen Landkreisen wie Wittenberg sogar fast 800 Funde innerhalb eines Jahres. Dennoch gibt es Regionen, in denen bislang nur vereinzelte Meldungen eingegangen sind – allen voran der Harz und Teile der westlichen Landesgrenze.
Warum Meldungen aus dem Harz besonders gefragt sind
„Wir wissen, dass die Gottesanbeterin inzwischen in großen Teilen Sachsen-Anhalts lebt, doch die Datenlage aus dem Harz ist noch lückenhaft“, erklärt ein Sprecher des Landesamts für Umweltschutz (LAU). Die topographischen Besonderheiten, das kühlere Klima und eine geringere Meldeaktivität könnten Gründe dafür sein, dass aus dieser Region weniger Nachweise vorliegen. Für eine präzise Artenschutz- und Verbreitungskarte sind jedoch flächendeckende Daten unverzichtbar.
Die Behörde ruft daher gezielt die Bevölkerung im Harz dazu auf, Sichtungen zu melden. Ziel ist es, das Bild der tatsächlichen Verbreitung zu vervollständigen. Die Daten fließen in wissenschaftliche Auswertungen, Rote-Listen-Bewertungen und Artenschutzprojekte ein.
So funktioniert die Meldung
Wer eine Gottesanbeterin entdeckt, kann den Fund über das LAU-Meldeportal oder die App „Meine Umwelt“ eintragen. Die Eingabe ist unkompliziert: Es werden Funddatum, Uhrzeit, genauer Standort, die Anzahl der Tiere und ein Foto oder Video benötigt. Fotos sind besonders wichtig, um die Identität der Art zu bestätigen und Verwechslungen – etwa mit dem Grünen Heupferd – auszuschließen.
Schritt-für-Schritt: Fund melden
- Standort möglichst genau angeben (GPS-Koordinaten oder genaue Ortsbeschreibung).
- Datum und Uhrzeit der Sichtung notieren.
- Anzahl und – falls erkennbar – Geschlecht des Tieres vermerken.
- Foto oder Video aufnehmen und hochladen.
- Optional kurze Beschreibung der Situation (z. B. auf einer Wiese, im Garten, auf einer Mauer).
Wann ist die beste Zeit, um Gottesanbeterinnen im Harz zu beobachten?
Wer die Chancen auf eine Sichtung erhöhen will, sollte wissen: Erwachsene Gottesanbeterinnen sind vor allem im Spätsommer – zwischen August und Oktober – aktiv und sichtbar. Schon ab Mai oder Juni schlüpfen die Nymphen, doch sie sind deutlich kleiner und schwerer zu entdecken. Im Hochsommer, wenn die Tiere ausgewachsen sind, fallen sie mit ihrer typischen Körperhaltung und der grünen oder braunen Färbung stärker ins Auge.
Beeindruckende Jäger mit besonderen Gewohnheiten
In sozialen Netzwerken finden sich immer wieder beeindruckende Fotos und Videos, die das Jagdverhalten der Gottesanbeterin dokumentieren. So zeigen Nutzer etwa, wie ein Tier eine Eidechse überwältigt oder sich an einer großen Raupe zu schaffen macht. Solche Aufnahmen sind nicht nur spektakulär, sondern verdeutlichen auch, dass die Gottesanbeterin ein geschickter Lauerjäger ist, der auch größere Beute nicht scheut.
Die markante Haltung – mit angewinkelten Fangarmen – und die blitzschnelle Beuteerfassung haben der Art nicht nur ihren Namen, sondern auch einen festen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung gesichert. Trotz ihres furchteinflößenden Aussehens ist die Gottesanbeterin für den Menschen völlig ungefährlich.
Darf man eine Gottesanbeterin fangen oder behalten?
Die Antwort ist eindeutig: Nein. Die Gottesanbeterin steht in Deutschland unter besonderem Schutz gemäß Bundesnaturschutzgesetz und Bundesartenschutzverordnung. Es ist verboten, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Erlaubt sind lediglich das Beobachten, Fotografieren und – im Rahmen der offiziellen Meldesysteme – das Melden der Sichtung. Wer ein Tier entdeckt, sollte es ungestört lassen und den Fund dokumentieren.
Citizen Science als treibende Kraft
Die Arbeit der Behörden wäre ohne die Mithilfe der Bevölkerung nicht in diesem Umfang möglich. Bürgerwissenschaft – oder Citizen Science – bedeutet, dass interessierte Laien Daten sammeln, die anschließend von Fachleuten geprüft und in wissenschaftliche Auswertungen einfließen. Diese Methode hat sich besonders bei der Erfassung mobiler Arten wie Insekten bewährt.
