Wernigerode

Wirtschaftskrise im Harz Getriebe- und Antriebstechnik Wernigerode meldet Insolvenz an

Wernigerode. Die Getriebe- und Antriebstechnik Wernigerode GmbH, ein traditionsreicher Arbeitgeber im Harz, hat Insolvenz angemeldet. Betroffen sind rund 185 bis 200 Beschäftigte. Der Fall reiht sich ein in eine zunehmende Zahl von Unternehmensinsolvenzen in der deutschen Zulieferindustrie – und wirft drängende Fragen über die Zukunft des Industriestandorts Harz auf.

Ein Schock für die Region Harz

Als am 19. März 2025 bekannt wurde, dass die Getriebe- und Antriebstechnik Wernigerode GmbH (GAW) Insolvenz angemeldet hat, war die Bestürzung im Harz groß. Für viele Familien ist das Unternehmen seit Jahrzehnten ein verlässlicher Arbeitgeber. Die Nachricht kam nicht völlig überraschend, denn die gesamte Automobilzulieferbranche steckt seit geraumer Zeit in einer tiefen Krise. Dennoch trifft der Fall Wernigerode die Region besonders hart, weil er die strukturellen Schwächen des Harzes sichtbar macht: Fachkräftemangel, steigende Energiepreise und eine schleppende industrielle Transformation.

Nach Angaben des Insolvenzverwalters Manuel Sack von der Kanzlei Brinkmann & Partner soll der Geschäftsbetrieb zunächst fortgeführt werden. Ziel sei es, eine Sanierung oder einen Investor zu finden, um den Standort zu erhalten. „Wir prüfen derzeit alle Optionen, um die Produktion aufrechtzuerhalten und Arbeitsplätze zu sichern“, heißt es aus dem Umfeld der Kanzlei. Die Belegschaft erhält Insolvenzgeld, wodurch die Löhne für drei Monate gesichert sind.

Hintergründe: Warum die Insolvenz unvermeidlich wurde

Die Gründe für die wirtschaftliche Schieflage liegen tiefer. Nach Informationen aus Branchenkreisen soll eine Kombination aus steigenden Produktionskosten, unterbrochenen Lieferketten und wegfallenden Großaufträgen – insbesondere aus dem VW-Konzern – das Unternehmen stark belastet haben. Hinzu kam die Kündigung wichtiger Kreditlinien durch mehrere Banken, was der Firma endgültig die Luft zum Atmen nahm.

Die GAW gehört zur Schlote-Gruppe, die selbst in einer weitreichenden Restrukturierung steckt. Neben Wernigerode meldeten auch die Schlote Brandenburg GmbH & Co. KG, die Schlote Harzgerode GmbH und die Schlote Technology GmbH Insolvenz an. Damit sind mehrere Standorte der Holding betroffen – ein deutliches Signal für die anhaltende Krise der Zulieferbranche.

Ein Blick auf die Zahlen

Standort Beschäftigte Status
Wernigerode ca. 185–200 Insolvenzverfahren eröffnet (Mai 2025)
Harzgerode 93 Insolvenzverfahren eröffnet
Brandenburg nicht veröffentlicht Insolvenzverfahren eröffnet
Technology GmbH Insolvenzverfahren eröffnet
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Wie viele Mitarbeiter sind bei der Getriebe- und Antriebstechnik Wernigerode betroffen?

Nach aktuellen Angaben sind zwischen 185 und 200 Mitarbeiter direkt vom Insolvenzverfahren betroffen. Inklusive verbundener Standorte schwanken die Zahlen in Foren und Gewerkschaftsangaben zwischen 238 und 280. Diese Unsicherheit verdeutlicht die schwierige Informationslage im laufenden Verfahren.

Der Harz als Industriestandort im Wandel

Der Fall Wernigerode ist mehr als eine einzelne Firmenpleite – er steht stellvertretend für die Herausforderungen einer ganzen Region. Der Harz ist seit Jahrzehnten industriell geprägt, insbesondere durch metallverarbeitende Betriebe und Zulieferer der Autoindustrie. Doch während andere Regionen bereits auf neue Technologien und Elektromobilität umstellen, hinkt der Harz vielerorts hinterher.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2025 bundesweit um 44 Prozent gestiegen ist – besonders stark in den Branchen Automotive und Metallverarbeitung. Für den Harz bedeutet das: Die industrielle Basis steht unter Druck, während gleichzeitig der Strukturwandel nur schleppend vorankommt.

Was war der Auslöser für die Insolvenzanträge?

Laut Brancheninformationen führte eine Kombination aus Liquiditätsengpässen, wegbrechenden Aufträgen und verschärften Kreditbedingungen zur Antragstellung. Besonders die Kündigung von Kreditlinien durch drei Großbanken sowie der Wegfall eines Großauftrags sollen ausschlaggebend gewesen sein. Diese Faktoren trafen die gesamte Schlote-Gruppe hart und machten eine geordnete Insolvenz unausweichlich.

Reaktionen aus Politik und Gesellschaft

In Wernigerode und Umgebung ist die Stimmung gespalten. Während die IG Metall sich für eine langfristige Standortsicherung einsetzt, fordert die CDU schnelle Maßnahmen zur Neuansiedlung von Betrieben. Die SPD wiederum kritisiert diese Forderungen als „geschmacklos“, da es zunächst darum gehen müsse, die bestehenden Arbeitsplätze zu erhalten. In sozialen Netzwerken äußern Bürger ihre Sorgen über Ausbildungsplätze, Familien und die Zukunft junger Fachkräfte im Harz.