Die Gründe für den Erfolg liegen auf der Hand: Viele Menschen sind im Alltag in der Natur unterwegs – sei es im eigenen Garten, beim Spaziergang oder auf Wanderungen im Harz. Jede Meldung trägt dazu bei, Lücken zu schließen und ein genaueres Bild der Ausbreitung zu erhalten.
Seit wann gibt es die Gottesanbeterin in Sachsen-Anhalt?
Erste Nachweise in Sachsen-Anhalt stammen aus dem Jahr 1991 in Magdeburg. Eine sich selbst fortpflanzende Population etablierte sich ab etwa 2004 im Geiseltal. Seit 2019 ist eine deutliche Zunahme der Funde zu verzeichnen, und in den letzten Jahren erreichte die Art sogar Regionen im äußersten Norden des Landes, darunter Arendsee und Stendal. Dieser rasche Anstieg zeigt, wie schnell sich die Gottesanbeterin an neue Lebensräume anpassen kann.
Klimawandel als Motor der Ausbreitung
Fachleute sehen im Klimawandel einen entscheidenden Faktor für die Verbreitung der Gottesanbeterin. Die Art bevorzugt Wärme und Trockenheit, und die zunehmend heißen Sommer in Mitteleuropa schaffen optimale Bedingungen für ihre Fortpflanzung. Wissenschaftliche Studien haben modelliert, dass sich das Verbreitungsgebiet thermophiler Insektenarten in den kommenden Jahrzehnten weiter nach Norden verschieben wird – ein Trend, den die Beobachtungen aus Sachsen-Anhalt bereits jetzt bestätigen.
Häufige Fragen rund um die Meldung
Wie melde ich eine Gottesanbeterin? – Am besten über das LAU-Meldeportal oder die „Meine Umwelt“-App, mit genauer Ortsangabe, Datum, Anzahl der Tiere und einem Foto oder Video.
Warum ruft das Landesamt zu Meldungen im Harz auf? – Um Verbreitungslücken zu schließen und ein vollständiges Bild der Ausbreitung zu erhalten.
Was passiert mit den gemeldeten Daten? – Sie werden in Datenbanken gespeichert, für Rote Listen, Verbreitungskarten und wissenschaftliche Studien ausgewertet.
Die Rolle von sozialen Medien und Foren
Social-Media-Plattformen und Online-Foren sind längst zu wichtigen Quellen für Sichtungsmeldungen geworden. Nutzer teilen dort Fotos, diskutieren über Fundorte und tauschen Tipps aus, wie man die Tiere am besten findet. In manchen Fällen liefern diese Beiträge wertvolle Hinweise auf neue Vorkommen, die anschließend offiziell überprüft werden.
So wurden beispielsweise auf Reddit in den letzten beiden Jahren mehrfach Erstfunde in Regionen gepostet, in denen zuvor keine Nachweise vorlagen. Auch im Harz gab es vereinzelt Community-Meldungen, die die Behörden nun durch gezielte Aufrufe verifizieren wollen.
Tipps für Naturfreunde im Harz
- Halten Sie im Spätsommer auf sonnigen, offenen Flächen Ausschau.
- Achten Sie auf die typische Körperhaltung mit angewinkelten Fangarmen.
- Nutzen Sie die Kamera Ihres Smartphones für ein schnelles Belegfoto.
- Verwechseln Sie die Gottesanbeterin nicht mit dem Grünen Heupferd – achten Sie auf die dreieckige Kopf- und Augenform.
Ein gemeinsamer Auftrag
Der Meldeaufruf des Landesamts zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit von Behörden und Bevölkerung ist. Jede Meldung ist ein kleines Puzzleteil in einem großen Bild, das nicht nur den aktuellen Bestand dokumentiert, sondern auch wichtige Rückschlüsse für den Artenschutz erlaubt.
Für die Menschen im Harz bietet die Aktion zudem die Möglichkeit, aktiv am Schutz und an der Erforschung einer faszinierenden Tierart mitzuwirken. Wer genau hinsieht, könnte bald selbst zu denjenigen gehören, die einen wertvollen Beitrag zur Wissenschaft leisten – und vielleicht eine Gottesanbeterin vor der eigenen Haustür entdecken.