Ein Facebook-Kommentar bringt es auf den Punkt: „Wenn auch noch GAW verschwindet, verliert Wernigerode ein Stück Identität.“ Solche Stimmen zeigen, dass die Insolvenz über rein wirtschaftliche Fragen hinausgeht – sie betrifft das soziale Gefüge einer ganzen Region.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Insolvenzverwalter Manuel Sack bestätigte, dass der Betrieb zunächst weiterläuft. Gespräche mit potenziellen Investoren haben bereits begonnen. Ziel ist, den Standort Wernigerode als industrielles Zentrum im Harz zu erhalten. Auch Zulieferer und Kunden, darunter große Automobilhersteller, sollen an der Sanierung beteiligt werden.

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Wird der Geschäftsbetrieb trotz Insolvenz weiterlaufen?

Ja. Die Produktion läuft weiter, um bestehende Aufträge zu erfüllen und Vertrauen bei Geschäftspartnern zu erhalten. Diese Fortführung ist ein entscheidender Faktor, um den Wert des Unternehmens zu erhalten und mögliche Investoren zu gewinnen.

Welche Fristen gelten für Gläubiger?

Gläubiger können ihre Forderungen bis zum 3. Juni 2025 anmelden. Danach beginnt die Prüfung durch den Insolvenzverwalter. Für viele kleinere Zulieferer aus dem Harz bedeutet das, dass sie abwarten müssen, ob und wann ihre offenen Rechnungen beglichen werden.

Wirtschaftliche Bedeutung für den Harz

Die Insolvenz hat weitreichende Folgen für den gesamten Harz. In einer Region, die ohnehin um junge Fachkräfte kämpft, ist der Verlust eines Industriebetriebs dieser Größenordnung ein schwerer Schlag. Ausbildungsplätze, Zulieferketten und Dienstleister sind direkt betroffen. Darüber hinaus steht die Frage im Raum, wie attraktiv der Harz künftig als Wirtschaftsstandort bleibt.

Ein Vergleich mit anderen Fällen

Die aktuelle Krise erinnert an frühere Insolvenzen in der Harzer Industrie, etwa im Maschinenbau und bei Automobilzulieferern. Viele dieser Betriebe konnten nach einer Sanierung teilweise gerettet werden, doch die Rettungsquote in der Branche ist laut aktuellen Analysen deutlich gesunken. Während früher über 50 Prozent der Betriebe nach einem Insolvenzverfahren fortgeführt wurden, liegt die Quote 2025 nur noch bei etwa 30 Prozent.

Stimmen aus der Belegschaft

„Wir hoffen, dass jemand den Standort übernimmt. Viele von uns arbeiten hier seit Jahrzehnten“, sagt eine langjährige Mitarbeiterin im Gespräch mit der lokalen Presse. Die Unsicherheit ist groß, doch die Belegschaft zeigt sich solidarisch. Unterstützung kommt von der IG Metall, die regelmäßig Informationsveranstaltungen organisiert und die Kommunikation mit dem Insolvenzverwalter begleitet.

Regionale Politik unter Druck

Der Fall GAW hat eine neue Diskussion über die Wirtschaftsförderung im Harz entfacht. Viele Kommunalpolitiker fordern eine gezielte Industriepolitik und schnellere Entscheidungen über neue Gewerbegebiete. Andere mahnen zur Vorsicht, um keine voreiligen Strukturmaßnahmen auf Kosten der bestehenden Betriebe zu treffen. Die Debatte zeigt, dass der Fall Wernigerode zum Prüfstein für die wirtschaftliche Zukunft der Region werden könnte.

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Wie steht es um die Zukunft des Harzes als Industrieregion?

Der Harz muss sich wandeln – darin sind sich Experten einig. Zukunftsfähige Industrien wie Energie- und Umwelttechnik, Maschinenbau 4.0 und Elektromobilitätskomponenten könnten langfristig neue Perspektiven schaffen. Doch der Weg dahin ist steinig, und ohne staatliche Unterstützung droht der Verlust weiterer Arbeitsplätze.

Harz im Wandel – Chancen und Risiken

  • Chancen: Nutzung von Fördermitteln, Aufbau neuer Industriecluster, Stärkung der Ausbildung.
  • Risiken: Abwanderung qualifizierter Fachkräfte, Verlust industrieller Kompetenzen, sinkende Kaufkraft.

Ausblick auf die kommenden Monate

Bis zur Gläubigerversammlung im Sommer 2025 wird sich zeigen, ob ein Investor gefunden werden kann. Sollte keine tragfähige Lösung entstehen, droht die Zerschlagung des Unternehmens. Für die Region wäre das ein herber Rückschlag – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional. Der Fall wird genau beobachtet, denn er gilt als Barometer für die Stabilität des Mittelstands im Harz.

Fazit: Der Harz steht an einem Wendepunkt

Die Insolvenz der Getriebe- und Antriebstechnik Wernigerode GmbH ist ein Weckruf für die gesamte Region. Sie zeigt, wie verletzlich selbst traditionsreiche Betriebe im Harz geworden sind, wenn globale Lieferketten, hohe Energiepreise und Strukturwandel zusammentreffen. Zugleich bietet die Krise eine Chance: Wenn Politik, Wirtschaft und Belegschaft jetzt gemeinsam handeln, könnte aus dem Schock ein Neuanfang entstehen. Der Harz braucht Mut, Innovation und Zusammenhalt – mehr denn je.

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Über den Autor

Berichte und Artikel

Ich bin im Herzen des Harzes aufgewachsen; Diese mystische und sagenumwobene Region inspirierte mich schon früh. Heute schreibe ich aus Leidenschaft, wobei ich die Geschichten und Legenden meiner Heimat in meinen Werken aufleben lasse. Der Harz ist nicht nur meine Heimat, sondern auch meine Muse.